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Hat schon einige Reisen absolviert: Heiko Maas (vorne) auf dem Weg nach Warschau.
© Kay Nietfeld/AFP

Die neue außenpolitische Linie: Auf Distanz zu seinen Vorgängern

Außenminister Heiko Maas fährt einen härteren Kurs gegen Russland. Das gefällt nicht jedem in der SPD.

Der neue Außenminister hat seine Linie zu Russland gefunden, und die scheint er konsequent zu verfolgen. Als Heiko Maas am Mittwoch im Bundestag den Abrüstungsbericht der Bundesregierung vorstellte, fällte der SPD-Politiker erneut ein hartes Urteil über die Politik von Präsident Wladimir Putin. Dessen Ankündigung neuer nuklearer Waffensysteme stelle „die nach dem Ende des Kalten Krieges geschaffene internationale Rüstungskontrollarchitektur zunehmend infrage“, die damit „unterlaufen“ werde, klagte er. Die Beziehungen zu Moskau sind nicht das einzige Feld, auf dem Maas im neuen Amt eigene Akzente setzen will, aber eines, das in der SPD einen besonderen Stellenwert hat.

Schon in seiner Antrittsrede im Auswärtigen Amt (AA) eine Woche zuvor ging der Ex-Justizminister auf Distanz zur Politik seines Vorgängers Sigmar Gabriel und seines Vorvorgängers Frank-Walter Steinmeier. Wenn Russland „sich selbst immer mehr in Abgrenzung, ja teilweise Gegnerschaft zu vielen im Westen definiert“, so verändere dies „die Realität unserer Außenpolitik“.

Der Mythos der Ostpolitik aus den 70ern lebt immer noch

Den Begriff „Gegnerschaft“ im Zusammenhang mit Russland hätten weder Gabriel noch Steinmeier in den Mund genommen. Gabriel ging sogar so weit, für eine schrittweise Aufhebung der im Ukraine-Konflikt verhängten EU-Sanktionen zu plädieren, auch wenn er den Vorstoß als Privatmeinung deklarierte. Steinmeier warnte vor „Säbelrasseln und Kriegsgeheul“ – nicht die Russen, sondern die Nato im Zusammenhang mit deren Manöver in Osteuropa.

Im Hinblick auf seine eigene Partei ist Maas’ Linie nicht ohne Risiko. Noch in den Koalitionsverhandlungen hatten die SPD-Verhandler, darunter auch der neue AA-Staatsminister Niels Annen, eine schrittweise Aufhebung der Sanktionen gefordert, sich gegen die Union aber nicht durchsetzen können. Für viele Sozialdemokraten sind die Beziehungen zu Russland vom Mythos der Ostpolitik der 70er und 80er Jahre geprägt.

Mit dem Verweis auf Willy Brandts Entspannungspolitik lassen sich SPD-Parteitage zum Jubeln bringen. Dabei wurde in der zweiten Phase der Ostpolitik, als Polen aufbegehrte, die Freiheit der Stabilität geopfert. Und eine Neuauflage der Ostpolitik würde heute schon daran scheitern, dass anders als damals im Kreml weder ein berechenbarer noch ein verlässlicher Partner sitzt. Eine neue Generation von SPD-Politikern hat verstanden, dass Putin jede Gelegenheit nutzt, die EU zu schwächen. Vizekanzler Olaf Scholz und die designierte Parteichefin Andrea Nahles stützen deshalb Maas’ neuen Kurs.

Flammendes Plädoyer für die "liberal-demokratische Ordnung"

Aber es geht in der Debatte um die Russland-Politik nicht nur um Parteitradition, sondern um mehr: Die SPD-Ministerpräsidenten Manuela Schwesig (Schwerin) und Dietmar Woidke (Potsdam) warnen mit Rücksicht auf Wähler und Wirtschaftsinteressen vor einer harten Politik gegen Moskau. Doch Maas macht die Systemfrage stark. In seiner Antrittsrede hielt er ein flammendes Plädoyer für die Verteidigung der „liberal-demokratischen Ordnung“. Andere Mächte versuchten, „unsere innere Ordnung ins Wanken zu bringen“, warnte er, unter anderem durch Cyber-Attacken und Propagandatricks.

Nicht nur inhaltlich, sondern auch stilistisch kann sich Maas von Gabriel absetzen. Denn sein einstiger Förderer in der SPD hatte als Chefdiplomat mit seiner impulsiven Art immer wieder für Irritationen gesorgt. Bei einem Israel-Besuch provozierte Gabriel mit seinem Beharren auf ein Treffen mit regierungskritischen Organisationen einen Eklat, Premier Benjamin Netanjahu lud den Gast aus. Der Regierung Saudi-Arabiens warf Gabriel „Abenteurertum“ vor, wonach das Königreich verärgert seinen Botschafter abzog.

Zehn Tage nach seinem Amtsantritt reist er nach Israel

Der Regierungspartner in Berlin freut sich über die neue Haltung zu Russland, fordert aber nun Konsequenzen. „Ich begrüße, dass der neue Minister die Beziehungen zu Russland realistisch einschätzt“, sagt Unions-Fraktionsvize Johann Wadephul. Dies müsse dazu führen, dass „umstrittene Projekte wie Nord Stream 2 von ihm außen- und europapolitisch neu bewertet werden“. Dabei handelt es sich um die geplante zweite Gas-Pipeline von Russland nach Deutschland, in deren Dienst Ex-Kanzler Gerhard Schröder steht. Noch eine Erwartung hat der CDU-Mann an den Minister: Der müsse „die von seinem Vorgänger erheblich strapazierten Beziehungen zu Israel und Saudi-Arabien wieder auf eine tragfähige Grundlage stellen“, fordert er.

In seiner Antrittsrede hatte Maas erklärt, er sei nicht wegen Willy Brandt, sondern „wegen Auschwitz“ in die Politik gegangen. Am Wochenende wird der Außenminister nun nach Israel reisen – nur zehn Tage nach Amtsantritt ein starkes Signal der Verbundenheit mit einem Land, das der SPD-Politiker von vielen Besuchen gut kennt. Es werde schon bald zu einem Treffen des Ministers mit Premier Netanjahu kommen, hatte das AA vergangene Woche angekündigt.

Noch hat Maas nicht erkennen lassen, ob er auch die Beziehungen zu Saudi-Arabien reparieren will, wie sich das die Union wünscht. Für den Fall, dass der neue Außenminister irgendwann auch diese Aufgabe angehen will, würde es jedenfalls besonderes diplomatisches Geschick erfordern, im Verhältnis zu Riad dann Realpolitik und das Bekenntnis zur freiheitlichen Ordnung in Übereinstimmung zu bringen.

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