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Geld zählen. Erwerbsgeminderte kommen mit ihrer Rente oft nicht über die Runden.
© Karl-Josef Hildenbrand/dpa

Durchschnittsrente weit unter der Grundsicherung: Bei Erwerbsminderung: 716 Euro im Monat

Trotz aller Reformen: Erwerbsgeminderte erhalten im Schnitt nur 716 Euro Rente im Monat. Auch Unionspolitikern ist das zu wenig.

Wer wegen Krankheit oder Unfall vorzeitig den Job quittieren muss, hat nach wie vor ein hohes Armutsrisiko. Laut Statistik der Deutschen Rentenversicherung (DRV) erhielten Arbeitnehmer, die im vergangenen Jahr erstmalig eine Erwerbsminderungsrente zugesprochen bekamen, im Durchschnitt 716 Euro pro Monat. Allerdings zeigen politische Reformen erste Wirkung. Im Jahr 2016 belief sich der Zahlbetrag im Schnitt noch auf 697 Euro.

"Krankheit darf nicht arm machen"

Dem Vorsitzenden der Christlich Demokratischen Arbeitnehmerschaft, Karl-Josef Laumann, reicht diese Verbesserung nicht. „Krankheit darf nicht arm machen“, sagte der CDU-Politiker dem Tagesspiegel. Die Betroffenen gingen nicht freiwillig in Rente. „Sie sind krank und keine Frührentner.“ Daher sollten die Zurechnungszeiten künftig automatisch mit dem Renteneintrittsalter steigen. „Das würde ich am liebsten gleich so ins Gesetz schreiben.“ Zudem sei für ihn „klar, dass wir auch noch an die Abschläge ranmüssen, wenn wir wirklich verhindern wollen, dass Krankheit arm macht“.

Tatsächlich hat sich die Lage für Erwerbsgeminderte zumindest ein wenig verbessert. Seit der Reform von 2014 stieg die durchschnittliche Höhe ihrer Rente um rund 88 Euro. Der Hauptgrund dafür sind Änderungen bei der Zurechnungszeit. Bis Juli 2014 wurden Erwerbsminderungsrentner so gestellt, als hätten sie bis zum 60. Lebensjahr gearbeitet. Bis 2017 wurde so getan, als wären sie mit 62 aus dem Erwerbsleben geschieden. Und seit Anfang 2018 wird die Zurechnungszeit für alle neuen Erwerbsminderungsrentner nach und nach um weitere drei Jahre verlängert. Wer ab 2024 eine Erwerbsminderungsrente bekommt, wird folglich so behandelt, als habe er mit seinem Durchschnittsverdienst bis zum 65. Geburtstag gearbeitet.

Nur Neurentner profitieren von den Reformen

Das Problem dabei: Wer schon vorher eine Erwerbsminderungsrente bezog, ging und geht bei all diesen Reformen leer aus. Angesichts des hohen Armutsrisikos der Betroffenen sei diese „Ausgrenzung der Altfälle ein Skandal“, sagte der Rentenexperte der Linkspartei, Matthias W. Birkwald, dieser Zeitung. Und auch der Anstieg der Neurenten sei „nur ein Tropfen auf den heißen Stein“. Schließlich liege der anerkannte Grundsicherungsbedarf bei 786 Euro und damit immer noch um 70 Euro über den durchschnittlichen Erwerbsminderungsrenten.

Hinzu kommt: Mit der Forderung, bei den Abschlägen für Erwerbsminderungsrentner großzügiger zu sein, konnte sich der Sozialflügel in der Union bislang nicht durchsetzen. Wer wegen Krankheit seinen Job früher quittieren muss, wird in dieser Hinsicht weiter genauso behandelt wie ein gewöhnlicher Frührentner. Der Rentenabschlag beträgt für jeden Monat der vorzeitigen Inanspruchnahme 0,3 Prozent. Im Maximum bedeutet das folglich auch für Erwerbsgeminderte Einbußen von bis zu 10,8 Prozent.

Durch Abschläge verlieren Betroffene im Schnitt nochmal 88 Euro

Im Schnitt, so rechnet Birkwald vor, verlören die ohnehin finanziell oft schlecht Gestellten dadurch noch mal 88 Euro pro Monat. Die Linke fordert mit Sozialverbänden und Gewerkschaften die komplette Abschaffung der Abschläge – und zwar nicht nur für neue Erwerbsminderungsrentner, sondern auch für Altfälle.

Als Erwerbsminderungsrentner anerkannt wurden im vergangenen Jahr knapp 166.000 Personen. Erwerbsgeminderte Männer kamen im Schnitt auf monatlich 736 Euro, Frauen auf 695 Euro. In den alten Bundesländern war der Zahlbetrag um 19 Euro niedriger als im Osten. Auf die höchste Erwerbsminderungsrente kamen ostdeutsche Frauen mit 773 Euro. Ihre Geschlechtsgenossinnen im Westen hatten die niedrigste, sie mussten sich im Schnitt mit 677 Euro begnügen.

Von den neuen Anspruchsberechtigten erhielten die meisten, nämlich knapp 147.000, die volle Erwerbsminderungsrente. Das Kriterium dafür ist, dass sie auf nicht absehbare Zeit weniger als drei Stunden am Tag einer Erwerbstätigkeit nachgehen können. Die durchschnittliche Rentenhöhe für diese Personengruppe lag bei 754 Euro (Männer 771 Euro, Frauen 737 Euro). Weit weniger erhalten Arbeitnehmer, die noch zwischen drei und sechs Stunden berufstätig sein können. Ihre Rente betrug im vergangenen Jahr im Schnitt nur 412 Euro.

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