Ein Polizist wurde schwer verletzt: Belarus macht Polen für Eskalation an der Grenze verantwortlich
An der polnisch-belarussischen Grenze ist es zu Zusammenstößen zwischen Migranten und Polizei gekommen. Tränengas und Wasserwerfer waren im Einsatz.
Belarus hat Polen vorgeworfen, für die jüngste Gewalteskalation in der Flüchtlingskrise an der Grenze beider Staaten verantwortlich zu sein. Von der polnischen Seite seien an diesem Dienstag "direkte Provokationen und unmenschliche Behandlung" der "benachteiligten" Menschen an der Grenze ausgegangen, erklärte der belarussische Außenamtssprecher Anatoli Glas. Das Ziel Polens sei es, die Lage "noch mehr eskalieren" zu lassen und jeden Fortschritt zur Beilegung der Krise "abzuwürgen".
Der Sprecher in Minsk erklärte, seine Regierung werde die Gewalt an der Grenze untersuchen. "Während Polen Wasser aus einem Wasserwerfer auf sie (die Flüchtlinge) schüttet, schickt Belarus jeden Tag humanitäre Hilfe", sagte er.
An der EU-Außengrenze zwischen Polen und Belarus hatte am Dienstag nach Angaben der polnischen Polizei eine Gruppe von mehreren Hundert Migranten vergeblich versucht, die Grenzbefestigung zu überwinden. Bei den Zusammenstößen zwischen polnischen Sicherheitskräften und Flüchtlingen sei ein Polizist schwer verletzt worden.
Nach Angaben der polnischen Polizei erlitt der Beamte am Dienstag einen Schädelbruch. Die Polizei setzte Tränengas und Wasserwerfer gegen die Flüchtlinge ein, die nach Polen und damit in die EU gelangen wollen; aus der Menge der Flüchtlinge heraus wurden Steine geworfen. Auf der polnischen Seite fielen wohl auch Warnschüsse.
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Ein Journalist dokumentierte auf Twitter mit Videos, wie polnisches und belarussisches Militär den Druck auf die Flüchtlinge erhöhen. Flüchtlinge werden von belarussischen Soldaten zum Überqueren des Grenzzauns gedrängt, die wiederum die polnischen Sicherheitskräfte attackieren.
Der belarussische Machthaber Alexander Lukaschenko hat unterdessen die Errichtung eines Nachtlagers für Migranten nahe der polnischen Grenze angeordnet. In der Region Grodno werde ein Logistikzentrum so umfunktioniert, dass Frauen und Kinder dort übernachten könnten, meldete die Staatsagentur Belta am Dienstagabend. Auf beigefügten Fotos ist zu sehen, wie Menschen in einer Halle Matten und Decken ausbreiten.
Nach Auseinandersetzungen zwischen Migranten und polnischen Uniformierten hatte sich die Lage am Grenzübergang Kuznica-Brusgi zuvor wieder etwas beruhigt.
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Am Montag hatte Kanzlerin Angela Merkel (CDU) mit dem belarussischen Machthaber Alexander Lukaschenko telefoniert. Das teilte Regierungssprecher Steffen Seibert am Montagabend in Berlin mit. Es sei bei dem Telefonat um „die schwierige Situation an der Grenze zwischen Belarus und der Europäischen Union“ gegangen.
Nach einem Bericht des belarussischen Staatsfernsehens dauerte das Gespräch etwa 50 Minuten. Dabei sei etwa besprochen worden, wie eine Eskalation der Lage an der Grenze verhindert werden könne. Es sei zudem um eine humanitäre Unterstützung von den im Grenzgebiet festsitzenden Migranten gegangen. Nach Angaben von Seibert haben Merkel und Lukaschenko weitere Gespräche vereinbart.
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Es war das erste Mal seit der umstrittenen Präsidentenwahl im August vergangenen Jahres in Belarus, dass Merkel mit Lukaschenko gesprochen hat. Die EU erkennt ihn wegen des harten Vorgehens der Sicherheitskräfte gegen friedliche Demonstranten nicht mehr als Präsidenten an.
Russlands Präsident Wladimir Putin hatte am Wochenende die Erwartung geäußert, dass Merkel mit Lukaschenko ins Gespräch kommt. Auch unter den Migranten sind die Erwartungen an Deutschland groß. Putin hatte an Merkel appelliert, den Dialog mit Lukaschenko zu suchen.
Die EU wirft dem belarussischen Machthaber Alexander Lukaschenko vor, absichtlich Flüchtlinge ins Grenzgebiet zur EU zu schleusen, um sich für frühere Sanktionsbeschlüsse der Europäischen Union zu rächen. Minsk weist diese Anschuldigung zurück. Derzeit bereitet die EU neue Strafmaßnahmen gegen Belarus vor.
Nach Angaben des polnischen Grenzschutzes campieren derzeit rund 4000 Flüchtlinge bei eisigen Temperaturen auf der belarussischen Seite der Grenze. Die vor allem aus dem Nahen Osten kommenden Menschen wollen nach Polen und damit in die EU gelangen. Nach Angaben von Hilfsorganisationen sind auf beiden Seiten der Grenze seit dem Sommer mindestens elf Flüchtlinge ums Leben gekommen. (dpa, AFP)