Wahlsieg ist amtlich: Biden triumphiert – und damit die Demokratie
Die Wahlleute in den USA haben nicht nur bestätigt, dass Joe Biden Donald Trump besiegt hat. Sondern auch, dass die Demokratie standhaft ist. Ein Kommentar.
Manche haben bereits mit dem Zählen aufgehört. Nachdem Joe Biden am Montagabend (Ortszeit) in Wilmington zum Mikrofon gehumpelt ist, wegen seines verletzten Fußes noch etwas lädiert, hält er eine weitere Siegesrede – und damit wohl insgesamt mehr, als es jemals ein amerikanischer „President-elect“ getan hat.
Gut sechs Wochen nach der Präsidentschaftswahl hat ihm das „Electoral College“ gerade offiziell seinen Sieg bestätigt. Joe Biden, der 78-jährige ehemalige Vizepräsident, der Demokrat mit jahrzehntelanger politischer Erfahrung, wird der nächste, der 46. US-Präsident.
Das ist eigentlich keine Eilmeldung mehr wert, steht das Ergebnis doch schon länger fest, spätestens, seit die entscheidenden „Swing States“ ihren Wahlausgang offiziell gemeldet hatten. Aber das amerikanische System braucht seine Zeit, der nächste offizielle Akt findet am 6. Januar im Kongress in Washington statt, wenn Biden dort zum Sieger gekürt wird, und erst für den 20. Januar ist seine Amtseinführung vorgesehen.
Trump bleibt ein Präsident mit nur einer Amtszeit
Obwohl dieser Prozess nicht mehr aufzuhalten ist, weigert sich der Wahlverlierer Donald Trump immer noch, seine Niederlage anzuerkennen. Er hetzt seine Anhänger auf und spricht selbst dann noch von Wahlbetrug, nachdem ihm hin bis zum Obersten Gericht alle Instanzen das Gegenteil bescheinigt haben.
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Aber es nützt nichts: Biden hat Trump mit dem gleichen Ergebnis besiegt, mit dem der 2016 gewonnen hatte: mit 306 zu 232 Stimmen im „Electoral College“. Der Republikaner wird ein Präsident mit nur einer Amtszeit bleiben.
Justizminister Barr tritt am gleichen Tag zurück
Das geben nun nach und nach sogar Mitglieder seiner Partei zu, die es in den vergangenen Wochen nicht gewagt hatten, ihm offen zu widersprechen. Und dass Justizminister William Barr, der Trump so lange unterstützt hat, ausgerechnet an diesen Tag ankündigt, aus der Regierung auszuscheiden, kann ebenfalls als Zeichen dafür verstanden werden, dass diese Administration am Ende ist.
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Mutig sind die späten Äußerungen dieser Konservativen nicht, und besonders viele sind es auch nicht. Aber sie zementieren die Aussage: Trump hat verloren.
300.000 Corona-Tote - wertvolle Zeit ist verstrichen
Der Tag, an dem dies mit der Abstimmung der Wahlleute offiziell noch einmal bestätigt wird, zeigt allerdings auch, mit welchen Herausforderungen es der Neue gleich von Anfang an zu tun hat. Am Montag überschritten die USA die Marke von 300.000 Menschen, die an den Folgen einer Corona-Infektion gestorben sind.
Gleichzeitig wurde in New York die erste Amerikanerin gegen das Virus geimpft, der Beginn einer gigantischen Impfkampagne, von deren Erfolg so viel für das schwer getroffene Land abhängt.
Der Umgang mit dieser Jahrhundert-Krise wird schnell zur Bewährungsprobe für Biden werden. Die scheidende Regierung hat die Bedrohung viel zu lange heruntergespielt und darin versagt, ihr mit einer einheitlichen Strategie zu begegnen. Es wird Zeit, dass die neue mit der Arbeit beginnen kann.
Biden spricht 13 Minuten
Seine 13-minütige Ansprache am Montagabend nutzt Biden einmal mehr dafür, die Hand auszustrecken und zu versprechen, dass er der Präsident aller Amerikaner sein wolle. Aber er erinnert sein Land auch daran, auf was es eigentlich stolz sein sollte: darauf, dass die amerikanische Demokratie Stürme übersteht, seien sie auch noch so zerstörerisch.
Weder Pandemien noch Machtmissbrauch könnten diese „Flamme“ ersticken, sagte er. Dabei erwähnt er den scheidenden Präsidenten deutlich häufiger als in den vergangenen Wochen.
Es war nicht Bidens erste Siegesrede. Aber es war vielleicht die entscheidende. Ein Donald Trump, so die Botschaft, kann die amerikanische Demokratie zwar in Gefahr bringen. Besiegen kann er sie nicht.
Juliane Schäuble