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IS-Chef Abu Bakr al-Bagdadi.
© AFP
Update

Terrormiliz „Islamischer Staat“: Beobachtungsstelle: IS-Chef al-Bagdadi ist tot

IS-Chef Al-Bagdadi soll tot sein, doch totgesagt wurde er schon häufig. Er regierte sein „Kalifat“ aus dem Verborgenen. Nun soll der IS seinen Tod bestätigt haben.

Dieser Mann wurde in den vergangenen Jahren schon einige Male für tot erklärt. Doch nun bestätigen offenbar auch Gefolgsleute, dass der Chef der Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) ums Leben gekommen ist. Das teilte am Dienstag die in der Regel gut informierte Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte mit. Dies hätten hochrangige Funktionäre in der Provinz Deir Essor bestätigt. Es sei allerdings bisher unklar, wann und wie al Bagdadi gestorben sei.

Schon vor einigen Wochen hieß es in russischen Berichten, dass der Islamisten-Anführer bei einem russischen Luftangriff in der Nähe des syrischen Rakka getötet worden. Kampfjets hätten Ende Mai einen Befehlsstand des IS bombardiert. Dort sollen sich Führungsmitglieder der Extremisten-Organisation aufgehalten haben. Demnach starben bei der Attacke Dutzende Terrorkommandeure, unter ihnen eben auch Bagdadi. Vor wenigen Tagen erklärte dann ein Vertrauter des iranischen Revolutionsführers Ali Chamenei: „Der Terrorist Bagdadi ist definitiv tot."

Es ist ziemlich genau drei Jahre her, da bekam die Welt den gefürchteten IS-Anführer erstmals richtig zu Gesicht – und zum letzten Mal. Ende Juni 2014 tauchte überraschend ein bärtiger, dunkelgekleideter Herr in Mossuls Al-Nuri-Moschee auf. Abu Bakr al Bagdadi betrat eine Empore und ließ die Zuhörer wissen, dass mit diesem Tag das weltweite „Kalifat“ namens „Islamischer Staat“ beginne. An dessen Spitze werde er selbst stehen, als „Kalif Ibrahim“. Nach Auffassung seiner Anhänger war Bagdadi damit in der Nachfolge des Propheten Mohammed sowohl religiöser als auch militärischer Befehlshaber aller Muslime. Ihm und seinen Willen sollten sich alle Gläubigen unterordnen. Sein Dschihad gegen angeblich Abtrünnige und die „Kreuzfahrer“ müsse ihr Dschihad werden. Der Siegeszug des fanatisierten, radikal menschenverachtenden „Islamischen Staates“ wurde damals in Szene gesetzt.

Aushängeschild des Terrors

Doch Bagdadi als visuelles Aushängeschild des religiös verbrämten Terrors verschwand danach. Der Kalif trat öffentlich nicht mehr in Erscheinung, wurde gewissermaßen unsichtbar. Nur ab und zu wurden Reden für die Getreuen publiziert. Die letzte ausführliche Audiobotschaft gab es vor zweieinhalb Jahren. Damals tobte bereits die Schlacht zur Rückeroberung Mossuls. Bagdadi setzte denn auch auf Durchhalteparolen: „Soldaten des Kalifats, seid standhaft, wenn ihr den Flugzeugen der Koalition entgegentretet.“ Die aufmunternden Worte konnten jedoch kaum kaschieren, dass die Islamisten militärisch in Bedrängnis gerieten. Inzwischen hat sogar der Sturm auf Rakka begonnen, die „Hauptstadt“ des IS. Das Projekt eines „Kalifats“ steht damit vor dem geografisch-politischen Aus. Die Irakische Armee hat den endgültigen Sieg über den IS in Mossul verkündet.

Bagdadis extremistische Laufbahn vom unauffälligen Prediger zum selbsternannten Kalifen bekam im Jahr 2003 einen besonderen Schub. Mit der Irak-Invasion der Amerikaner entwickelt sich Bagdadi zum Hard-Core-Salafisten, der den „heiligen Krieg“ propagiert. Weil er zum bewaffneten Widerstand gehört, landet er für längere Zeit in US-Gefangenenlagern. Dort radikalisiert er sich weiter, wird von sunnitischen Islamisten und früheren Gefolgsleuten von Diktator Saddam Hussein regelrecht trainiert. Einige Jahre nach seiner Entlassung steigt der Sohn einer Bauernfamilie zum Emir der Extremisten-Gruppe „Islamischer Staat im Irak“ auf und baut seinen Einfluss in der Dschihadisten-Szene aus – nicht zuletzt in erklärter Konkurrenz zu Al Qaida. Längst gehört Bagdadi zu den meistgesuchten Terroristen der Welt. 25 Millionen Dollar sind für seine Ergreifung ausgesetzt.

Unklar ist, was seine Festnahme oder gar sein Tod für den „Islamischen Staat“ bedeuten würde. Die Organisation ist zwar auf ihn als Führungsperson zugeschnitten. Aber es gibt sehr wohl Stellvertreter, die an die Spitze nachrücken könnten – vorausgesetzt, sie verfügen über genügend Reputation. Ohnehin können die verschiedenen Abteilungen selbstständig agieren. Das heißt, die Miliz wird sicherlich in Syrien und im Irak weiter kämpfen. Die Anschläge im Nahen Osten und Europa werden mit Bagdadis Tod ebenfalls nicht enden. Denn die ideologischen Grundlagen haben Bestand. Ganz unabhängig vom „Kalifen“.

Dieser Text ist eine aktualisierte Fassung des Beitrags vom 16. Juni 2017.

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