Frank-Walter Steinmeier und Reuven Rivlin: Außergewöhnlich freundschaftliches Verhältnis trotz heikler Themen
Der Bundespräsident besucht Israel und trifft seinen scheidenden Amtskollegen. Gespräche mit der neuen Regierung sind geplant, mit den Palästinensern nicht.
Über das Leben hätten sie gesprochen und über Fußball. So erinnerte sich Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Gespräch mit der israelischen Zeitung „Haaretz“ an ein früheres Treffen mit seinem israelischen Amtskollegen Reuven Rivlin.
Der wird in wenigen Tagen aus dem Amt scheiden, und Steinmeier, dem ein außergewöhnlich freundschaftliches Verhältnis zu Rivlin nachgesagt wird, ist am Mittwoch in Israel gelandet, um dem Kollegen einen letzten formalen Besuch abzustatten.
Schon vergangenes Jahr hatte Rivlin Steinmeier nach Israel eingeladen, wegen der Covid-19-Pandemie musste die Reise jedoch verschoben werden. In den drei Tagen, die der Bundespräsident im jüdischen Staat verbringen will, wird er mit Rivlin die Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem sowie das Grab Theodor Herzls, einem der wichtigsten Vordenker des Zionismus, in Jerusalem besuchen.
Außerdem soll er Isaac Herzog treffen, einen früheren Vorsitzenden der Arbeitspartei, der Rivlin am 7. Juli im Amt nachfolgen soll. Auch Gespräche mit dem neuen israelischen Ministerpräsidenten Naftali Bennett sowie dem neuen Außenminister Yair Lapid stehen auf dem Terminplan.
Interview berührt die heiklen Fragen der Beziehungen
Treffen mit Vertretern der Palästinensischen Autonomiebehörde dagegen sind nicht vorgesehen; der Trip ist als Staatsbesuch ausgewiesen, nicht als politische Reise. So soll dem Bundespräsidenten vorrangig die Gelegenheit geben, „die engen und einzigartigen Beziehungen zum Staat Israel“ zu würdigen sowie sich vom scheidenden Präsidenten Rivlin zu verabschieden, wie es in einer Erklärung des Auswärtigen Amtes heißt.
Dennoch lässt sich Politik kaum ausklammern. Steinmeier selbst ging in die Offensive und gab der linksliberalen Zeitung „Haaretz“ ein Interview, das am Mittwoch veröffentlicht wurde und einige der heikelsten Fragen im deutsch-israelischen Verhältnis berührt: Antisemitismus, den Konflikt mit den Palästinensern und Teherans Atomprogramm.
Derzeit verhandeln iranische Abgesandte in Wien mit Vertretern der EU, Chinas und Russlands über eine Wiederbelebung des Atomabkommens von 2015, das Irans Nuklearprogramm begrenzen und sicherstellen sollte, dass das Land nicht in den Besitz von Atombomben gelangt.
Steinmeier nennt Sorgen wegen iranischer Atompläne "berechtigt"
Israels neue Koalition, ein beispiellos breites Bündnis aus linken, rechten und arabischen Kräften, lehnt das Abkommen ebenso ab wie die Vorgängerregierung unter Benjamin Netanjahu. „Israels Sorgen über die Bedrohung, die von einem Iran ausgeht, der nukleare Waffen anstrebt, sind berechtigt“, sagte Steinmeier „Haaretz“.
Deutschland habe dasselbe strategische Ziel: eine iranische Atombombe zu verhindern. Uneinigkeit bestehe einzig bei der Frage, wie dieses Ziel sich am besten erreichen lässt.
Die jüngsten antisemitischen Vorfälle während pro-palästinensischer Demonstrationen in Deutschland verurteilte Steinmeier als „abscheulich“ und beschrieb Bemühungen, die Aktivitäten extremistischer Gruppierungen wie der islamistischen Hamas, die von der Europäischen Union als Terrorvereinigung eingestuft wird, in Deutschland stärker einzuschränken.
Favorisierte Zwei-Staaten-Lösung
So sieht ein Gesetzesentwurf vor, künftig die Verbreitung von Propaganda von Organisationen wie der Hamas zu verbieten.
Im Kontext des israelisch-palästinensischen Konflikt, der im Mai zum wiederholten Mal in einer militärischen Auseinandersetzung zwischen der Hamas und Israel eskalierte, sprach sich Steinmeier für eine verhandelte Zwei-Staaten-Lösung aus, wie Deutschland und die EU sie seit Langem fordern.
In dieser Hinsicht ist er sich mit seinem Amtskollegen uneins. Rivlin, der der rechten Likud-Partei angehört, lehnt die Gründung eines Palästinenserstaates ab, favorisiert stattdessen ein ausgedehntes Israel, in dem Palästinenser gleiche Rechte erhalten sollen.
Wenn der scheidende Präsident seinen deutschen Amtskollegen am Donnerstagabend zum Dinner in seiner Residenz empfängt, dürfte Fußball ein weniger verfängliches Gesprächsthema sein als Politik.