zum Hauptinhalt
Ein britischer Soldat im März 2004 in der südirakischen Stadt Basra.
© AFP
Update

US-geführte Invasion 2003: Britische Kommission: Beteiligung am Irak-Krieg war voreilig

Die Beteiligung britischer Soldaten am Irakkrieg 2003 war auf der Insel umstritten. Jetzt kritisiert eine Untersuchungskommission den Einsatz.

Für Freunde der Zahlen und Superlative hat dieses Werks einiges zu bieten. Sieben Jahre dauerte dessen Fertigstellung. Fast zwölf Millionen Euro hat es gekostet. Mehr als 2,6 Millionen Wörter soll der Bericht umfassen. Gut 120 Zeugen wurden dafür befragt – Regierungschefs, Minister, Armeeoffizieren und Geheimdienstchefs – und unter Verschluss gehaltene Dokumente ausgewertet.
Am Mittwoch hat nun die nach dem Diplomaten John Chilcot benannte Kommission ihre Ergebnisse zu einem der kontroversesten Kapitel britischer Außen-, Sicherheits- und Militärpolitik vorgelegt: dem Irakkrieg. Und das Urteil fällt wenig schmeichelhaft aus. Die Entscheidung der Regierung 2003 um den damaligen Premier Tony Blair, sich an dem US-geführten Feldzug zu beteiligen, war voreilig. Es seien nicht alle „friedlichen Optionen für eine Entwaffnung“ des Irak unter Machthaber Saddam Hussein ausgeschöpft worden. „Ein Militäreinsatz war damals nicht das letztmögliche Mittel“, sagte John Chilcot in London bei der Vorstellung des lang erwarteten Reports.
Außerdem offenbart der mehrbändige Bericht, was Experten schon immer moniert hatten: Die Pläne und Vorbereitungen für eine Nachkriegszeit waren „völlig unzureichend“. Trotz vieler ausdrücklicher Warnungen seien die Folgen der Invasion unterschätzt worden. Dessen ungeachtet habe Blair dem damaligen US-Präsidenten George W. Bush die Treue geschworen – „was auch geschehen möge“. Darüber hinaus ist es offenkundig versäumt worden, die Truppe für den Kampf angemessen auszurüsten.

Die Kommission musste heikle Fragen beantworten

Für die Chilcot-Kommission galt es, verschiedene, heikle Fragen zu beantworten. Welche Gründe gab es seinerzeit für den Krieg und Großbritanniens Beteiligung? Wie ist der Blair mit den ohnehin ziemlich vagen Geheimdienstinformationen über angebliche Massenvernichtungswaffen des irakischen Diktators umgegangen? Hat er die Gefahr womöglich aufgebauscht oder gar die Öffentlichkeit und Abgeordnete in die Irre geführt? Ja, sagt John Chilcot. Die Angaben der Sicherheitsbehörden hätten infrage gestellt werden müssen. Und: Tony Blair habe die Informationen ungerechtfertigt als beweiskräftig dargestellt. Dafür hat sich der Labour-Politiker allerdings bereits entschuldigt. Ebenso wie für Fehler in der Planung des Krieges. So sieht sich Blair denn auch durch den Bericht entlastet. In einer Stellungnahme heißt es, er habe die Entscheidung für den Kriegseintritt in gutem Glauben und mit der Überzeugung getroffen, im „besten Interesse des Landes“ zu handeln.

Von der Zerrissenheit des Landes profitiert der IS

Viele Briten sehen das allerdings ganz anders. Sie dürften sich durch den Kommissionsbericht in ihrer scharfen Kritik an der Invasion – für die es kein klares Mandat des UN-Sicherheitsrats fehlte – bestätigt fühlen. Fast 180 Soldaten kamen bei dem sechs Jahre dauernden Einsatz ums Leben. Der Irak versank in Chaos und Gewalt. Tausende Menschen sind den Kämpfen zwischen Sunniten und Schiiten zum Opfer gefallen. Von der Zerrissenheit des Landes und den Konflikten profitierte in der jüngeren Vergangenheit vor allem der „Islamische Staat“. Die Terrormiliz konnte 2014 und 2015 große Teile des Iraks unter ihre Kontrolle bringen. Zwar konnten die Dschihadisten inzwischen militärisch zurückgedrängt werden. Ihr Herrschaftsgebiet ist deutlich geschrumpft. Doch der IS antwortet auf die Niederlagen mit noch mehr Tod und Schrecken. Anschläge der sunnitischen Extremisten auf Schiiten sollen den zerfallenden Staat weiter destabilisieren. Erst in der Nacht zu Sonntag, also am Ende des heiligen Monats Ramadan, tötete ein Selbstmordattentäter in Bagdad 250 Menschen.

Der scheidende Premierminister David Cameron, der 2003 im Unterhaus für den Einsatz im Irak gestimmt hatte, sagte, es müssten Lehren aus den Fehlern gezogen werden. Soldaten dürften nur als "letztes Mittel" und nach ausführlicher Beratung in den Krieg geschickt werden. Es sei "inakzeptabel", dass 2003 britische Truppen ohne angemessene Ausrüstung in den Irak entsandt worden seien. (mit AFP/dpa)

Zur Startseite