Digitale Agenda: Braves Hausaufgabenheft statt großer Wurf
Gabriel, Dobrindt und de Maizière präsentieren die Digitale Agenda der Bundesregierung. Mehr schnelles Netz, mehr Datensicherheit und vernetztere Behörden versprechen sie und warnen vor zu hohen Erwartungen. Zu Recht. Denn im Konkreten bleiben sie schwammig.
Drei Minister haben sich zusammengetan, um eine Digitale Agenda für die Bundesregierung zu formulieren. An diesem Mittwoch haben Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD), Verkehrs- und Infrastrukturminister Alexander Dobrindt (CSU) und Innenminister Thomas de Maizière (CDU) ihre Agenda vorgestellt und ihr oberstes Ziel war es, die Erwartungen zu senken. "Es ist nicht unser Anspruch, auf alle Fragen bereits abschließende Antworten zu haben und nicht mal, dass alle Antworten richtig sind, die Digitale Agenda soll einladen zur Debatte", sagte Gabriel. Sie solle den strategischen Rahmen setzen und die Handlungsfelder abstecken. "Es ist kein neues Subventionsprogramm und auch kein Maßnahmenkatalog, sondern ein Arbeitsprogramm für die Bundesregierung." De Maizière nannte das ganze ein "Hausaufgabenheft", und Dobrindt sieht in der Agenda einen "Startpunkt".
Es soll also bloß nicht der Eindruck entstehen, man wolle hier einen großen Wurf landen und grundlegend alle Fragen der Digitalisierung der Gesellschaft klären. Vor allem aber baut man der Kritik vor, die es bereits seit Tagen gibt: Zu unkonkret, zu spät, zu wenig ambitioniert lautet die Kritik der Netzgemeinde, von Verbänden und Telekommunikationsanbietern.
Konkret ist die Digitale Agenda in drei große Bereiche geteilt: Wachstum und Beschäftigung, Infrastruktur und Sicherheit sowie Teilhabe. Und tatsächlich ist es eher eine Ansammlung von Zielen als konkreten Zusagen. Bestes Beispiel: der Breitbandausbau, ein zentraler Punkt der Digitalen Agenda. Dort hat sich die Bundesregierung das Ziel gesetzt, bis 2018 flächendeckend Übertragungsgeschwindigkeiten von 50 Megabit pro Sekunde zu erreichen. Im Moment liegt Deutschland beim Thema schnelles Netz nur im internationalen Mittelfeld, vor allem weil es ein großes Stadt-Land-Gefälle gibt. Während in Städten durchschnittlich 80 Prozent mit schnellem Netz abgedeckt sind, liegt der Breitband-Ausbaugrad auf dem Land bei gerade einmal 20 Prozent.
Dobrindt: "Wir stehen vor einem Datentsunami"
Dobrindt, in dessen primäre Zuständigkeit dieser Ausbau fällt, findet markige Worte für die Notwendigkeit des Ausbaus. "Wir stehen vor einem Datentsunami", sagte er am Mittag. Allerdings wird der Ausbau Geld kosten, und die Telekommunikationsanbieter rufen bereits nach staatlicher Unterstützung vor allem dort, wo sich der Ausbau für sie eigentlich wirtschaftlich nicht lohnt. Doch konkrete Finanzierungszusagen gibt es kaum. Die Bundesregierung ist bereit, künftige Einnahmen aus der Versteigerung von Mobilfunk-Frequenzen für den Breitbandausbau zur Verfügung zu stellen. Wie viel das sein wird, ist natürlich noch unklar, da es sich um eine Versteigerung handelt, bei der vorher unklar ist, wie viel am Ende dabei herauskommt. Exakt kann man auch noch nicht beziffern, wie hoch die Investitionskosten sein werden. Der TÜV ging im Herbst 2013 noch von Kosten zwischen 20 und 90 Milliarden Euro aus. Dobrindt versprach am Mittwoch: " Im Oktober wird es präzise Zahlen geben, welche Investitionen in Zukunft auf Deutschland zukommen." Dies sei beispielsweise auch abhängig davon, welche Technologie zum Tragen komme, ob also überall Glasfaser verlegt werden oder ob gewisse Regionen auch über Mobilfunklösungen angeschlossen werden.
Die drei Minister wehrten sich gegen finanzielle Forderungen, die auch von Telekommunikationsanbietern wie der Telekom erhoben werden. Gabriel sagte, viel entscheidender seien Re-Regulierungsmaßnahmen, um neue Kapazitäten zu schaffen. "In der Frage des Wettbewerbsrechts ist viel mehr Musik drin." Der Forderung, der Staat solle mehr Geld ausgeben, halte er für falsch. "Der intelligentere Weg ist, Investitionen zu erleichtern." Und auch de Maiziére bemühte das Märchen vom "Kleinen Häwelmann", um sich gegen Kritik zu wehren: Bei Theodor Storm geht es um einen Jungen, der immer mehr will.
De Maizière zu Überwachung: "Ich sehe kein Privileg der Netzcommunity"
Neben dem Netzausbau spielt auch die Wirtschaftsförderung von Start-Ups und die Sicherheit von Daten eine zentrale Rolle. De Maizière kündigte an, dass künftig mehr Behördengänge elektronisch erledigt werden sollen. Er warnte zudem davor, beim Thema Netzsicherheit mit Kampfbegriffen wie Überwachung zu hantieren. Er sieht das Recht auf Kommunikation geschützt und zog Parallelen zur analogen Welt, in der das Brief- und Telefongeheimnis geschützt seien, der Staat unter gewissen Vorraussetzungen aber Briefe öffnen und Telefonate abhören könne. "Ich sehe kein Privileg der Netzcommunity, warum das nicht auch im Netz möglich sein soll."
Ebenfalls ein zentrales Thema ist eine immer wieder erhobene Forderung nach einem öffentlichen Wlan in Deutschland. Im Mittelpunkt dabei steht die sogenannte Störerhaftung, die Frage: Wer haftet eigentlich dafür, wenn beispielsweise über das Wlan eines Cafés oder Hotels Straftaten begangen werden. Die Bundesregierung will nun Rechtssicherheit für Anbieter von Wlan im öffentlichen Bereich wie Cafés oder Hotels schaffen . Von einer Abschaffung der Störerhaftung für alle auch einzelne Personen ist aber nicht die Rede. Nicht mehr. Denn im Koalitionsvertrag las sich das noch anders.