Verfolgte Muslime in Myanmar: Aung San Suu Kyi verurteilt erstmals Gewalt gegen Rohingya
Myanmars Regierungschefin Aung San Suu Kyi ergreift nach langem Schweigen Partei für die verfolgte Minderheit der Rohingya. Doch Amnesty International wirft ihr vor, die Realität zu ignorieren.
Myanmars De-facto-Regierungschefin Aung San Suu Kyi hat ihr öffentliches Schweigen zur Gewalt gegen die muslimische Minderheit der Rohingya und deren Massenflucht nach Bangladesch endlich gebrochen. "Wir verurteilen alle Menschenrechtsverletzungen", sagte sie in einer mit Spannung erwarteten Fernsehansprache am Dienstag. "Wir bemühen uns um die Wiederherstellung von Frieden, Stabilität und Rechtsstaatlichkeit."
"Wir fühlen mit all den Menschen, die in diesen Konflikt geraten sind", sagte die Friedensnobelpreisträgerin weiter. Nicht nur die Rohingya seien betroffen, sondern auch andere Minderheiten, die der Weltgemeinschaft nicht präsent seien. "Wir wollen das Leiden unserer Menschen so schnell wie möglich beenden" sagte Suu Kyi, die als "Staatsrätin" fungiert und damit praktisch die Regierungschefin ist.
Suu Kyi sagte auch zu, ausländische Beobachter ins Land zu lassen, um die Lage der Rohingya zu untersuchen. "Wir fürchten keine internationale Überprüfung", sagte sie. Myanmars Regierung wolle sich nicht aus der Verantwortung stehlen. Das Militär sei angewiesen, Leiden von Zivilisten zu vermeiden. Kritik am Militär übte sie nicht.
Staatenlos und Übergriffen ausgesetzt
Myanmars Regierung steht wegen der Militäreinsätze in dem von den Rohingya bewohnten Bundesstaat Rakhine international am Pranger. Menschenrechtler werfen ihr vor, die Rohingya aus dem buddhistisch dominierten Land vertreiben zu wollen. Die Vereinten Nationen sprechen von "Anzeichen für ethnische Säuberungen". Mehr als 400.000 Muslime sind bereits ins Nachbarland Bangladesch geflüchtet.
Die mehr als eine Millionen Rohingya in Myanmar sind staatenlos, weil ihnen die einst herrschende Militärjunta 1982 die Staatsbürgerschaft entzogen hatte. Die Militärregierung war früher hart gegen die Rohingya vorgegangen. Deshalb gab es bereits 1978 und dann 1991 größere Fluchtwellen nach Bangladesch. Seit dem Ende der Militärdiktatur 2011 sind es auch gerade buddistische Mönche, die den Hass auf die muslimische Minderheit schüren. Immer wieder gibt es daher Unruhen und Übergiffe.
Kritik an der "Lady"
Myanmar weist die Vorwürfe der Vertreibung zurück und spricht davon, dass das Militär gegen Aufständische vorgehe. Auch Suu Kyi wies in ihrer Rede darauf hin, dass Muslime im August mehrere Posten von Sicherheitskräften angegriffen hätten.
"Die Regierung hat alles unternommen, um Frieden und Harmonie herzustellen", sagte die Regierungschefin, die selbst buddhistischen Glaubens ist.
Suu Kyi, die als Nationalheldin verehrt und ehrfurchtsvoll "The Lady" genannt wird, war lange vorgehalten worden, sich nicht zu dem Konflikt zu äußern. Die Rede in der Hauptstadt Naypiydaw war für die 72-Jährige der erste öffentliche Auftritt seit Beginn der neuen Krise Ende August. Einen Auftritt bei der UN-Vollversammlung in New York hatte sie abgesagt.
Die Regierung sei bereit, die geflüchteten Rohingya wieder aufzunehmen, sagte Suu Kyi. Die meisten Dörfer der Region Rakhine seien nicht von der Gewalt betroffen. "Die Mehrheit hat sich dem Exodus nicht angeschlossen", sagte die Regierungschefin.
In ihrer Rede bat sie die internationale Staatengemeinschaft auch um Geduld mit ihrem Land. Die Regierung sei Ende des Jahres erst 18 Monate im Amt. Myanmar sei eine noch junge Demokratie. "Wir sind eine komplizierte Nation", sagte Suu Kyi. Die Lage werde noch dadurch erschwert, "dass von uns erwartet wird, alle Herausforderungen in kürzester Zeit zu meistern."
Amnesty unzufrieden
Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International zeigte sich enttäuscht von der Rede Suu Kyis. "Sie und ihre Regierung stecken weiter den Kopf in den Sand angesichts des Horrors in Rakhine", sagte der Südostasien-Direktor von Amnesty, James Gomez. "Ihre Rede war bisweilen nicht mehr als eine Mischung von Unwahrheiten und Schuldzuweisungen an die Opfer."
Gomez sagte weiter, es gebe klare Belege für ethnische Säuberungen. Es sei positiv, dass Suu Kyi Menschenrechtsverletzungen verurteile. "Aber sie schweigt über die Rolle der Sicherheitskräfte dabei", sagte Gomez.
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