zum Hauptinhalt
Jan Böhmermann sitzt in der Kulisse seiner Show «Neo Magazin Royale».
© Ben Knabe/ZDF/dpa

Schmähgedicht von Böhmermann: Diese Konsequenzen ziehen Satiriker aus der Einstellung des Verfahrens

"Dieser Fall hat gezeigt, dass Satire ernst gemeint ist und ernst genommen wird", meint Kabarettist Florian Schroeder. Stimmen zur Einstellung des Verfahrens gegen Böhmermann.

Die Mainzer Staatsanwaltschaft hat das Verfahren gegen Jan Böhmermann wegen „Beleidigung eines ausländischen Staatsoberhaupts“ eingestellt. Es gebe „keine hinreichenden Anhaltspunkte“ für strafbare Handlungen durch den Ende März ausgestrahlten Fernsehbeitrag.  Der Satiriker hatte sich in seiner Sendung „Neo Magazin Royale“ über Erdogans empörte Reaktion auf einen Satirebeitrag im NDR lustig gemacht.

Dabei trug er auch ein Schmähgedicht" vor, das Erdogan nach Böhmermanns Worten einmal zeigen sollte, wo wirklich die Grenzen der Meinungsfreiheit liegen. Das Gedicht enthielt Beschimpfungen und sexueller Bezüge. Erdogan stellte daraufhin einen Strafantrag, die Bundesregierung erteilte im April die zur Verfolgung der Tat nötige Ermächtigung. Gegen die Einstellung des Verfahrens kann Erdogan Beschwerde erheben.

So reagieren Kabarattetisten und Karikaturisten auf die Entscheidung der Staatsanwaltschaft

Der Kabarettist Florian Schroeder.
Der Kabarettist Florian Schroeder.
© Frank Eidel/Promo

Florian Schroeder, Kabarettist:

Für mich ist die Einstellung des Verfahrens gegen Jan Böhmermann in erster Linie ein Zeichen dafür, dass unser Rechtsstaat eben nicht da steht, wo ihn die Vollidiotien vom Tag der Deutschen Einheit, hinstellen wollen, nämlich in die scheindemokratische Ecke. Die Justiz hat in Bezug auf Böhmermanns sogenanntes Schmähgedicht auf Erdogan jetzt eine sachlich richtige Entscheidung getroffen. Das ist der ultimative Beweis, dass Meinungs- und Kunstfreiheit in diesem Land etwas gelten. 

Für den Berufsstand des Satirikers oder Kabarettisten hat die Affäre ohnehin nie Konsequenzen gehabt. Ich habe in den letzten Monaten da keine besondere Schere im Kopf gespürt. Natürlich kann man sich bei sensiblen Themen wie etwa Islam in die Nesseln setzen. In dem Zusammenhang dann besonders genau hinzusehen und präzise zu formulieren, dass gehört sowieso zum Arbeitsethos. Dieser Anspruch hat sich durch die Böhmermann-Geschichte nicht verändert. Für mich war das eher ein schönes Zeichen dafür, dass Satire doch ankommt, doch wunde Punkte trifft. Wir haben ja in Deutschland immer diese Unterscheidung zwischen E und U. Dieser Fall hat gezeigt, dass Satire ernst gemeint ist und ernst genommen wird, dass sie Teil des Diskurses ist. Das finde ich gut.

Mich überrascht die Entscheidung, dass die Klage fallengelassen wurde, nicht. Alle Medienrechtler, mit denen ich mich unterhalten habe, haben damit gerechnet. In der ganzen Aufregung wurde immer unterschlagen, dass das "Schmähgedicht" in einer satirischen Sendung aufgeführt wurde. Und auch das Gericht hat jetzt ja nochmal eindeutig klar gestellt, dass es eine eindeutig als solche erkennbare satirische Nummer auf einer Metaebene war.

Der Comedian Dieter Nuhr.
Der Comedian Dieter Nuhr.
© Jörg Carstensen/dpa

Dieter Nuhr, Comedian:

Eine Einstellung wegen Belanglosigkeit erscheint mir als Staatsbürger jedenfalls exakt richtig. Ob das eine gute Nachricht für Satiriker ist, weiß ich nicht, wahrscheinlich für all jene Satiriker, die gerne Politiker als Ziegenficker bezeichnen. Die Frage, ob der Sachverhalt auf Erdogan zutrifft oder wenigstens, wie es für Satire angeblich obligatorisch ist, überspitzt dargestellt wird, bleibt so allerdings ungeklärt. Ob das richtig ist, ist ein Fall für die Justiz. Die hat nun entschieden. Das nennt man Rechtsstaat, und ich bin froh, in einem solchen zu leben. Er funktioniert. Da freue ich mich.

Der Satiriker und Europa-Politiker Martin Sonneborn.
Der Satiriker und Europa-Politiker Martin Sonneborn.
© Patrick Seeger/dpa

Martin Sonneborn, Satiriker und EU-Politiker:

Die Einstellung ist natürlich zu begrüßen, die Begründung hat der Tagesspiegel seinerzeit als einer der ersten vorgelegt: Kunstfreiheit. Wenn Erdogan Eier hat, verklagt er jetzt die Staatsanwalt wegen Strafvereitelung im Amt. Tut er das nicht, ist er in meinen Augen kein überzeugender Despot.

Karikaturist Klaus Stuttmann im Selbstporträt.
Karikaturist Klaus Stuttmann im Selbstporträt.
© Kitty Kleist-Heinrich

Klaus Stuttmann, Tagesspiegel-Karikaturist:

Die Einstellung des Verfahrens gegen Böhmermann überrascht mich nicht, deswegen ist das keine gute, sondern eine selbstverständliche Nachricht. Alles andere wäre eine Katastrophe für unseren Rechtsstaat gewesen.

Die Freiheit der Satire hat ihre Grenzen, aber nicht die Grenzen des Geschmacks, sondern die von Verlegern und Redaktionen. Geschmack definiert nun mal jeder anders. Satire darf keine Hetze sein und nicht auf Menschen zielen, die sowieso schon gesellschaftliche Verlierer sind, andere Grenzen gibt es für mich nicht.

Vielleicht schauen Satiriker nach der Böhmermann-Affäre jetzt noch genauer hin, sind noch vorsichtiger, aber dass die Sache wesentliche Konsequenzen für den Berufsstand hat, glaube ich nicht.  

Zur Startseite