15.000 Kandidaten für 217 Sitze: Ausgang der Parlamentswahl in Tunesien völlig ungewiss
Sieben Millionen Tunesier sind aufgerufen, ein neues Parlament zu wählen. Der Frust im Land ist hoch. Trotz Reformen gibt es große wirtschaftliche Probleme.
In Tunesien wählen die Bürger am Sonntag ein neues Parlament. Die Wahllokale öffneten am Sonntagmorgen um 8.00 Uhr Ortszeit (9.00 Uhr MESZ). Rund sieben Millionen Wähler sind aufgerufen, bis 21.00 Uhr MESZ ihre Stimme abzugeben. 15.000 Kandidaten bewerben sich um die 217 Sitze im Parlament, der Wahlausgang gilt als völlig ungewiss. Das vorläufige amtliche Endergebnis wird für Mittwoch erwartet. Es ist die zweite Parlamentswahl in Tunesien, seitdem sich das Land 2014 im Gefolge des Arabischen Frühlings eine neue Verfassung gab.
Mitte September hatte bereits die erste Runde der Präsidentschaftswahl in dem nordafrikanischen Land stattgefunden, die mit einer herben Schlappe für die derzeit herrschende politische Klasse endete. Die Stichwahl findet am kommenden Wochenende statt. Im Gegensatz zur Wahl des Staatsoberhaupts stößt die Parlamentswahl in der Bevölkerung auf geringes Interesse. Dabei ist das Parlament für jene Fragen zuständig, die die Menschen am meisten interessieren: Die stagnierende Wirtschaft, die hohe Arbeitslosigkeit, die schlecht funktionierende Verwaltung und die anhaltende Inflation. Das Parlament bestimmt laut Verfassung den Premierminister, der die Regierung leitet. Der Präsident gibt die Leitlinien in der Außen- und Sicherheitspolitik vor.
„Es ist sehr wahrscheinlich, dass das nächste Parlament extrem fragmentiert sein wird“, sagt der tunesische Politikwissenschaftler Hamza Meddeb. Nur 44 Prozent der insgesamt knapp 1500 aufgestellten Listen in den Wahlbezirken werden von regulären Parteien gestellt, der Rest sind unabhängige Kandidaten oder neu geschaffene Koalitionen.
Derzeit stellt die islamistisch geprägte Ennahda den größten Block im Parlament, die Regierung des bürgerlichen Ministerpräsidenten Youssef Chahed wird aber vom Großteil des Parlaments als „Regierung der nationalen Einheit“ gestützt. Trotz tiefgreifender Reformen nach den arabischen Umbrüchen kämpft Tunesien mit großen wirtschaftlichen Problemen. (AFP, dpa)