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Nicht mehr im Amt, aber bei der Basis beliebt: Ex-Präsident Donald Trump.
© ANDREW CABALLERO-REYNOLDS/AFP

Impeachment gegen Trump: Anklage mit Nebenwirkungen – die Demokraten stehen vor einem Dilemma

Der Impeachment-Prozess gegen Donald Trump startet Dienstag. Die Demokraten wollen seine Rolle beim Kapitols-Sturm anprangern. Welche Chancen hat das Verfahren?

Fast auf den Tag genau vor einem Jahr wurde Donald Trump im US-Senat freigesprochen. Am 5. Februar 2020 endete das überhaupt erst dritte Amtsenthebungsverfahren gegen einen US-Präsidenten damit wie erwartet. Die für eine Verurteilung notwendige hohe Hürde von zwei Dritteln der Senatoren war nicht erreicht worden: Alle Republikaner bis auf Mitt Romney sprachen Trump vom Vorwurf des Machtmissbrauchs frei, beim zweiten Anklagepunkt, der Behinderung des Kongresses bei der Untersuchung der Ukraine-Affäre, stimmte auch Romney gegen eine Verurteilung.

Am Dienstag startet nun das zweite Impeachment-Verfahren gegen Trump, der inzwischen abgewählt wurde und Washington verlassen hat. Dieses Mal hat das Repräsentantenhaus nur einen einzigen Anklagepunkt formuliert, und der lautet: „Anstiftung zum Aufruhr“ im Zusammenhang mit dem Sturm auf das Kapitol.

Der Republikaner, der seine Wahlniederlage bis heute nicht öffentlich eingestanden hat, hatte seine Anhänger in einer Rallye am Morgen des 6. Januars aufgefordert, zum Kapitol zu marschieren, um gegen die Bestätigung von Joe Bidens Sieg zu protestieren. Ein gewalttätiger Mob war kurz darauf in das Kongressgebäude eingedrungen und hatte auch die Würde jenes Plenarsaals entweiht, in dem Trump nun der Prozess gemacht werden soll.

Die Chancen, dass der 74-Jährige verurteilt wird, sind dieses Mal zwar größer als vor einem Jahr. Die Vorgänge am 6. Januar und Trumps Verhalten nach der verlorenen Präsidentschaftswahl am 3. November haben auch viele in der Republikanischen Partei entsetzt. Selbst der lange Zeit als Trump-loyal geltende republikanische Fraktionschef Mitch McConnell hatte intern erklärt, er halte dessen Agieren für „impeachable“.

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Aber für einen Schuldspruch müssten mindestens 17 Republikaner neben den 50 demokratischen Senatoren für eine Verurteilung stimmen – und das gilt derzeit als sehr unwahrscheinlich. Trump genießt weiter großen Rückhalt an der Parteibasis. Die Sorge vieler Parlamentarier in Washington ist es, bei den nächsten Wahlen abgestraft zu werden, wenn sie sich gegen den Ex-Präsidenten stellen.

Stellte sich immer wieder gegen Trump: der republikanische Senator Mitt Romney
Stellte sich immer wieder gegen Trump: der republikanische Senator Mitt Romney
© Alex Edelman/Pool via REUTERS/File Photo

Wie groß Trumps Einfluss auf seine Partei immer noch ist, wurde bereits Ende Januar deutlich. Da unterstützten 45 der 50 republikanischen Senatoren, darunter auch McConnell, einen Antrag des Trump-Anhängers Rand Paul, in dem der Impeachment-Prozess als verfassungswidrig bezeichnet wird – ein Versuch, das Verfahren noch vor Beginn abzuwürgen.

Ein Verfahren nur gegen einen amtierenden Präsidenten?

Argumentiert wurde, ein Impeachment-Prozess dürfe sich nur gegen amtierende, nicht gegen frühere Präsidenten richten. Trump sei seit dem 20. Januar, als Biden vereidigt wurde, eine Privatperson und könne deswegen nicht vom Senat belangt werden.

Die Demokraten und viele Verfassungsrechtler sehen das anders: Könne ein Präsident nicht auch nach seinem Ausscheiden zur Rechenschaft gezogen werden, wäre dies ein Freifahrtschein für Verstöße gegen die Verfassung in dessen letzten Wochen im Amt. Trumps Verhalten sei so schwerwiegend, dass der Republikaner auch nach seiner Zeit im Weißen Haus zur Rechenschaft gezogen werden müsse. Zudem sei er ja noch als Präsident vom Repräsentantenhaus angeklagt worden, womit das Impeachment auf den Weg gebracht wurde.

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Den Demokraten ist auch wichtig, dass Trump 2024 nicht wieder bei der Präsidentschaftswahl antritt. Würde er für schuldig befunden, könnte der Senat ihn in einer weiteren Abstimmung mit einfacher Mehrheit von künftigen öffentlichen Ämtern auf Bundesebene ausschließen.

Die Verteidigung bestreitet die Verfassungsmäßigkeit

Dieser Streit um die Verfassungsmäßigkeit des Verfahrens wird in den kommenden Tagen eine große Rolle spielen. Trumps Anwälte Bruce Castor und David Schoen haben das am vergangenen Dienstag in ihrer 14-seitigen Antwort auf die Anklage des Repräsentantenhauses klar gemacht. Eindeutig geklärt ist diese Frage bisher nicht, auch wenn die Mehrheit der Experten im Sinne der Demokraten argumentiert.

Aber in der „Washington Post“ schrieben die Verfassungsrechtler Bruce Ackerman und Gerard Magliocca Mitte Januar, der Sinn eines Impeachments sei laut Verfassung die Amtsenthebung, nicht eine Bestrafung. Darum sehen sie Trumps Argument, der Senat könne nach seinem Ausscheiden aus dem Amt gar keinen Prozess mehr gegen ihn führen, als gerechtfertigt an.

Donald Trump bezeichnete das Impeachment-Verfahren immer wieder als "Hexenjagd".
Donald Trump bezeichnete das Impeachment-Verfahren immer wieder als "Hexenjagd".
© JIM WATSON / AFP

Stattfinden wird das Verfahren aber trotz dieser ungeklärten Frage. Die Demokraten wollen das Verhalten des Ex-Präsidenten vor aller Augen anprangern, indem sie genau rekonstruieren, wie es zum Sturm auf das Kapitol kam – auch wenn den meisten von ihnen, auch Präsident Biden selbst, bewusst sein dürfte, dass die Erfolgsaussichten gering sind.

Ein zweiter Freispruch ist wahrscheinlich

Daher nehmen sie die Gefahr eines zweiten Freispruchs von Trump in Kauf, der dessen Anhängern als weiterer Beweis dafür dienen könnte, dass dessen Gegner von Anfang bis Ende eine „Hexenjagd“ veranstalteten.

Eines ist sicher: Die Amerikaner können sich auf viel Drama in den kommenden Tagen einstellen. Noch ist nicht klar, wie lange der Prozess dauern wird und ob etwa Zeugen angehört werden. Die Demokraten haben gefordert, dass Trump unter Eid aussagt, was der bereits abgelehnt hat. Dass die Demokraten ihn unter Androhung von Strafe vorladen, gilt als unwahrscheinlich, da dies eine lange juristische Auseinandersetzung mit sich bringen würde.

Zudem sind die Demokraten sich sicher, ihre Anklage auch so glaubhaft vorbringen zu können, so wie sie es nur eine Woche nach dem Angriff auf das Kapitol getan hatten, als sie Trump im Repräsentantenhaus anklagten und das Impeachment-Verfahren auf den Weg brachten.

Die Anklage werden neun demokratische Abgeordnete als „Impeachment Manager“ unter Leitung von Jamie Raskin die Anklage führen. Den Vorsitz übernimmt dieses Mal nicht der Oberste Richter John Roberts, sondern der dienstälteste demokratische Senator Patrick Leahy.

Der Prozess wird wohl höchstens eine Woche dauern

Die Hauptverantwortung für das Verfahren liegt bei Chuck Schumer, der seit der Nachwahl in Georgia nun demokratischer Mehrheitsführer im Senat ist. Alle anderen Senatoren, die letztlich die Rolle einer Jury einnehmen, müssen während der Verhandlung schweigen, können aber wahrscheinlich wie beim letzten Mal schriftliche Rückfragen stellen.

Mehrheitsführer im Senat: der Demokrat Chuck Schumer.
Mehrheitsführer im Senat: der Demokrat Chuck Schumer.
© Drew Angerer/Getty Images/AFP

Beide Seiten haben ein Interesse daran, dass der Prozess nicht zu viel Zeit in Anspruch nimmt. Dauerte er im vergangenen Jahr drei Wochen, wird nun damit gerechnet, dass er höchstens zwei Wochen dauert.

Das Dilemma der Demokraten ist dabei besonders groß. Einerseits sind die meisten von ihnen der Auffassung, nach dem 6. Januar könne nicht einfach zur Tagesordnung übergegangen werden. Andererseits will die neue Regierung schnell wichtige Gesetze auf den Weg bringen und Reformen angehen. Unter anderem will Biden sein Corona-Hilfspaket möglichst bald durch den Senat bringen und die ausstehenden Kabinettsmitglieder bestätigen lassen.

So lange der Prozess andauert, wird vieles zurückstehen müssen, auch wenn Biden erklärt hat, er gehe davon aus, die Senatoren könnten ein Impeachment führen und ihrer gesetzgeberischen Verantwortung gerecht werden.

Bei allen Risiken: Für Nancy Pelosi, die oberste Demokratin im Repräsentantenhaus, die nun zum zweiten Mal einen Präsidenten zur Verantwortung ziehen will. werden die kommenden Tage eine historische Frage beantworten. Denn dann werde sich zeigen, ob im Senat Mut oder Feigheit vorherrsche.

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