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Schon schön. In Carbis Bay findet am Wochenende der G-7-Gipfel statt.
© REUTERS

G-7-Gipfel in Carbis Bay: Was Angela Merkel und Joe Biden in Cornwall alles verpassen

Cornwall bietet den G-7-Teilnehmern eine herrliche Landschaft, sagenumwobene Legenden um alte Herrscher - und verstopfte Landstraßen.

Attraktive Urlaubsorte gibt es auf der britischen Insel zuhauf. Keine Region aber genießt einen so legendären Ruf wie Cornwall im äußersten Südwesten Englands. Das hat mit dem mythischen Ruf der Gegend als Schmugglerhochburg zu tun, mit ihrer romantischen Felsenküste und dem milden, vom Golfstrom begünstigten Klima, schließlich auch mit dem Gefühl, das Ende einer Landmasse erreicht zu haben. Ganz unpoetisch heißt der entsprechende Punkt „Land’s End“ – dahinter tobt der kalte Atlantik.

Für die rund 560.000 Einwohner der flächenmäßig ungefähr mit Ostfriesland vergleichbaren Grafschaft bringt die isolierte Lage manche Mühsal mit sich. Die einzige größere, nur teilweise vierspurig ausgebaute Straße ist in den Sommermonaten meist verstopft; die einzige Bahnlinie nach Penzance liegt zwar landschaftlich wunderschön, wird aber rasch unterspült oder durch umstürzende Bäume unterbrochen, wenn wieder einmal die atlantischen Frühjahrsstürme hereinbrechen.

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In dieser Woche kann von Isolation aber keine Rede sein. Dann fallen Zehntausende Polizisten, Delegierten, Journalisten und Demonstranten in die liebliche Landschaft ein. Fürs Wochenende hat Premierminister Boris Johnson die Staats- und Regierungschefs der großen westlichen Industrienationen zum G7-Gipfel nach Carbis Bay an die kornische Nordküste eingeladen, bereits am Donnerstag trifft er sich zum bilateralen Austausch mit US-Präsident Joe Biden.

Für Carbis Bay, ein Nest mit 3500 Einwohnern und mindestens dreimal so vielen Touristenbetten, ja für Cornwall insgesamt, bringt das Scheinwerferlicht der globalen Öffentlichkeit auch manchen Schatten mit sich. Das einzige leistungsfähige Krankenhaus der Region in Truro erklärte dieser Tage halbwegs wiederhergestellte Patienten kurzerhand zur Entlassung geeignet, um Platz zu schaffen für kranke Chefunterhändler oder verletzte Polizisten. Am Wochenende bleibt der Bahn- und Busverkehr unterbrochen, Autos verkehren nur mit Sondergenehmigung. Die engen Straßen der Region dürften dennoch heillos verstopft sein, schließlich liegt das Medienzentrum 30 Kilometer entfernt in Falmouth an der Südküste der Grafschaft.

Cornwalls Bewohner wünschen sich weniger Besucher

Carbis Bay schmiegt sich malerisch an eine Bucht mit feinstem Sandstrand. Fußläufig ist das berühmte St. Ives zu erreichen, wo sich in den 1920er Jahren später berühmt gewordene Künstlerinnen wie Barbara Hepworth versammelten, angezogen von der traumhaften Kulisse und dem südländisch wirkenden Licht.

Im Sommer stauen sich hier stets Zehntausende von Besuchern; in diesem Covid-Jahr kommen sie früher als sonst, weil den Briten ihre sonst üblichen Urlaubsreisen ans Mittelmeer durch strenge Quarantänebestimmungen madig gemacht werden. Dabei hat die Gegend zusätzlichen Tourismus kaum nötig, viele Einheimische wünschen sich im Gegenteil mehr Ruhe, nicht auch noch ein Anwachsen der Besucherströme aus Übersee, auf den Cornwalls Tourismusbehörde setzt.

Die Regierung hat als Trostpflaster Investitionen in örtliche Sehenswürdigkeiten und grüne Verkehrstechnik im Gesamtwert von 76 Millionen Euro verkündet. Der Gipfel selbst spült den Berechnungen von Ökonomen zufolge 28 Millionen Euro in die Kassen örtlicher Hoteliers, Restaurantbetreiber und Autoverleiher.

St. Michael's Mount in der Nähe von Carbis Bay.
St. Michael's Mount in der Nähe von Carbis Bay.
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Was auf den Speisezetteln der Besucher-Prominenz stehen wird, bleibt vorerst noch geheim. Vielleicht gehören Austern und Spanferkel dazu, wie im späten 5. und frühen 6. Jahrhundert? Diese Erkenntnis haben Ausgrabungen bei Tintagel in den vergangenen Jahren zu Tage gefördert: Schüsseln des damaligen Adels von Cornwall stammten aus der heutigen Türkei, getrunken wurde aus feinen spanischen Gläsern. Auch ein Hufeisen und eine Pfeilspitze, Gürtelschnallen und Broschen belegen rege Handelsbeziehungen mit dem Mittelmeerraum.

Zum Vorschein kamen auch Überreste eines Hauses der Herrscher von Dumnonia, wie Cornwall und die benachbarte Grafschaft Devon damals hießen: meterdicke Wände aus Stein, Böden aus Schiefer. Ob es sich um so etwas wie einen Königspalast handelte? Sofort ging mit geistes- und kulturgeschichtlich Versierten die Phantasie durch: Entdeckt hätten die Archäologen, so die kecke Behauptung, den Palast des legendären Artus.

Für einen Ausflug zur wissenschaftlich spannenden Klippe dürfte den Damen und Herren von Johnsons Tafelrunde die Zeit fehlen. Hoffen dürfen sie aber darauf, dass der Premierminister sich von der Legende inspirieren lässt: Diese schildert den sagenumwobenen Fürsten Cornwalls als Ausbund an Großzügigkeit, Mut und Liebenswürdigkeit.

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