„Electoral College“ stimmt ab: And the Winner is...
An diesem Montag kommt das „Electoral College“ zusammen, um den nächsten US-Präsidenten zu wählen. Der heißt Joe Biden – egal, was Donald Trump tut.
Die Stimmung in Washington war in der Nacht zu Sonntag wieder besonders aufgeheizt. Tausende Anhänger des abgewählten US-Präsidenten Donald Trump hatten sich in der Hauptstadt versammelt, um gegen das Unvermeidliche zu protestieren: die Wahl von Joe Biden zum 46. Präsidenten der Vereinigten Staaten.
Nachdem sie monatelang von Trump und seinen Leuten darauf eingeschworen worden waren, dass es bei der Wahl am 3. November nicht mit rechten Dingen zugehen könne, wenn ihr Präsident unterliegt, wundert es kaum noch, dass sie keine Ruhe geben.
Aber trotz dieser Realitätsverweigerer und trotz immer neuer skandalöser Versuche, das Wahlergebnis mit politischem Druck und juristischen Mitteln doch noch zu kippen, entwickelt sich der Prozess nur in eine Richtung. Und am Ende dieses Prozesses wird Biden, der landesweit über sieben Millionen Stimmen mehr als Trump und auch die Mehrheit im „Electoral College“ gewonnen hatte, am 20. Januar zum neuen Präsidenten vereidigt werden.
Eine weitere wichtige Hürde wird der 78-jährige Demokrat an diesem Montag nehmen, wenn die 538, bei der Präsidentschaftswahl bestimmten Wahlleute des „Electoral College“ in ihren jeweiligen Bundesstaaten und dem Hauptstadtbezirk Washington DC zusammenkommen, um ihre Stimme für den künftigen Präsidenten abzugeben.
Hat Trump noch juristische Möglichkeiten, das Wahlergebnis anzufechten?
Am vergangenen Dienstag, dem „Safe Harbour Day“, ist die Frist abgelaufen, innerhalb derer die Ergebnisse in den einzelnen Bundesstaaten anfechtbar waren. In eigentlich allen Staaten haben die Richter diesbezügliche Versuche Trumps ergebnislos abprallen lassen. Bei dem einzigen Rechtsstreit, den seine Anwälte gewannen, ging es um eine Formalie, die Entscheidung hat keine Auswirkungen aus das Wahlergebnis. Auch vor dem Supreme Court ist es den Republikanern nicht gelungen, die Wahl Bidens noch aufzuhalten.
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Kann es am Montag noch Überraschungen geben?
Zwar sind nicht alle Wahlleute an das Wahlergebnis gebunden, demzufolge auf Biden 306 Wahlleute-Stimmen und auf Trump 232 entfallen. 270 sind für eine Wahl erforderlich. In ein paar Bundesstaaten sind die Wahlleute theoretisch frei in ihrer Entscheidung. Da sie aber ursprünglich von einer bestimmten Partei nominiert oder gewählt wurden (jeder Staat kann das Verfahren selbst bestimmen), kommt es hier nur selten zu Überraschungen.
Die Partei des Kandidaten, der in dem jeweiligen Staat die Mehrheit der „Popular Vote“ geholte hat, darf ihre Wahlleute ernennen, die dann in der Regel wie erwartet abstimmen. In Einzelfällen haben „Faithless Electors“ auch mal dagegen verstoßen, etwa 2016, als zwei Wahlleute Trump ihre Stimme verweigerten (und fünf Hillary Clinton).
Seit 1796 kam dies aber nur 180 Mal vor, den Ausgang einer Präsidentschaftswahl hat solch ein abweichendes Verhalten noch nie verändert. Und Biden hat immerhin 36 Wahlleute mehr gewonnen, als für seine Wahl notwendig waren. Es ist also sehr unrealistisch, dass Trump an diesem Montag gewählt wird.
Die Stimmen des „Electoral College“ werden dann gezählt, zertifiziert und in versiegelten Umschlägen nach Washington geschickt, wo sie bis zum 23. Dezember eintreffen müssen und am 6. Januar bei einer gemeinsamen Sitzung von Repräsentantenhaus und Senat verlesen und ausgezählt werden. Leiten wird die Sitzung Vizepräsident Mike Pence, der dann offiziell den Sieger ausrufen wird.
Was könnte da noch passieren?
Auch hier gibt es vor allem theoretische Möglichkeiten. Die Republikaner könnten während der Sitzung Einspruch gegen Ergebnisse aus einzelnen Bundesstaaten einreichen. Pence wird nach solchen Einwänden fragen, in normalen Zeiten ist das eher ein symbolischer Vorgang.
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Aber unter Trump ist nichts normal, daher ist es durchaus vorstellebar, dass der eine oder andere konservative Parlamentarier dieses Mittel nutzen werden, um ihre Basis weiter zu befeuern. So hat etwa der Abgeordnete aus Alabama, Mo Brooks, dies bereits angekündigt.
Damit aus diesem Einwand eine Anhörung der beiden Kongresskammern wird, bräuchte er aber die Unterstützung eines Senators. Davon ist bislang nichts bekannt. Und selbst wenn sich noch jemand finden sollte, kann das Ergebnis nur geändert werden, wenn beide Kammern zustimmen. Im Repräsentantenhaus haben aber die Demokraten die Mehrheit.
Wird Trump friedlich das Weiße Haus räumen?
Ihm wird letzten Endes keine andere Wahl bleiben, als am 20. Januar, dem Tag von Bidens Wahl, auszuziehen. Aber er wird bis dahin noch jede Chance nutzen, um für Unruhe zu sorgen und seine Anhänger aufzuputschen. Das ist schon mit Blick auf kommende Wahlen nicht zu unterschätzen.
Die erste steht gleich am 5. Januar an, wenn bei zwei Stichwahlen in Georgia nicht nur über die beiden Senatssitze dieses Bundesstaates, sondern auch über die Frage entschieden wird, wer im Senat künftig die Mehrheit hat.
Trump hat sich selbst als schlechten Verlierer bezeichnet und wird mit aller Wahrscheinlichkeit Bidens „Inauguration“ am 20. Januar schwänzen. Der neu gewählte Präsident wird damit leben können.