EU-Kommissionsvize Timmermans: „Bei der Bestellung der Impfstoffe wurden Fehler gemacht“
EU-Kommissionsvize Timmermans räumt Fehler in Brüssel bei der Impfstoff-Bestellung ein. Einer politischen Aufarbeitung will er sich nicht verweigern.
EU-Kommissionsvize Frans Timmermans hat Versäumnisse bei der Impfstoff-Strategie der EU eingeräumt. „Es stimmt, dass bei der Bestellung der Impfstoffe sowohl in Brüssel als auch in den Mitgliedstaaten Fehler gemacht wurden“, sagte Timmermans dem Tagesspiegel.
„Ich bin bereit, am Ende der Pandemie eine Bilanz zu ziehen. Dann können wir ja sehen, was wir falsch und was wir richtig gemacht haben“, sagte der Vizepräsident der EU-Kommission weiter. In der jetzigen Situation gehe es aber darum, „dass ganz Europa Impfstoff bekommt". Er verstehe „den Anspruch der Bürgerinnen und Bürger, dass wir den Impfstoff schnellstens liefern müssen“.
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Nach den Worten von Timmermans sei aber die gemeinschaftliche Impfstoff-Bestellung durch die EU richtig gewesen. Ein europäisches Vorgehen sei „auch im Interesse der reicheren Staaten“ wie Deutschland erfolgt, sagte er.
„Jüngere Generation hat in der Pandemie Solidarität mit den Älteren gezeigt“
Besorgt zeigte sich Timmermans, der in der Kommission für den „Green Deal“ der EU zuständig ist, angesichts der inzwischen wieder steigenden Treibhausgas-Emissionen in China und anderen asiatischen Ländern. Im „Green Deal“ hat sich die EU das Ziel gesetzt, bis 2050 alle Treibhausgase zu vermeiden oder zu speichern.
Vor diesem Hintergrund hält Timmermans gerade jetzt den Zeitpunkt für einen klimapolitischen Umbau für gekommen. „Das lässt sich auch mit der Pandemie gut begründen: Während der Corona-Krise ist es gerade die jüngere Generation, die Solidarität mit den Älteren zeigt. Wäre es deshalb nicht an der Zeit, dass wir uns jetzt beim Klimaschutz solidarisch mit unseren Kindern und Enkelkindern zeigen?“, sagte der Kommissionsvize.
[Das vollständige Interview mit Frans Timmermans lesen Sie am Sonntag im Tagesspiegel oder ab Samstagabend im E-Paper.]
Mit dem US-Klimabeauftragten John Kerry sei er sich einig darin, dass es ohne eine Trendwende in den kommenden Jahren nicht mehr zu schaffen sei, den Temperaturanstieg auf 1,5 Grad im Vergleich zur vorindustriellen Zeit zu begrenzen. „Und dann werden unsere Kinder wegen der Knappheit von Wasser oder Nahrung Kriege führen“, so Timmermans.
Neue Vorgaben für die Pkw-Industrie
Für die Automobilbranche sieht Timmermans angesichts des Klimawandels einen tief greifenden Umbruch voraus. „Es wird auch in Zukunft in der Branche viele Jobs geben, aber es werden andere Jobs sein“, sagte er. Die Automobilindustrie in Europa sei bei der Elektromobilität langsamer gewesen als Unternehmen in anderen Teilen der Welt, kritisierte er.
Dennoch zeigte er sich zuversichtlich, dass die Pkw-Industrie in der EU zügig die flächendeckende Einführung von E-Autos schaffen könne. Auch wenn viele es sich heute noch nicht leisten können, wollten viele Bürgerinnen und Bürger auf E-Autos umsteigen, sagte Timmermans zur Begründung.
Bis zum Sommer will die EU-Kommission einen Vorschlag zu verschärften CO2-Grenzwerten machen. Er wisse, dass es „viele Widerstände in der Automobilindustrie“ gebe, sagte Timmermans. Nach seinen Worten habe es in der Vergangenheit regelmäßig aus der Branche geheißen, dass neue Vorgaben für Grenzwerte unmöglich zu schaffen seien. „Und dennoch haben wir gerade in diesem letzten Jahr gesehen, dass die Automobilindustrie es dann doch geschafft hat“, sagte der Kommissionsvize.
Ablehnung von Nord Stream 2 bekräftigt
Zudem bekräftigte er die Ablehnung der deutsch-russischen Gaspipeline Nord Stream 2 durch die EU-Kommission. „Wir brauchen Nord Stream 2 nicht“, sagte der Niederländer. Die Brüsseler Behörde habe immer gesagt, dass das Projekt für die Energieversorgung der EU nicht nötig sei. „Aber Nord Stream 2 existiert“, fügte er hinzu. „Dennoch muss die EU-Kommission darauf achten, dass Nord Stream 2 in Einklang mit den EU-Regeln genutzt wird. Das mag Russland zwar nicht. Aber das sind die EU-Vorschriften“, sagte er. Laut den Vorschriften der EU darf die Pipeline die Sicherheit der Energieversorgung Europas nicht gefährden.