zum Hauptinhalt
Winfried Hermann (65) ist seit sieben Jahren Minister für Verkehr und Infrastruktur in Baden-Württemberg.
© Daniel Naupold/dpa

Grüner Minister zu Diesel-Fahrverboten: "Die Behauptung, die Wirtschaft würde geschädigt, ist Unsinn"

Der baden-württembergische Verkehrsminister Winfried Hermann über die Kontrolle von Fahrverboten, neue Beschilderungen und "grobes Versagen" der Bundesregierung. Ein Interview.

Herr Hermann, wer trägt die Schuld an dem Gerichtsurteil?

In erster Linie die Autoindustrie und die Bundesregierung. Das Gericht hat entschieden, wer handeln muss. Europäisches Recht gilt. Und wenn der Bund sich weigert, müssen die Länder dafür sorgen, dass EU-Recht umgesetzt wird. Dass die Bunderegierung nicht gehandelt hat, ist ein grobes Versagen. Sie hat es den Ländern und dem Gericht überlassen, das Problem zu lösen, das auf nationaler Ebene gelöst werden müsste.

Wie schnell und in welchen Städten wird das Urteil jetzt umgesetzt?

Es gibt ja 70 Städte in Deutschland, die die Grenzwerte nicht einhalten. In Baden-Württemberg sind das vor allem Stuttgart und Reutlingen. Die Überarbeitung eines Luftreinhalteplans dauert aus formalen Gründen und wegen der Beteiligung der Öffentlichkeit mindestens ein halbes Jahr. Dann hat das Gericht noch zusätzliche Fristen vorgesehen, bis Fahrbeschränkungen in Kraft treten können.

Ist die Beschilderung für Fahrverbote aufwendig?

Ja. Die Einführung einer blauen Umweltzone wäre wesentlich einfacher umzusetzen und zu kontrollieren. Die bereits bestehende grüne Plakette gegen Feinstaub war sehr erfolgreich. Es ist völlig irrational, dass das Bundesverkehrsministerium sich so gegen die blaue Plakette gewehrt und die Kanzlerin nicht eingegriffen hat. Jetzt hat die Bundesregierung die letzte Chance, einen Flickenteppich aus verschiedenen Regelungen zu vermeiden. Wir kämpfen weiterhin für die blaue Plakette, auch damit wir die Nachrüstung der Diesel bekommen. Wir werben im Bundesrat für Unterstützung.

Entstehen weitere Kosten für die Kommunen und die Wirtschaft?

Die Kosten für die Schilder sollte man ins Verhältnis setzen zu den Gesundheitsschäden der Menschen, die an den stark befahrenen Straßen wohnen. Und zur Wirtschaft: Schon bei der grünen Plakette gibt es Ausnahmen für Lieferverkehr, Notdienste, Ärzte und viele mehr. Das haben wir mit der Industrie- und Handelskammer und anderen Wirtschaftsvertretern ausgehandelt. Bei der blauen Plakette würden wir genauso verfahren. Die Behauptungen, die Wirtschaft würde geschädigt, sind Unsinn.

Wie sollen Fahrverbote kontrolliert werden? Die Polizei sieht sich überfordert.

Ohne blaue Plakette würde man Stichproben bei Fahrzeugen machen, die offensichtlich zu alt für die Norm Euro 6 sind. Das schafft die Polizei. In der Fastnacht macht sie ja auch nur Stichproben.

Zur Startseite