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Abgas kommt aus einem Auto im morgendlichen Berufsverkehr in Düsseldorf.
© Marcel Kusch/dpa

Nach Diesel-Urteil: Bundesregierung will zügig über blaue Plakette entscheiden

Das Bundesverwaltungsgericht hat Diesel-Fahrverbote unter bestimmten Bedingungen für zulässig erklärt. Das Thema bleibt heftig umstritten. Ist bessere Luft auch anders möglich?

Diesel-Fahrverbote lassen sich auch nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts aus Sicht mehrerer Länder verhindern - doch es droht eine Vielzahl von Prozessen und einzelnen Regelungen. Auch deshalb werden Forderungen nach einer bundesweit einheitlichen „blauen Plakette“ lauter, um saubere, moderne Diesel von Fahrverboten auszunehmen.

Ein Thema bleiben zudem spezielle Vorgaben für Handwerker und neue Modelle für den öffentlichen Nahverkehr. Die SPD verlangt höhere Anreize der Autobauer, damit alte Dieselautos schneller aus dem Verkehr gezogen werden können.

„Die von den Herstellern gezahlten Kaufprämien für Neufahrzeuge müssen von den Unternehmen erhöht werden“, verlangen die SPD-Vizefraktionschefs im Bundestag, Sören Bartol, Matthias Miersch und Hubertus Heil. Dies sei nötig, „da sich viele Besitzer älterer Fahrzeuge ansonsten keinen Neuwagen leisten können“, heißt es in einem Brief, der der Deutschen Presse-Agentur vorliegt. Autobauer hatten solche Prämien nach dem Dieselgipfel im Sommer eingeführt.

Die Bundesregierung will zügig über eine blaue Plakette beraten. "Das Thema wird in der neuen Bundesregierung alsbald aufgegriffen werden", kündigte Regierungssprecher Steffen Seibert am Mittwoch an. Bislang war die Einführung einer blauen Plakette am Widerstand des Verkehrsministeriums gescheitert. Dessen Sprecher bekräftigte die Warnung, dass die blaue Plakette in die falsche Richtung weise. Es gehe weiter darum, Fahrverbote für alle zu vermeiden. Dagegen hatte Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) die Plakette gefordert, um den Kommunen bundesweit die Kontrolle von Verboten zu erleichtern.

Hamburg bestellt Schilder für Fahrverbote

Die Hamburger Umweltbehörde hat unterdessen nur einen Tag nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts ein Foto mit dem Entwurf für Fahrverbotsschilder getwittert. Sie sollen ebenso wie Schilder für Ausweichrouten in Kürze bestellt werden, wie ein Sprecher am Mittwoch sagte. Unter einem Durchfahrtsverbotsschild, auf dem ein Auto in einem roten Kreis zu sehen ist, steht der Erklärhinweis, dass das Verbot für Dieselautos bis zu einer bestimmten Euroklasse gilt.

In Hamburg müssen Autofahrer bereits in zwei Monaten mit Diesel-Fahrverboten an zwei Straßen im Stadtteil Altona-Nord rechnen. Ein Abschnitt auf der Max-Brauer-Allee soll voraussichtlich von Ende April an für Lkw und Diesel-Pkw gesperrt werden, die nicht die Abgasnorm Euro 6 erfüllen, die Stresemannstraße nur für Lkw.

Maas fordert Entlastung bei Nachrüstung

Der geschäftsführende Bundesverkehrsminister Christian Schmidt (CSU) sieht mit dem Leipziger Urteil die Kommunen nicht zu Fahrverboten gezwungen. Es sollte keinen Wettlauf geben, wer am schnellsten solche Verbote startet, sagte Schmidt am Dienstagabend in einem „Brennpunkt“ der ARD. Es müsse mit einem Mix intelligenter Lösungen gearbeitet werden. Dazu gehörten die Verbesserung des Nahverkehrs, neue Antriebe wie Elektro und Brennstoffzelle sowie Verbesserungen beim Diesel.

Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) betonte, dass trotz des Urteils das politische Ziel weiterbestehe, Fahrverbote zu vermeiden. Falls sie kämen, wären sie „ja auch unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit nur als letztes Mittel gedacht“, sagte sie dem ZDF. Für Anwohner, Handwerker und auch öffentliche Einsatzfahrzeuge wie die Feuerwehr könne es selbstverständlich Ausnahmen geben.

Justizminister Heiko Maas (SPD) forderte in der „Rheinischen Post“ die Konzerne auf, die Finanzierung neuer Abgas-Hardware für die Autofahrer bei neueren Modellen zu übernehmen: „Wir erwarten von der Automobilindustrie, dass sie Euro-5- und Euro-6-Fahrzeuge technisch nachrüstet. Alleinige Software-Updates reichen nicht aus.“

Schmidt betonte, Lösungen müssten ökologisch und ökonomisch darstellbar sein. Man sollte nicht in alte Autos investieren, sondern lieber neue Technologien nutzen. Zu einer blauen Plakette für neuere Diesel äußerte sich der CSU-Politiker ablehnend. Es gehe um Probleme in einzelnen Städten, deren Zahl sich ständig reduziere.

In Niedersachsen will sich Umweltminister Olaf Lies (SPD) am 19. März mit Vertretern betroffener Kommunen über alternative Möglichkeiten austauschen. Er gehe davon aus, dass es durch das Urteil im Land nicht zu Fahrverboten komme. Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) sagte, das Land werde „alles tun“, um die Richtwerte für Stickoxid möglichst ohne Fahrverbote zu erreichen.

Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hatte am Dienstag nach jahrelangem Streit entschieden, dass Kommunen Straßen oder Gebiete für Dieselautos sperren dürfen. Dies muss aber der einzige Weg zum schnellen Einhalten von Grenzwerten zum Gesundheitsschutz sein.

Gemeindebund erwartet Prozessflut

Der Städte- und Gemeindebund sieht nun auf Städte und Autobauer eine Prozessflut zukommen. „Es besteht nicht nur die Gefahr einer „Mammut-Fahrverbotsbürokratie“, sondern es ist auch eine Prozessflut zu befürchten, mit der sich betroffene Dieselfahrzeug-Besitzer, aber auch Anlieger von Straßen, die dann unter dem Umwegeverkehr leiden, zur Wehr setzen werden“, sagte Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg der „Rheinischen Post“. Gerade weil das Gericht die Verhältnismäßigkeit und die Fahrverbote als allerletztes Mittel hervorgehoben habe, sei eine solche Entwicklung vorstellbar.

In Hessen stehen bald Entscheidungen an Verwaltungsgerichten in dieser Frage an - etwa am 28. März in Wiesbaden. Das Land gehe davon aus, dass sich die hessischen Gerichte an dem Leipziger Urteilsspruch orientieren und ebenfalls Fahrverbote unter bestimmten Bedingungen verlangen werden, sagte Umweltministerin Priska Hinz (Grüne). Sie forderte, die Bundesregierung müsse endlich eine blaue Plakette einführen. Nur damit könnte ein Fahrverbot auch kontrolliert werden.

Die bayerische Regierung muss bis Ende Mai Diesel-Fahrverbote für bestimmte Straßenabschnitte in München planen - andernfalls droht dort das Verwaltungsgericht mit einem Zwangsgeld. Umweltministerin Ulrike Scharf (CSU) lehnte pauschale Fahrverbote für Dieselfahrzeuge ab. Sie träfen viele Bürger unverhältnismäßig und könnten den Wirtschaftsstandort Bayern gefährden. Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) sagte dem Bayerischen Rundfunk, im Fall klarer rechtlicher Voraussetzungen würde er die Verbote verhängen: „Es geht um die Gesundheit der Münchner, und die ist für mich das oberste Gut. Und wenn es dafür notwendig ist, dass wir Fahrzeuge aussperren, dann werde ich das soweit umsetzen, wie es erforderlich ist.“

Das Handwerk ist wegen der möglichen Folgen alarmiert. Viele Betriebe „könnten es nicht verkraften, wenn sie gezwungen wären, ihre Flotte zu erneuern“, sagte der Präsident der Handwerkskammer Düsseldorf, Andreas Ehlert, dem „Handelsblatt“. Die Autoindustrie müsse dafür einstehen, „da, wo manipuliert worden ist, kostenlos Hardwarelösungen anzubieten“. Der Fahrgastverband Pro Bahn wies darauf hin, dass auch nach dem Urteil die Frage offen bleibe, wie genau mehr Autofahrer zum Umsteigen auf öffentlichen Nahverkehr bewegt werden können. (dpa)

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