Wahl in Israel: Benjamin Netanjahu feiert mit Likud überraschenden Sieg
Benjamin Netanjahu könnte vor einer Verlängerung seiner Amtszeit in Israel stehen. Seine Likud-Partei liegt nach Auszählung von 95 Prozent aller Wahllokale knapp vorn. Geholfen hat wohl ein extremer Rechts-Ruck in den letzten Wahlkampftagen.
Bei der Parlamentswahl in Israel hat die konservative Likud-Partei von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu die vorgezogene Parlamentswahl gewonnen. Nach Auszählung von 95 Prozent der Wahllokale kam seine Likud-Partei auf 29 der insgesamt 120 Sitze in der Knesset, wie die Zeitung „Jerusalem Post“ und das Nachrichtenportal „Ynet“ unter Berufung auf offizielle Angaben am frühen Mittwochmorgen berichteten. Das Mitte-Links-Bündnis Zionistisches Lager von Izchak Herzog stellt demnach 24 Abgeordnete.
Netanjahus Likud schnitt weiter besser ab als erwartet. Damit steuert der 65-Jährige auf eine vierte Amtszeit zu. Allerdings steht Netanjahu vor schwierigen Koalitionsverhandlungen. Er habe die Parteien des rechten Lagers zur Bildung einer verantwortungsvollen Koalition eingeladen, sagte der Likud-Vorsitzende. Er werde sich für die Bildung einer „starken und stabilen“ Regierung einsetzen. Er sprach von einem "großen Sieg für den Likud".
Die letzten Umfragen hatten stets das oppositionelle Mitte-Links-Bündnis von Herzog in der Wählergunst vorn gesehen. Es ist wohl dem aggressiven Rechtsruck des Premierministers in den letzten Tagen des Wahlkampfs zuzuschreiben, dass er noch so viele Sitze gutmachen konnte.
Zum Königsmacher könnte nun die neu gegründete Partei Kulanu werden, die nach ersten Prognosen mit zehn Sitzen in der Knesset rechnen kann. Sie kommt sowohl für den Likud als auch für das Zionistische Lager als Koalitionspartner infrage. Die Partei von Moshe Kahlon, einem ehemaligen Likud-Mitglied, profilierte sich im Wahlkampf vor allem mit Wirtschaftsthemen.
Beobachter gehen davon aus, dass es Netanjahu womöglich leichter fallen könnte, eine rechtsgerichtete Koalition zustande zu bringen, auch mithilfe der beiden ultraorthodoxen Parteien, die wohl mit bis zu sieben Sitzen in der Knesset vertreten sein werden. Auch dürfte es dem Regierungschef wohl nicht allzu schwer fallen, Naftali Bennetts „Jüdisches Heim“ und Avigdor Liebermans „Unser Haus Israel“ für sich zu gewinnen. Beide rechten Parteien haben kräftig Stimmen eingebüßt.
Arabische Parteien könnten drittstärkste Kraft werden
Auf vorhergesagte, aber dennoch fast schon sensationelle 13 Sitze schafften es laut ersten Prognosen die arabischen Parteien, die damit noch vor Jesh Atid (12 Sitze) drittstärkste Partei im Parlament werden könnten. Anfang des Jahres hatten sich die vier arabischen Parteien zur „Vereinigten Liste“ zusammenschlossen, um die von zwei auf 3,25 Prozent erhöhte Sperrklausel zu überwinden. Mit dem Zusammenschluss stieg die Hoffnung unter den arabischen Wählern auf mehr politischen Einfluss.
Präsident Reuven Rivlin sprach sich nach der Veröffentlichung der ersten Prognosen für eine große Koalition aus. „Ich bin überzeugt, dass nur eine Einheitsregierung den raschen Zerfall der israelischen Demokratie und baldige Neuwahlen verhindern kann“, sagte er der Zeitung „Haaretz“ zufolge. Eine große Koalition hatten allerdings sowohl Netanjahu als auch Herzog vor der Wahl abgelehnt.
"Keine Wechselstimmung"
Nach Ansicht von Reinhold Robbe, Präsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft, ist mit Blick auf die Prognosen noch völlig offen, wer letztendlich von Staatschef Rivlin den Auftrag zur Regierungsbildung erhalten wird. „Das Ergebnis scheint sehr knapp auszufallen“, sagte Robbe dem Tagesspiegel. Klar sei allerdings, dass von einer gegen Netanjahu gerichteten Wechselstimmung offenkundig „nicht die Rede sein kann“. Jetzt sei es entscheidend, wer das glücklichere Händchen bei der Bildung einer Koalition habe.
Ähnlich schätzt Shimon Stein die Lage ein. „Bedauerlicherweise reicht es anscheinend nicht für den erhofften Wechsel“, sagte der ehemalige israelische Botschafter am Dienstagabend. Netanjahu sei es gelungen, der nationalistischen Siedlerpartei von Naftali Bennett Stimmen abzunehmen. Nun komme es darauf an, wie sich die Mitte-Rechts-Parteien Kulanu und Jesh Atid entscheiden – für Herzog oder Netanjahu.
Netanjahu verabschiedet sich von der Zwei-Staaten-Lösung
Israels Regierungschef hatte sich – offenbar erfolgreich – bis zum Schluss intensiv um Stimmen aus dem rechten Lager bemüht. Das erklärt wohl auch seine politische Kehrtwende bei der Zwei-Staaten-Lösung – er erteilt ihr nun eine klare Absage. „All jene, die die Schaffung eines Palästinenserstaates und die Rückgabe von Gebieten wollen, überlassen diese Gebiete den Angriffen islamistischer Terroristen auf Israel“, sagte der amtierende Premier dem Nachrichtenportal NRG unmittelbar vor dem Wahltag. Das sei die Wahrheit, vor der man nicht die Augen verschließen dürfe. Auf die Frage, ob es mit ihm als Regierungschef keinen Staat für die Palästinenser geben werde, antwortete er: „Genau.“