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Passanten laufen an Assad-Plakaten in Damaskus vorbei.
© AFP/Louai Beshara

„Wahlen“ in Syrien: Assad ist das Problem, nicht Teil der Lösung

25 Jahre lang lebte unser Autor in Syrien, gewählt hat er nie – der Sieger stand ohnehin schon fest. So wie auch jetzt. Ein Gastbeitrag.

Hareth Almukdad, Jahrgang 1986, hat in Syrien Journalismus studiert und dort drei Jahre lang für das Regierungsfernsehen gearbeitet. Seit 2016 lebt er in Deutschland. Er schreibt für das Magazin KulturTür und für den Tagesspiegel.

Einstein sagt: „Es ist dumm, dasselbe Experiment zweimal mit derselben Methode und denselben Schritten durchzuführen und dann auf unterschiedliche Ergebnisse zu warten.“ Wie ist es, wenn dasselbe Experiment viermal wiederholt wird? Nun, wenn in Syrien an diesem Mittwoch gewählt wird, passiert genau das.

Im Jahr 2000 erbte Bashar al-Assad die syrische Herrschaft von seinem Vater, der das Land dreißig Jahre lang regierte. Während dieser Zeit fanden keine freien Wahlen statt, und es gab keine anderen Kandidaten außer Hafez al-Assad.

Das Wahlergebnis fiel mit mehr als 99 Prozent zugunsten von Hafez al-Assad immer eindeutig aus. Es scheint, dass Bashar nicht nur die Präsidentschaft von seinem Vater geerbt hat, sondern auch die gleichen Siegesraten. Im Jahr 2000 gewann er 99,7 Prozent der Stimmen. Die Wahlen waren jedes Mal ein Marathon, bei dem nur ein Läufer antrat. Es gab keinen anderen Kandidaten als Bashar al-Assad, genau wie bei seinem Vater.

Nur Verbündete des Regimes unterstützen die Wahlen

Nach dem Beginn der Revolution im Jahr 2011 gegen die Herrschaft der Familie Assad und nach all dem Töten, Zerstören und Vertreiben des syrischen Volkes kandidierte Bashar 2014 zum dritten Mal für die Präsidentschaft. Auch bei den ersten pluralistischen Wahlen in Syrien seit 1970 gewann Bashar 88,7 Prozent der Stimmen. Diese Wahlen fanden statt, während die Kampfflugzeuge des Assad-Regimes Häuser, Schulen und Krankenhäuser bombardierten und Millionen Syrer auf der Suche nach einem sicheren Ort aus ihrem Land flohen.

Sinnbild: Wahlplakate in den Ruinen von Homs.
Sinnbild: Wahlplakate in den Ruinen von Homs.
© REUTERS/Omar Sanadiki

Die Wahlen an diesem Mittwoch werden nur von Verbündeten des syrischen Regimes wie Russland und dem Iran unterstützt und widersprechen der Resolution 2254 des UN-Sicherheitsrates. Die besagt, dass es eine Übergangsregierung und eine neue Verfassung braucht, bevor es freie Wahlen geben kann. Die Verfassung wird derzeit ausgearbeitet. Die UN weigern sich deshalb, diese Wahlen als Teil der Lösung in Syrien zu betrachten. Diese Position vertreten die EU, die USA und die meisten arabischen Länder.

Viele Syrer können gar nicht wählen

Die Wahlen werden nur in den Gebieten unter Assads Kontrolle abgehalten, deren Fläche auf 63 Prozent Syriens geschätzt wird. Tatsächlich gibt es in Daraa eine Reihe von Städten und Dörfern, in denen sich die Bevölkerung weigerte, die Wahlen durchzuführen, was das Assad-Regime dazu veranlasste, die Wahlzentren dort zu schließen.

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Ebenso werden die Wahlen nicht in Gebieten der Opposition stattfinden, da sie dies kategorisch abgelehnt hat – dort leben ungefähr fünf Millionen Syrer. Gleiches gilt für die Gebiete mit kurdischem Einfluss im Nordosten Syriens.

Russland bestimmt die Wahl mit

Wegen der Kontrolle Assads über die Gouvernements Daraa und Damaskus leben immer noch Millionen Syrer in Lagern im Libanon, in Jordanien und in der Türkei. Die Menschen weigern sich, zurückzukehren und fürchten um ihr Leben, solange Assad an der Macht bleibt. Es gibt Dutzende dokumentierte Fäll, wo Personen bei ihrer Rückkehr nach Syrien festgenommen wurden – obwohl ihnen versprochen worden war, sie nicht anzugreifen.

Um das Ergebnis vorherzusagen, braucht es keine Demoskopen.
Um das Ergebnis vorherzusagen, braucht es keine Demoskopen.
© REUTERS/Omar Samadiki

Die Verteilung der Einflussbereiche auf mehrere Sicherheitsgebiete und die Abhängigkeit der syrischen Armee vom Iran oder Russland führen zu Interessenkonflikten und verhindern die Rückkehr des Volkes.

Die syrische Regierung versucht auf verschiedene Weise, Anerkennung für diese Wahlen zu erhalten, von denen die Syrer wissen, dass der russische Präsident Putin und sein Außenminister Lawrow sie diesmal maßgeblich bestimmt haben. Lawrow hat in mehreren arabischen Ländern für die Anerkennung der Wahlen geworben, die den Weg für die Rückkehr Syriens in die Arabische Liga ebnen soll – so, wie Moskau es anstrebt.

Wie ein schlecht produziertes Theater

Die Wahlergebnisse vorherzusagen, erfordert keine Umfragen, Experten oder Statistiken. Das Ergebnis ist im Voraus bekannt. Meinungsverschiedenheiten gibt es derzeit bei der Frage, wie hoch Assad die Wahlen gewinnen wird. Ich gehe davon aus, dass der Prozentsatz dieses Mal vielleicht niedriger sein wird als zuletzt. Dann kann interpretiert werden, dass es sich um pluralistische demokratische Wahlen gehandelt hat.

Als Syrer habe ich 25 Jahre in meinem Land gelebt und an keinen Wahlen teilgenommen. Ich bin sicher, dass es Millionen Syrer wie mich gibt, die glauben, dass die Wahlen nur ein schlecht produziertes Theater sind, das alle sieben Jahre wiederholt wird.

Assad-Plakate in Damaskus.
Assad-Plakate in Damaskus.
© AFP/Louai Beshara

Was die Wiederwahl von Bashar al-Assad in eine vierte Amtszeit unter den gegenwärtigen Umständen bedeutet, ist klar: Mehr Kämpfe, mehr Zerstörungen und die Möglichkeit, dass das Land in ein noch größeres Chaos gerät – zumal auch die Wirtschaft leidet. Die syrische Währung hat innerhalb eines Jahres 211 Prozent ihres Wertes verloren.

Drogenhandel ist zu einem Problem geworden

Syrien steht heute auf der Liste der ärmsten Länder ganz vorn. In den vergangenen Jahren hat sich das Land zu einem Zentrum der Drogenproduktion und des Drogenhandels entwickelt. Viele Drogenlieferungen, die in einer Reihe von Ländern beschlagnahmt wurden, stammten aus Syrien und von der Hisbollah aus dem Libanon.

Diejenigen, die glauben, dass die Erneuerung des Assad-Regimes die Stabilität des Landes wiederherstellen könnte, irren sich. Dieses Regime hat sich in den letzten 50 Jahren nicht geändert, seine Gefängnisse sind immer noch mit Tausenden von Häftlingen gefüllt. Neben all dem Chaos, das es produziert, ruft es auch Krisen in Nachbarländern wie dem Libanon und dem Irak hervor, nur um seine Interessen durchzusetzen.

Hareth Almukdad

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