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Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron (links) und der britische Premier Boris Johnson am Samstag in Cornwall.
© Ludovic Marin/AFP

Macron verlangt Einlenken von Johnson: Brexit-Streit überschattet den G-7-Gipfel

Beim G-7-Gipfel wird Premier Boris Johnson vom Brexit-Streit eingeholt. Die EU könnte Strafzölle auf britische Importe verhängen.

Wenn es nach Boris Johnson ginge, dann würde ihm der G-7-Gipfel in Cornwall nur positive Schlagzeilen bescheren. Der britische Premierminister im Zentrum des Familienfotos mit den Vertretern der wichtigsten Industrienationen in Carbis Bay, als erfolgreicher Agenda-Setter bei den Arbeitssitzungen, welche Post-Corona-Überschriften tragen wie „Building back better“ oder „Building back stronger“ - so sieht es die Londoner Gipfel-Dramaturgie vor. Eigentlich könnte es nicht besser laufen für den Hausherrn in der Downing Street. Wären da nicht der Brexit und seine Folgen.

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Großbritannien weigert sich beharrlich, eine Regelung aus dem Brexit-Vertrag umzusetzen, die Nordirland betrifft. Eigentlich muss London Zollkontrollen zwischen Großbritannien und Nordirland einrichten. Doch Johnson setzt das so genannte „Nordirland-Protokoll“ nur zum Teil um. In britischen Medien ist deshalb bereits vom „Wurstkrieg“ zwischen der EU und Großbritannien die Rede. Wegen einer auslaufenden Frist muss bis Ende des Monats eine Lösung her.

Angesichts der Brisanz der Nordirland-Frage nutzte Frankreichs Präsident Emmanuel Macron am Samstagmorgen ein bilaterales Treffen mit Johnson am Rande des G-7-Gipfels, um den Gastgeber eindringlich an seine Verpflichtungen im Rahmen des Brexit-Austrittsvertrages zu erinnern. Demnach bleibt Nordirland im EU-Binnenmarkt, damit eine harte Grenze zwischen Nordirland und dem EU-Mitglied Irland vermieden wird. Wegen der in Nordirland geltenden EU-Standards für Lebensmittel droht aber demnächst in Nordirland ein Verkaufsverbot für Produkte wie Hackfleisch und Würstchen, sofern sie nicht den EU-Standards genügen.

Zunächst wollte Johnson den Streit klein halten

Johnson hatte sich zum Auftakt des Gipfels noch bemüht, den Streit um den Würstchen-Export von Großbritannien nach Nordirland möglichst klein zu halten. Noch vor Beginn des Treffens erklärte der Premierminister, dass sich die EU und Großbritannien im Streit um die Zollkontrollen schon irgendwie einigen würden. Um die Gipfel-Harmonie nicht zu gefährden, kam auch US-Präsident Joe Biden nach seinem Treffen mit Johnson nicht auf das Thema zu sprechen. Allerdings ist ohnehin bekannt, dass Biden die Aushebelung des Brexit-Abkommens durch London äußerst kritisch sieht. Biden hat irische Wurzeln und verfügt über ein gutes Gespür dafür, wie wichtig das Offenhalten der Grenze auf der Grünen Insel ist.

Macron: London muss Trennungsvereinbarung einhalten

So hielt die Gipfel-Harmonie auch nicht lange. Macron forderte Johnson bei dem bilateralen Treffen am Samstagmorgen auf, sich an die Trennungsvereinbarung zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich zu halten. Ansonsten könne es auch keine Rückkehr zum Normalzustand bei den Beziehungen zwischen Paris und London geben, machte Frankreichs Staatschef klar.

Macron gehört in der EU zu den schärfsten Kritikern von Johnson, wenn es um dessen Vertragstreue beim Brexit-Deal geht. Derweil steht Macron mit seiner Haltung grundsätzlich nicht allein da. Neben Macron traf Johnson unter den EU-Vertretern auf bilateraler Ebene auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sowie EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen und Ratschef Charles Michel.

Auf einmal redet auch die britische Seite in Cornwall Tacheles

Angesichts des Drucks der EU gab sich die britische Regierung am Samstag auch gar keine Mühe mehr, den Konflikt kleinzureden. Ein Regierungsvertreter sagte in Carbis Bay, dass Johnson „radikale und pragmatische Lösungen“ im Rahmen des Nordirland-Protokolls finden wolle. Die EU dürfte darin den Versuch sehen, EU-Standards für britische Fleischprodukte zu umgehen. Angesichts der neuerlichen Eskalation des Brexit-Streits in Carbis Bay stehen von beiden Seiten nun Drohungen im Raum: Großbritannien könnte einseitig Teile des Nordirland-Protokolls aufkündigen. Und die EU könnte ihrerseits Strafzölle auf britische Importe verhängen.

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