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TV-Satiriker Jan Böhmermann
© dpa/Oliver Berg

Satirisches Erdogan-Gedicht: Böhmermann unterstützt Klage gegen die Bundesregierung

Der Entertainer unterstützt eine Auskunftsklage des Tagesspiegels. Er will Klarheit darüber, warum das Bundeskanzleramt sein Gedicht für strafbar hielt.

Strafrechtlich ist der Fall zu den Akten gelegt worden, doch Jan Böhmermann will noch eine Antwort: Wie kam die Bundesregierung dazu, seine Satire auf den türkischen Präsidenten Erdogan als strafbar zu bewerten und Ermittlungen gegen ihn zu befürworten? Um dies zu erfahren, unterstützt der ZDF-Entertainer eine Auskunftsklage des Tagesspiegels gegen das Auswärtige Amt mit einer eigenen Erklärung. Darin verzichtet er auf die Rechte aus seiner gesetzlichen Unschuldsvermutung, die der Freigabe von Informationen entgegenstanden.

Bisher mit Erfolg: Das Berliner Verwaltungsgericht hat das Auswärtige Amt jetzt in einem Eilverfahren zu detaillierten Auskünften über die regierungsinterne strafrechtliche Einschätzung des Falls verpflichtet. „Es besteht kein Anlass, Herrn Böhmermann vor der von ihm selbst gewollten Veröffentlichung des Inhalts der Einschätzung zu bewahren“, urteilten die Richter (Az.: VG 27 L 475.16).

Angela Merkel kritisierte Böhmermann als „bewusst verletzend“

Ende März hatte Böhmermann in seiner Sendung Neo Magazin Royale ein satirisches „Schmähgedicht“ auf Erdogan vorgetragen und den türkischen Staatschef darin mit Beleidigungen überzogen. Der TV-Unterhalter wollte damit symbolisch die Grenzen der Meinungsfreiheit aufzeigen, die es nicht nur in der Türkei, sondern auch in Deutschland gibt. Kanzlerin Merkel kritisierte den Auftritt als „bewusst verletzend“.

Erdogan verlangte dennoch ein Strafverfahren nach Paragraf 103 des Strafgesetzbuchs, der Beleidigung ausländischer Staatsoberhäupter. Auch eine interne Untersuchung von Auswärtigem Amt und Bundesjustizministerium bestätigte, dass Böhmermann sich strafbar gemacht haben soll.

Die Mainzer Staatsanwaltschaft sah das anders und stellte das Verfahren im Oktober mangels Tatverdacht ein: Die Satire sei vom Schutzbereich der Kunst- und Meinungsfreiheit erfasst. Und es sei fraglich, ob Erdogan damit beleidigt werden sollte.

Satire ist frei, sagt die ermittelnde Staatsanwaltschaft

Böhmermanns Anwalt Christian Schertz warf Merkel eine Kompetenzüberschreitung vor, die „umso schwerer wiegt, als dass sie von der türkischen Regierung als Ermutigung aufgefasst werden konnte, rechtlich gegen Herrn Böhmermann vorzugehen“. Auf Recherche-Anfragen hielt das Auswärtige Amt die Dokumente geheim. Eine erste Auskunftsklage des Tagesspiegels Mitte des Jahres scheiterte, weil Böhmermann ein „schützenswertes berechtigtes Interesse daran, keiner Vorverurteilung ausgesetzt zu sein“ habe, die mit einem Bekanntwerden der internen Prüfungen verbunden sein könnte. Staatlichen Autoritäten sei es untersagt, öffentliche Äußerungen zu tätigen, in denen sie die Schuld eines Beschuldigten unterstellten (Az.: VG 27 L 324.16).

Mit Böhmermanns Erklärung, er habe selbst ein Interesse an den Auskünften und könne ihre Veröffentlichung daher hinnehmen, hat sich das Argument erledigt. Doch das Auswärtige Amt mauert weiter und hat Beschwerde gegen den Beschluss vor dem Berlin-Brandenburger Oberverwaltungsgericht eingelegt, über die demnächst entschieden werden soll: Böhmermann könne auf seine Unschuldsvermutung nicht verzichten, da sie kein bloßes Individualrecht sei, sondern ein tragendes Prinzip des Rechtsstaats. Sein Verzicht sei damit „rechtlich ohne Bedeutung“. Außerdem sei die amtliche Einschätzung zur Strafbarkeit als „vertraulich“ eingestuft und gehöre als Teil der Willensbildung zum „Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung“, über den die Regierung Informationen zurückhalten dürfe.

Juristisch geht der Fall damit weiter, auch für Böhmermann. Denn vor Gericht klagt Erdogan auch als Privatmann und besteht auf Unterlassung. Die Regierung hatte angekündigt, Paragraf 103 mit Wirkung für 2018 abschaffen zu wollen. Mitte Dezember unternahm der Bundesrat einen Vorstoß für eine schnellere Streichung.

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