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Jan Böhmermann freut sich. Seine Satire schlug ein, in jeder Hinsicht.
© Britta Pedersen/dpa

Schmähgedicht von Böhmermann: Der Sieg der Satire ist eine Niederlage der Politik

Mit ihrem Beschluss zu Böhmermann setzt die Justiz die Satire frei. Unheil droht nicht. Nur ein geschärfter Blick auf Politik. Ein Kommentar.

Der jedenfalls vorläufige Sieg der Satire im Justiz-Streit Erdogan gegen Böhmermann ist zugleich eine Niederlage der Politik. Der türkischen, weil der zunehmend autokratische Präsident des Landes zusehen darf, wie eine Justiz verfährt, die nicht von der Staatsmacht gegängelt wird. Aber auch der deutschen, weil die Krise einige manifeste Peinlichkeiten offenbarte.

Zum Sieg der Satire: Der Beschluss der Mainzer Staatsanwaltschaft, wonach sie ihre Böhmermann-Ermittlungen einstellt, ist ein seltenes Exempel für den nötigen Kunstsachverstand bei der juristischen Bewertung eines politischen Witzes, um den es sich hier handelt. Die Rechtsprechung zu unernsten Kulturbeiträgen krankt in Deutschland seit Jahrzehnten daran, dass diese erst in ihre Einzelteile zerlegt werden, um sodann das, was ehrverletzend wirkt, ernst zu nehmen. Kein Wunder, dass dabei bemühte Konstrukte wie die vermeintlich unzulässige „Schmähkritik“ entstanden sind, über die sich der Unterhalter mit seinen Reimen ebenfalls lustig machte.

Schwäche und Unzulänglichkeit

Doch Satire ist nun mal unernst. Wer sich ernsthaft getroffen fühlt, zeigt nur eines: die eigene Schwäche und Unzulänglichkeit. So war es nicht nur bei Erdogan, so war es auch bei Papst Benedikt oder etwa dem früheren Bundespräsidenten Wulff, der mal einen witzig gemeinten Facebook-Post verfolgen ließ. Ein Herrscher, der Satire über sich nicht ertragen kann, hat in einer funktionierenden Demokratie bald ausgeherrscht. Leute wie Angela Merkel oder Helmut Kohl haben gezeigt, wie es besser geht.

Die erfrischend ganzheitliche Sichtweise, mit der die Mainzer Staatsanwälte Böhmermanns Witz betrachten, ist geeignet, die deutsche Satire dauerhaft zu entgrenzen. Auch angesichts jüngster Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, auf die sich die Ermittler beziehen, dürften sich Politiker, die wegen Satiren Anzeige erstatten, künftig noch lächerlicher machen als bisher schon. Unheil droht dadurch nicht. Die Bundesrepublik ist für ihre Dichter und Denker bekannt, nicht für einen Überschuss an Komik. Außerdem ist die Justiz nicht doof. Wer meint, Hetze und Beleidigungen unter einem Satire-Deckmantel ablassen zu können, wird diesen ausgezogen bekommen und verurteilt werden. Was dagegen witzig oder überzeugend so gemeint ist, kann niemanden verletzten. Lustiges wird damit kaum noch angreifbar.

Erdogan wird weiterklagen

Bleibt zu fragen, weshalb die Bundesregierung dennoch meinte, den Beitrag als strafbar und „bewusst verletzend“ einstufen zu müssen. Hatte Angela Merkel das Werk womöglich nicht in Gänze gesehen, über das sie ihr Vorurteil fällte? Das müsste noch geklärt werden können. Unangenehm darf es dem Kabinett auch sein, die Justiz zur Strafverfolgung der Majestätsbeleidigung ermächtigt zu haben, um sich gleichzeitig festzulegen, das Delikt demnächst zu streichen. Warum soll ein einzelner Satiriker noch wegen eines Tatbestands belangt werden, den es eigentlich nicht mehr geben darf? Es war ein befremdliches auslaufendes Sonderrecht, das da kreiert wurde.

Der Spaß ist vorbei, der Ernst geht weiter. Erdogan wird weiterklagen, womöglich gibt es neue politische Verwerfungen. Aber die Satire, immerhin, ist vorerst gerettet.

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