Kritik an Haltung zu China: „Aus der deutschen Regierung wird das Minimum geliefert“
Dem CDU-Außenpolitiker Röttgen ist die deutsche Reaktion auf Chinas Sicherheitsgesetz für Hongkong zu lasch. Kritik kommt auch von Grünen-Chefin Baerbock.
Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Norbert Röttgen (CDU), hat die Bundesregierung zu einer entschiedenen Positionierung gegenüber China aufgefordert. Angesichts der chinesischen Repression in Hongkong durch das jüngst erlassene Sicherheitsgesetz habe die Regierung bisher „das Minimum geliefert, was man als Demokratie und Rechtsstaat liefert“, sagte Röttgen am Donnerstag im Deutschlandfunk.
„Das Minimum ist hier zu wenig, angesichts des Unrechts, das China klar angekündigt hat und auch praktiziert“, sagte Röttgen weiter. Dabei liege es maßgeblich an Deutschland, eine europäische Antwort zu finden.
Die Sichtweise, China vor allem als großen Markt zu betrachten, auf den man Rücksicht nehmen müsse, habe in der Vergangenheit funktioniert, reiche aber nicht mehr aus. „China ist eine geostrategische Macht geworden und sie verlangt mehr, als dass wir nur den Markt sehen", sagte Röttgen, der sich auch für den CDU-Vorsitz bewirbt. Unrecht, das von China ausgehe, müsse klar verurteilt werden.
Das von Chinas Führung erlassene Sicherheitsgesetz für Hongkong ist der radikalste Einschnitt in die Autonomie der Finanzmetropole, die ihr bei der Übergabe an China 1997 nach dem Prinzip „Ein Land - zwei Systeme“ für mindestens 50 Jahre zugesagt wurde. Es sieht lebenslange Haft als Höchststrafe für zahlreiche Vergehen vor, die Chinas Behörden als Subversion, Abspaltung und Terrorismus werten.
Mit dem Gesetz unterdrücke China Freiheit und Autonomie in der Sonderverwaltungszone und verstoße gegen internationales Recht. Wirtschaftssanktionen schloss Röttgen aber aus.
Auch der Präsident des Europäischen Parlaments, David Sassoli, sagte, die Entwicklungen in Hongkong, würden ihn „zutiefst beunruhigen“. Es gebe keine Versammlungs- oder Redefreiheit mehr. Was einst demokratische Realität in Hongkong gewesen sei, drohe nun, „für immer verloren zu gehen“. Er forderte die zuständigen Behörden auf, internationale Verpflichtungen und Grundfreiheiten zu respektieren.
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Geflohener Aktivist Law bittet Merkel um Hilfe
Der aus Hongkong geflohene Aktivist Nathan Law hat Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) um Unterstützung gebeten. „Die Welt blickt auf Hongkong. Liebe Frau Merkel, wir brauchen Ihre Hilfe“, sagte er der Zeitung „Hessische Niedersächsische Allgemeine“ (HNA). „Es ist ein Kampf der Ideologien. Bedenken Sie: Den Wert, den Sie Hongkong beimessen, den messen Sie der Demokratie insgesamt bei.“
Nach dem Erlass des Sicherheitsgesetzes hatte Law Hongkong verlassen. Er werde seinen Einsatz auf internationaler Ebene fortsetzen, erklärte er auf Facebook. Seinen Aufenthaltsort wolle er nicht verraten. Zuvor waren Law und prominente Mitstreiter wie Joshua Wong aus ihrer Partei Demosisto ausgetreten, die daraufhin aufgelöst wurde. Wong will in Hongkong bleiben.
Australien stoppt Auslieferungsvereinbarung mit Hongkong
Als Reaktion auf das umstrittene Sicherheitsgesetz hat Australien sein Auslieferungsabkommen mit der chinesischen Sonderverwaltungsregion ausgesetzt. Das gab der australische Premierminister Scott Morrison am Donnerstag bekannt.
Chinas Sicherheitsgesetz stelle eine „fundamentale Änderung“ der Sachverhalte in Bezug auf Australiens Vereinbarung mit Hongkong zu Auslieferungen dar, sagte Morrison.
Man habe Hongkong formal über die Entscheidung seiner Regierung in Kenntnis gesetzt und die chinesischen Behörden entsprechend benachrichtigt. Bürgern Hongkongs, die durch Chinas umstrittenes Sicherheitsgesetz für die frühere britische Kronkolonie gefährdet sein könnten, werde Australien Sondervisa und einen Weg hin zu einer dauerhaften Aufenthaltsgenehmigung anbieten, erklärte Morrison weiter.
China drohte der australischen Regierung mit Konsequenzen. „Die angekündigten Maßnahmen verstoßen grob gegen das Völkerrecht und Grundregeln internationaler Beziehungen“, sagte Zhao Lijian, ein Sprecher des Pekinger Außenministeriums, am Donnerstag. Es handele sich zudem um eine massive Einmischung in die inneren Angelegenheiten Chinas. Die chinesische Regierung behalte sich das Recht vor, auf die Ankündigung zu reagieren. „Alle daraus resultierenden Konsequenzen werden vollständig von der australischen Seite getragen“, sagte der Sprecher weiter.
Die Beziehungen zwischen Australien und seinem wichtigsten Wirtschaftspartner China sind bereits seit längerer Zeit angespannt - vor allem, seitdem die Regierung in Canberra eine unabhängige internationale Untersuchung zum Ursprung des Coronavirus in China gefordert hatte. Peking wirft Australien seinerseits Spionage vor und hat chinesische Studenten und Touristen vor Reisen in das Land gewarnt.
Vergangenen Freitag hatte bereits Kanadas Regierung wegen Chinas Hongkong-Gesetzes das Auslieferungsabkommen mit der Metropole beendet. Auch in Großbritannien, den USA und der EU wurden entsprechende Forderungen laut.
Grünen-Chefin Baerbock fordert Bundesregierung zum Handeln auf
Die Grünen-Vorsitzende Annalena Baerbock fordert auch von der Bundesregierung eine sofortige Aussetzung des Auslieferungsabkommens mit Hongkong. „Das Pekinger Sicherheitsgesetz in Hongkong bricht mit geltendem Völkerrecht und ist ein massiver Angriff auf die Rechtsstaatlichkeit und Demokratie“, sagte Baerbock. Andere Länder zögen Konsequenzen, die Bundesregierung schaue tatenlos zu. „Zum Schutze der Menschen muss die Bundesregierung das Auslieferungs- und Rechtshilfeabkommen mit Hongkong unverzüglich aussetzen“, forderte die Grünen-Vorsitzende.
Die EU müsse Hongkonger Demokraten Schutz vor politischer Verfolgung garantieren, forderte Baerbock. „Dafür sollte sie die Ausweitung von Aufenthaltsmöglichkeiten in der EU prüfen, wenn Menschenrechte und Grundfreiheiten in Hongkong weiter eingeschränkt werden.“
Die Grünen-Chefin kritisierte, Kanzlerin Angela Merkel (CDU) habe in ihrer Rede vor dem EU-Parlament am Dienstag „nur zwei dürre Sätze zu Pekings Verstößen“ geäußert, „als sei sie nicht willens, Verantwortung zu übernehmen“. Die Kanzlerin habe im Rahmen der deutschen EU-Ratspräsidentschaft „alle Karten in der Hand“. Es müssten Konsequenzen für die europäische Chinapolitik gezogen werden, forderte Baerbock, und zwar „einschließlich der laufenden Verhandlungen über das europäisch-chinesische Investitionsschutzabkommen“.
Auch die Vorsitzende des Bundestags-Ausschusses für Menschenrechte und humanitäre Hilfe sowie menschenrechtspolitische Sprecherin der FDP-Fraktion, Gyde Jensen, sagte, Deutschland solle sich Australien als Vorbild nehmen. „Leider zeigt sich Innenminister (Horst) Seehofer bisher in Sachen Sicherheitsgesetz ebenso passiv und lethargisch wie sein Kabinettskollege Außenminister (Heiko) Maas und die Kanzlerin“, sagte Jensen. Komme es nicht schnell zu einer gemeinsamen Einigung auf EU-Ebene, müsse Deutschland zunächst auf nationaler Ebene beispielhaft vorangehen, forderte Jensen. (dpa, Reuters)