Flüchtlingspolitik: Angela Merkel: Ich ducke mich nicht weg
Bundeskanzlerin Angela Merkel weist Kritiker ihrer Flüchtlingspolitik in die Schranken. Sie hat mit der EU-Kommission und der Türkei einen Aktionsplan zur Sicherung der türkisch-griechischen Grenze entwickelt.
Bundeskanzlerin Angela Merkel hat ihre Flüchtlingspolitik gegen Skepsis und Kritik aus den eigenen Reihen verteidigt. „Wenn so eine Aufgabe sich stellt (...), dann hat es keinen Sinn, zu hadern, sondern dann muss ich anpacken“, sagte die CDU-Vorsitzende in einem Interview mit dem Deutschlandfunk. Es sei nicht ihr Ansatz, sich „jetzt wegzuducken“. Deutschland müsse die nationale Aufgabe annehmen.
Forderungen aus der CSU, dem Flüchtlingszuzug mit einem Aufnahmestopp oder anderen drastischen Maßnahmen an Deutschlands Grenzen zu begegnen, erteilte Merkel eine klare Absage. „Mit Zäunen werden wir das Problem nicht lösen“, sagte sie. Auch eine Einschränkung des Asylrechts komme nicht infrage. Stattdessen gehe es darum, die Schutzsuchenden in Europa fair zu verteilen, Fluchtursachen zu bekämpfen und die Flüchtlinge in Ländern wie dem Libanon, Jordanien oder der Türkei stärker zu unterstützen. Außerdem müssten die Außengrenzen in Europa „wesentlich besser“ geschützt werden, betonte Merkel. Sie kündigte in diesem Zusammenhang einen verstärkten Dialog mit der Türkei an: „Das müssen wir intensivieren.“
Die EU-Kommission hat unterdessen nach einem Bericht der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ in enger Abstimmung mit Merkel einen Aktionsplan zur Sicherung der türkisch-griechischen Grenze mit der Regierung in Ankara entwickelt. Vorgesehen sind demnach gemeinsame Patrouillen mit der griechischen Küstenwache, koordiniert von der EU-Grenzschutzagentur Frontex.
Ziel sei es, alle Flüchtlinge, die über die östliche Ägäis nach Griechenland übersetzen, in die Türkei zurückzubringen. Dort sollten sie in sechs neuen Flüchtlingslagern für insgesamt zwei Millionen Menschen untergebracht werden. Die Camps würden von der EU mitfinanziert. Ein Teil der Flüchtlinge – die Rede ist von einer halben Million Menschen – werde dann auf die EU-Mitgliedstaaten verteilt. Der Plan dient als Grundlage für ein Treffen des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan mit EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker an diesem Montag in Brüssel. Sollte es eine Einigung geben, könnte das Vorhaben bis zum EU-Gipfeltreffen Mitte Oktober beschlussreif sein.
Die CSU stimmt Merkels Plänen diesmal ausdrücklich zu
Aus der CSU kam am Sonntag Zustimmung. Der frühere Bundesinnenminister, Unionsfraktionsvize Hans-Peter Friedrich, sagte dem Tagesspiegel, es sei „absolut richtig“, die Türkei stärker einzubinden. Ziel müsse sein, Menschen in Sicherheit zu bringen – „und zwar in der Nähe ihrer Heimatländer, in die sie später ja wieder zurückkehren wollen und sollen“. Dabei spiele die Türkei, als unmittelbarer Nachbar der Krisenländer, eine Schlüsselrolle. Für die Unterbringung der Flüchtlinge müsse Ankara „natürlich umfassende finanzielle Hilfe“ erhalten. Gleichzeitig warnte der CSU-Politiker vor weiter gehenden politischen Zugeständnissen an die Türkei. „Mit einem EU-Beitritt hat das alles gar nichts zu tun“, stellte er klar. „Und ich würde der Türkei auch nicht raten, das jetzt wieder zu fordern“, sagte Friedrich.
Grünen-Chef Cem Özdemir zeigte sich skeptisch. Der EU-Plan werfe viele Fragen auf, sagte er dem Tagesspiegel. „Wie will die EU humanitäre Mindeststandards wahren, angesichts quasi bürgerkriegsähnlicher Zustände in Teilen des Landes vor den Wahlen am 1. November? Wie will die EU den Verdacht ausräumen, dass es sich hier um ein Kompensationsgeschäft mit dem autoritären Herrscher Erdogan handelt?“ Es sei zwar richtig, wenn die EU den Griechen und Türken bei der Bewältigung der Flüchtlingskrise helfe. Die Forderungen nach Demokratie und fairen Wahlen in der Türkei dürften aber „nicht gegen die Aufnahme von Flüchtlingen verhandelt werden“.
Die SPD-Politikerin Michelle Müntefering, Vorsitzende der deutsch-türkischen Parlamentariergruppe, zu Zeit zu Gesprächen in Ankara, sagte dem Tagesspiegel: "Die Türkei hat mehr Flüchtlinge aufgenommen als jedes andere Land. Das wird hierzulande wenig gesehen. In der Außenpolitik liegen aber die Vorstellungen teilweise noch auseinander, gerade im Syrienkonflikt steht auch die Kurdenfrage einer gemeinsamen Strategie im Weg. Denn Erdogan, der selbst den Friedensprozess mit den Kurden begonnen hat, sieht nicht nur den IS, sondern auch die Kurden in Syrien als Gefahr. Wir brauchen die Türkei und müssen den von Frank-Walter Steinmeier angestoßenen Migrationsdialog mit Leben füllen. Dabei sollten auch die Interessen der Türkei, etwa in der Visa-Frage, berücksichtigt werden."