zum Hauptinhalt
Reichsausweis statt Reisepass: Reichsbürger statten sich teilweise mit eigenen Dokumenten aus.
© dpa/Patrick Seeger
Exklusiv

Schreiben zu Rechtsextremismus: Auswärtiges Amt warnt vor Reichsbürgern

Reichsbürger sind ein Problem für Behörden – offenbar auch im Ausland. Das ergibt sich aus einem Rundschreiben des Auswärtigen Amts.

Per Rundschreiben „an sämtliche Auslandsvertretungen“ warnt das Auswärtige Amt (AA) vor „sogenannten Reichsbürgern und Selbstverwaltern“. Das Schriftstück diene der „Information und Sensibilisierung der Beschäftigten des AA für den oftmals schwierigen Umgang mit diesem Personenkreis“, heißt es in einem dem Tagesspiegel vorliegenden Schreiben. Verschickt wurde es Ende Januar samt Anhang aus dem Bundesinnenministerium. Darin festgehalten ist die Bitte des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Erkenntnisse zu Reichsbürgern und Selbstverwaltern „zur Erfüllung des Aufklärungsauftrags“ zu übermitteln.

Gewaltandrohung nicht ausgeschlossen

Neben einer kurzen Übersicht zur „äußerst heterogenen Szene“ der Reichsbürger enthält das vierseitige Schreiben Hinweise zum Umgang mit Reichsbürgern und Selbstverwaltern. Diese würden in „Schreiben mit meist extensiver pseudo-juristischer Argumentation“ die Nichtexistenz der BRD und „damit die fehlende Legitimation für ein Behördenhandeln begründen“, heißt es in dem Schreiben und weiter: „Ebenso ist es nicht auszuschließen, dass es zu Gewaltandrohung kommt, wenn etwa ein unberechtigtes Anliegen eines Petenten abgelehnt werden muss.“

Konkret empfiehlt das AA seinen Mitarbeitern, sich auf keine „inhaltlichen Auseinandersetzungen“ mit Reichsbürgern oder Selbstverwaltern einzulassen. Schriftwechsel sollten „nur auf das Notwendigste“ begrenzt, auf „Proklamationen und Erklärungen in keiner Form reagiert“ werden. Weiter heißt es: „Ein Einlass in den Innenbereich der Vertretung sollte nur in Fällen, in denen dies notwendig ist, und nur nach angemessener, gründlicher Durchsuchung erfolgen.“

Zu allem entschlossen

Nachdem sich die Zahl der Reichsbürger in Deutschland in den vergangenen Jahren rasant erhöht hat – aktuelle Daten sprechen von 19.000 Anhängern der Szene – rückt die Gruppe immer mehr in den Fokus der Behörden. Allein in Berlin zählen die Sicherheitsbehörden aktuell 670 Reichsbürger und Selbstverwalter, acht von ihnen wurde seit dem Jahr 2016 die Waffenerlaubnis entzogen. Deutschlandweit sollen zwischen November 2016 und November 2017 sogar 330 waffenrechtliche Besitzerlaubnisse von Reichsbürgern und Selbstverwaltern entzogen worden sein.

In der breiten Öffentlichkeit wurde das Phänomen durch den Mord an einem Polizisten in Georgensgmünd (Bayern) im Oktober 2016 bekannt. Erschossen worden war der Beamte durch einen Reichsbürger, der Monate zuvor seinen Pass ab- und seine Staatsbürgerschaft hatte aufgeben wollen. Zwei Monate zuvor feuerte ein Selbstverwalter in Sachsen-Anhalt auf Polizeibeamte. Im November 2016 hatte dann das Bundesamt für Verfassungsschutz Reichsbürger und Selbstverwalter zum „Sammelbeobachtungsobjekt“ erklärt.

Aufbau eigener Infrastruktur

Vom Phänomen betroffen sind aber auch Mitarbeiter von Verwaltungen, allen voran in ländlichen Regionen. In Brandenburg legen Reichsbürger oder Selbstverwalter mit immer neuen Anträgen oder Klagen ganze Verwaltungen lahm, das Innenministerium schätzt ihre Zahl allein in der Mark auf 650. Als erstes Bundesland überhaupt setzte der Verfassungsschutz des Landes eine Broschüre zum Thema Reichsbürger und Selbstverwalter auf. Seit mehreren Jahren werden Fachkräfte im öffentlichen Dienst zum Thema „Reichsbürger: Zwischen Wahn- und Rollenspiel“ geschult. In Rathenow, einer 25.000-Einwohner-Stadt im Westen Brandenburgs, hatte zuletzt ein stadtbekannter Reichsbürger ein „Bürgermeisterbüro“ eröffnet.

Zur Startseite