Wegen Transport von Flüchtlingen nach Belarus: Maas droht Fluggesellschaften mit Sanktionen
Tausende Menschen stecken im polnisch-belarussischen Grenzgebiet fest. Die Politik sucht Lösungen. Der Bundesaußenminister wendet sich an die Fluggesellschaften.
Außenminister Maas droht in den Funke-Zeitungen allen Airlines, die sich weiter am Transport von Flüchtlingen nach Belarus beteiligten, mit dem Entzug von Überflugrechten und Landegenehmigungen in der EU. Er rief die Fluggesellschaften auf, sich wie die Turkish Airlines „aus der Schleuserkette auszuklinken“.
Bundestagspräsidentin Bärbel Bas hat rasche Hilfe für die Migranten an der polnisch-belarussischen Grenze gefordert. „Die Menschen werden mit einem falschen Versprechen an die Grenze zur EU gebracht. Sie werden missbraucht“, sagte die SPD-Politikerin den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Sie mahnte: „Wir dürfen nicht zulassen, dass Menschen und ihre Schicksale als Druckmittel benutzt werden.“ Europa müsse sich schnell einigen, wie diesen Menschen geholfen werden könne.
Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) sprach sich in diesem Zusammenhang dagegen aus, die im Grenzgebiet feststeckenden Migranten in Deutschland oder anderen EU-Ländern aufzunehmen. „Wenn man das wollte, müssten sie nicht den Umweg über Minsk nehmen, sondern könnten direkt nach Deutschland fliegen“, sagte Kretschmer der „Bild am Sonntag“. Es gebe klare Regeln bei der Zuwanderung. Die Bilder notleidender Menschen an der Grenze müsse die Gesellschaft aushalten und Polen bei der Sicherung seiner EU-Außengrenze helfen. „Warschau handelt richtig, daher dürfen wir Polen nicht in den Rücken fallen“, sagte Kretschmer.
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Aus Sicht der Grünen-Chefin Annalena Baerbock ist humanitäre Soforthilfe jetzt am dringlichsten. „Daher müssen Hilfsorganisationen umgehend in das gesperrte Grenzgebiet gelassen werden. Ich appelliere an die polnische Regierung, dies zu ermöglichen und die Unterstützungsangebote der EU anzunehmen - auch in Bezug auf den gemeinsamen Grenzschutz“, sagte sie dem Blatt.
Gruppe von Migranten durchbricht Grenzbarrieren
Bei Temperaturen um den Gefrierpunkt harren Tausende Migranten seit mehreren Tagen auf der belarussischen Seite der Grenze in provisorischen Camps im Wald aus. Eine Gruppe von etwa 50 Migranten hat nach Angaben der polnischen Polizei die Barriere an der Grenze zu Belarus durchbrochen und ist nach Polen gelangt. Der Vorfall habe sich am Samstagabend in der Nähe des Dorfs Dubicze Cerkiewne ereignet, sagte ein Polizeisprecher am Sonntag. Die Beamten hatten zunächst 22 Iraker festgenommen. Alle weiteren Migranten seien kurz darauf von Grenzschützern und Soldaten festgesetzt worden, sagte eine Sprecherin des Grenzschutzes. Die gesamte Gruppe sei zur Grenze nach Belarus zurückgebracht worden.
Nach Angaben der Polizei versuchte eine weitere größere Gruppe auch unweit des Dorfs Kolonia Klukowicze, über die Grenze zu gelangen - jedoch vergeblich. Die Flüchtlinge bewarfen die Beamten demnach mit Steinen, ein Beamter wurde leicht verletzt.
Die Polizei nahm zudem in der Grenzregion vier mutmaßliche Schleuser fest, die mit Flüchtlingen unterwegs waren. Dabei handelt es sich den Angaben zufolge um zwei Georgier, einen Polen und einen Syrer. Die Angaben lassen sich nicht unabhängig überprüfen, da Polen in der Grenzregion den Ausnahmezustand verhängt hat. Journalisten und Helfer dürfen nicht hinein. Das gilt auch für das Grenzgebiet auf belarussischer Seite.
Die Europäische Union wirft Machthaber Alexander Lukaschenko vor, in organisierter Form Menschen aus Krisenregionen wie Syrien oder dem Irak an die EU-Außengrenze zu bringen. Ziel sei unter anderem, die öffentliche Meinung in der Europäischen Union zu manipulieren und den Westen zum Dialog zu zwingen. Vermutet wird, dass der 67-Jährige sich unter anderem für Sanktionen der EU rächen will.
Putin plädiert für Dialog zwischen Merkel und Lukaschenko
Russlands Präsident Wladimir Putin regte einen direkten Dialog zwischen Deutschland und dem autoritär geführten Belarus an. „Ich habe es aus Gesprächen mit Alexander Grigorjewitsch Lukaschenko und Kanzlerin (Angela) Merkel so verstanden, dass sie bereit sind, miteinander zu sprechen“, sagte Putin in einem Interview, das am Samstag im russischen Staatsfernsehen ausgestrahlt wurde.
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Putin erklärte außerdem, Russland habe nichts mit der Krise in der Grenzregion zu tun. Westliche Sicherheitsorgane und Geheimdienste sollten sich um Schleusernetzwerke kümmern, die in Europa agierten.
Wegen der Krise um die Migranten haben Merkel und Putin mehrfach miteinander telefoniert. Dabei bat die Kanzlerin den Kremlchef um ein Eingreifen in den Konflikt. Zu Putins Vorschlag eines Gesprächs zwischen Merkel und Lukaschenko sagte ein Sprecher der Bundesregierung: „Über Telefonate informieren wir grundsätzlich, nachdem sie stattgefunden haben.“
Die Lage an der polnisch-belarussischen Grenze blieb auch an diesem Wochenende angespannt. Der Sprecher des polnischen Koordinators der Geheimdienste, Stanislaw Zaryn, schrieb am Samstagabend auf Twitter: „Auf der belarussischen Seite der Grenze tauchen Soldaten oder Beamte auf, die sich verhalten, als würden sie eine Spezial-Aufgabe ausführen, die Migranten anführen und instruieren, sie drehen auch Propagandamaterial“.
In einem weiteren Tweet schrieb Zaryn, die Belarussen würden den Migranten beim Aufbau des Zeltlagers helfen. Dazu postete er Bilder von Männern in Feuerwehrhelmen, die Militärzelte aufbauten. Polens Verteidigungsministerium berichtete über verstärkte Bewegung belarussischer Sicherheitskräfte in der Nähe des Grenzortes Kuznica.
Der belarussische Machthaber Lukaschenko ordnete humanitäre Hilfe vor allem für die Kinder der gestrandeten Menschen an. Es sollten etwa Essenszelte aufgestellt werden, meldete die belarussische staatliche Nachrichtenagentur Belta am Samstag. Später veröffentlichte Belta Fotos von Stromgeneratoren, die ins Grenzgebiet gebracht worden sein sollen.
Am Samstagabend teilte die syrische Airline Cham Wings auf Twitter mit, Flüge in die belarussische Hauptstadt Minsk einzustellen. Es sei zu schwierig, zwischen Passagieren zu unterscheiden, die tatsächlich nach Belarus wollten und solchen, die von dort weiterziehen wollten, hieß es. Nach Sanktionsdrohungen der EU hatte zuvor schon die Türkei entschieden, Staatsbürger mehrerer arabischer Länder nicht mehr von ihrem Staatsgebiet aus nach Belarus fliegen zu lassen. (dpa)