Polizei stürmt Containercamp: Brände in Flüchtlingslager auf Malta
Erneut gibt es Unruhen in einem Migrantenlager, dieses Mal auf Malta. Griechenland bringt derweil wieder hunderte Menschen von Samos und Lesbos aufs Festland.
Die Feuersbrunst und die Rauchschwaden waren in einem der kleinsten Mitgliedsländer der Europäischen Union auf der ganzen Insel zu sehen: Jetzt hat es auch in Malta gewalttätige Ausschreitungen in einem Flüchtlingslager mit Dutzenden anschließenden Festnahmen gegeben. Zu den Ausschreitungen kam es im offen zugänglichen Lager Hal Far im Süden der zwischen Sizilien und der Küste Nordafrikas gelegenen Mittelmeerinsel.
Eine Sondereinheit der Polizei hatte am Montag das Containerlager gestürmt, nachdem in der Nacht ein Beamter verletzt sowie mehrere Wagen und Räumlichkeiten in Brand gesteckt worden seien. Binnen weniger Wochen gab es damit das dritte Feuer und den dritten gewaltsamen Aufstand in den völlig überfüllten und teils inhuman geführten Camps auf den Mittelmeerinseln Lesbos, Samos und Malta, die für die Migranten das Eingangstor nach Europa sind.
Betrunkener wurde nicht aufs Gelände gelassen
Wie die „Times of Malta“ in ihrer Internetausgabe berichtet, hatte sich der Massenaufstand in der Nacht zu Montag an einem Streit entzündet – Sicherheitskräfte ließen demnach einen betrunkenen Afrikaner nicht auf das Gelände, weil dies gegen die Regeln der Migrantenasylbehörde „Agency for the Welfare of Asylum Seekers (AWAS)“ verstoße.
Gegen den Umgang der Polizei mit dem mutmaßlich aus Nigeria stammenden Mann sollen sich dann wiederum Bewohner gewehrt haben, die Auseinandersetzung nahm durch eine zunächst kleine Gruppe von Randalierern ihren Lauf.
Augenzeugen zufolge sollen bis zu sechzig Menschen in den Aufstand, der am Sonntagabend gegen 22 Uhr begann, involviert gewesen sein. Später sollen es rund 300 Menschen gewesen sein, teilte Innenminister Michael Farrugia von der sozialdemokratischen Partei Maltas, Partit Laburista, mit. Es seien mehrere Feuer gelegt und Steine gegen Beschäftigte des so genannten „Zelt-Dorfes“ geworfen worden sein.
Fünf Fahrzeuge und ein Container der Lagerverwaltung seien Opfer der Flammen geworden, vertrauliche Dokumente verstreut worden, berichtet die „Times of Malta“. In dem zerstörten Container sei einem Campbewohner zufolge auch Gesundheitsversorgung für Migranten geleistet worden. Ein Polizeibeamter habe bestätigt, dass auch ein Polizeiauto beschädigt worden sei. Die Lage habe sich Montagfrüh gegen 4 Uhr beruhigt.
Demo für mehr Sicherheit
Malta erreichen vor allem schwer traumatisierte Migranten und Flüchtlinge aus Afrika, nach tagelanger Bootsfahrt übers Meer. Zuvor sind viele an unzähligen Leichen vorbei durch die Wüsten gelaufen und haben monatelang in den Lagern Libyens unter menschenverachtenden Bedingungen gelebt.
Maltas Innenminister betonte den Angaben zufolge, dass die maltesische Regierung friedliche Proteste respektiere. Malteser und Ausländer, die die Grenzen überschritten, würden jedoch zur Rechenschaft gezogen. Dies betreffe beide Seiten, Ausländer und Malteser, sagte er.
Schon am Montag gab es Proteste von AWAS-Mitarbeitern vor dem Sitz des Premierministers und Vorsitzenden der sozialdemokratischen Arbeiterpartei Maltas, Joseph Muscat, mit der Forderung nach mehr Sicherheit - man fühle sich durch Migranten bedroht.
Wie auf den griechischen Inseln in der Ägäis sind auch die Camps für Migranten und Flüchtlinge im kleinen Inselstaats Malta mit einer Fläche von nur 316 Quadratkilometern – die Größe Münchens – wegen der steigenden Zahl von Ankommenden überbelegt. Nichtregierungsorganisationen hatten sich bereits in den vergangenen Wochen besorgt über die sich zuspitzende Lage in dem einstigen Zeltlager im Süden der Insel gezeigt, das mittlerweile durch Container ersetzt wurde. Mehrere hundert Menschen warten dort darauf, von anderen europäischen Ländern - vor allem Deutschland - aufgenommen zu werden.
Der Nachrichtenagentur dpa zufolge leben in dem Camp in Hal Far rund 1200 Menschen. Von Januar bis Mitte Oktober 2019 kamen laut Internationaler Organisation für Migration (IOM) mehr als 2900 Bootsflüchtlinge in Malta an, im Vorjahreszeitraum waren es rund 1500. Malta fordert zusammen mit Italien einen Verteilmechanismus von Bootsflüchtlingen, um diese in andere EU-Länder zu bringen.
Ausschreitungen auf Lesbos und Samos
Bereits Ende September war im völlig überfüllten, improvisierten griechischen Flüchtlingscamp Moria auf der Insel Lesbos eine Frau verbrannt, auch ihr Kind soll gestorben sein, nachdem ein Feuer beim Kochen ausgebrochen sein soll. Die Lage im für 3000 Menschen ausgelegten, aber von mehr als 13.000 Menschen bewohnten „Horror“-Camp Moria ist katastrophal, dort leben auch tausende Kinder zwischen Decken, Stofffetzen und ohne Schule, ausreichende sanitäre und gesundheitliche Versorgung, Gewalt und Missbrauch ausgesetzt.
Mitte Oktober gab es Ausschreitungen in einem Migrantencamp auf der griechischen Insel Samos nahe der Türkei, es gab zunächst Schlägereien zwischen Migranten aus Syrien und Afghanistan. Mindestens drei Menschen waren nach Berichten örtlicher Medien durch Messerstiche verletzt worden. Weitere acht Menschen kamen mit Atembeschwerden ins Krankenhaus - die Polizei hatte Tränengas eingesetzt, um die Randalierer auseinander halten.
Zudem sollen auch dort Migranten ein Feuer entfacht haben. Das Lager wurde evakuiert, hunderte Migranten hätten in der Kleinstadt von Vathy Zuflucht gesucht, hieß es.
Täglich kommen auf allen Inseln, die eine europäische Außengrenze bilden, zumeist im Schutz der Dunkelheit Hunderte Menschen an. Durch die türkische Militäroffensive in Nordsyrien könnte die Zahl weiter steigen.
Griechenland schickt Migranten aufs Festland
Um die restlos überfüllten Flüchtlingslager auf Samos und Lesbos zu entlasten, hat die griechische Regierung auch am Dienstag wieder mehrere Hundert Migranten in zwei Fähren auf das Festland verlegt. Von dort aus machet sich die überwiegende Anzahl der Geflüchteten und Migranten ohne Pässe mithilfe von Schleppern im Auto über die Balkanroute oder mit gefälschten Ausweisen im Flugzeug nach Nordeuropa.
Die meisten Menschen geben an, nach Deutschland zu wollen. Zuletzt hatte die griechische Regierung eigentlich angekündigt, bis 2020 rund 10.000 Migranten und Geflüchtete, sofern sie keinen Anspruch auf einen asylberechtigten Aufenthalt in Europa haben, zurück in die Türkei zu bringen.