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Gekappt - Glasfaserkabel wie diese wurden in einem Schacht in Charlottenburg gekappt.
© dpa

"Digitale Agenda": Tüfteln am Neuland

Die Bundesregierung hat einen ersten Entwurf für ihre „Digitale Agenda“ vorgelegt. Die Wirtschaft ist enttäuscht, die Start-up-Szene sogar richtig sauer.

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Einen Monat ist noch Zeit. Zeit für letzte Veränderungen an der „Digitalen Agenda“, mit der die Bundesregierung ihre Strategie für eine Digitalisierung von Wirtschaft und Gesellschaft beschreiben will. Am 20. August soll das Papier das Kabinett passieren. Der digitale Masterplan, der dem Tagesspiegel als Entwurf vorliegt, ist Teil des Koalitionsvertrags von CDU/CSU und SPD.

Große Themenkomplexe sind dabei etwa die flächendeckende Versorgung mit schnellem Internet, die Digitalisierung der klassischen industriellen Produktion, die Netzneutralität sowie Datenschutz und IT-Sicherheit. Die Agenda solle dazu beitragen, dass Deutschland „digitales Wachstumsland Nummer eins in Europa“ werde. International ist Deutschland bei der Digitalisierung derzeit weit von einem Spitzenplatz entfernt. Hier rangieren andere Europäer wie Schweden, Niederlande oder Großbritannien weit davor.

Drei Ministerien sind beteiligt

Für die Aufholjagd plant Infrastrukturminister Alexander Dobrindt (CSU) den Ausbau der Breitbandversorgung durch die Netzbetreiber bis 2018. „Wo sich ein wirtschaftlicher Ausbau nicht lohnt“, soll der Staat finanziell einspringen. Das Ziel ist bereits im Koalitionsvertrag definiert. Eine „Netzallianz“ soll hier bis zum Herbst ein „Kursbuch“ vorlegen.

Zu einem zentralen Instrument soll künftig der Nationale IT-Gipfel werden, ein Treffen von Politik, Wirtschaft und Wissenschaft. „Der enge Dialog der Bundesregierung mit allen relevanten Gruppen erfordert ein gemeinsames Dach“, heißt es in dem Entwurf. Auf politischer Ebene soll zusätzlich ein Steuerungskreis die Arbeit der beteiligten Bundesministerien koordinieren. Neben Dobrindts Haus sind dies das SPD-geführte Wirtschaftsministerium von Sigmar Gabriel sowie das Innenministerium mit Thomas de Maizière (CDU) an der Spitze.

Die Reaktion der Wirtschaftsverbände auf die sechsmonatige Arbeit der Regierung an der Agenda fällt eher nüchtern aus. „Es hat lange gedauert, bis alles in die Gänge kam“, bilanzierte Bitkom-Präsident Dieter Kempf kürzlich. Die Bundesregierung habe zwar angekündigt, Digitalisierung und IT zu Schwerpunkten ihres Handelns zu machen. „Wenn es konkret wird, ist davon bislang leider noch wenig zu sehen gewesen.“ So würden beispielsweise nach der Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) zwar Hersteller von Eimern, Besen und Fantasieschmuck entlastet. Betreiber von Rechenzentren seien hingegen nicht von der EEG-Umlage ausgenommen.

Grüner Notz: Ein ganz dünnes Papier

Kaum verbreitete sich der Entwurf der „Digitalen Agenda“ in der Öffentlichkeit, hagelt es auch schon Kritik. Von einem „ganz dünnen Papier“ spricht der Grünen- Abgeordnete im Bundestag, Konstantin von Notz. Er ist Mitglied des neu gegründeten Fachausschusses und will in dem 35-Seiten-Werk der Regierung „nicht viel mehr als Ankündigungen“ finden.

Beispiel Netzausbau: Notz schätzt, dass es 40 bis 60 Milliarden Euro kosten wird, bis auch im letzten Winkel Deutschlands ein schneller Internetanschluss liegt. Das – nämlich die flächendeckende Versorgung mit schnellen Verbindungen – verspricht die Bundesregierung in dem Papier. Aber Notz kritisiert, dass über die konkrete Finanzierung kein Wort verloren werde und der Zeitpunkt der Abrechnung des großkoalitionären Versprechens auf 2018, also auf das Jahr nach der nächsten Bundestagswahl, verschoben wird. „Deutschland“, sagt der Grünen-Politiker, „wird damit weiter zurückfallen“.

Unmut lösen bei den Wirtschaftsverbänden auch die breit gestreuten Zuständigkeiten von allein drei Bundesministerien aus. Zudem fehle es an Abstimmung mit den Ländern. „Wenn wir ein konzertiertes Vorgehen mit einem Verantwortlichen hätten, dessen oberstes Ziel es wäre, die Digitale Agenda voranzutreiben – dann hätten wir andere Ergebnisse“, sagte Kempf.

Die Start-up-Unternehmer sind sauer

Massive Kritik kommt aus der jungen digitalen Wirtschaft. „Wer große Erwartungen in die Digitale Agenda gesteckt hat, der muss feststellen, dass diese zumindest aus Sicht von Start-ups nicht erfüllt werden“, sagte Florian Nöll, Vorsitzender des Bundesverbands Deutsche Startups dem Tagesspiegel. Im Absatz zur jungen digitalen Wirtschaft fänden sich keine Informationen, die nicht schon im Koalitionsvertrag vereinbart wurden. Eine Agenda müsse jedoch eine „klare Roadmap und konkrete Ziele“ beinhalten, wenn sie mehr sein wolle als eine Absichtserklärung.

Die steuerliche Förderung von Start-ups und Risikokapitalanlegern zu deren Finanzierung – eine der zentralen Forderungen der Branche – hat es jedenfalls nicht in den Entwurf geschafft. Wirtschaftsvertreter vermuten dahinter ein Problem der SPD: Für Wagniskapitalförderung seien Steuersenkungen nötig. Diese könne die Partei gegenüber ihren Mitgliedern aber nicht vertreten.

Die Unternehmen aus der IT- und Kommunikationsbranche halten die Agenda trotz Kritik für ein notwendiges politisches Projekt. Lediglich sieben Prozent der Firmen, die der Bitkom kürzlich für seine halbjährliche Konjunktur-Erhebung befragte, können keinen Bedarf erkennen. Wichtigste Punkte sind für die Unternehmen eine Bildungsoffensive, um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken, sowie die Schaffung von Vertrauen in die IT-Sicherheit.

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