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Angela Merkel und Sigmar Gabriel.
© dpa

Flüchtlingsdebatte: Angela Merkel kann auch "Basta"

Es ist gut, dass Kanzlerin Angela Merkel beim Thema Flüchtlinge klare Grenzen zieht. Auch gegenüber der eigenen Koalition. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Ingrid Müller

Die Flüchtlingssituation ist alles andere als komfortabel. Für alle, allen voran die Schutzsuchenden selbst. Allerdings erreicht die Debatte über den Umgang mit den Menschen gerade eine sehr gefährliche Zone.

Natürlich müssen die Ängste und Sorgen derjenigen gehört werden, die mahnen, dass sie mit ihren Kräften ihre Grenzen erreichen. Sonst kann die Willkommenskultur in Ablehnung umschlagen. Auch wenn es an der einen oder anderen Stelle möglicherweise mehr ein Gefühl sein sollte als harte Realität. Mal ehrlich: Die Republik hat fröhlich die Einheit gefeiert, die Supermarktregale sind voll, es campieren keine Flüchtlinge in Zehnerreihen im Tiergarten. Trotzdem dürfen die Stimmen aus den Kommunen nicht kleingeredet werden. Denn die Aufnahme so vieler Menschen in so kurzer Zeit bringt Probleme mit sich.

Doch wie können Politiker jetzt genau die Werte vergessen, auf die sie selbst so sehr pochen – Grundgesetz und europäischer Gedanke? Sei es Bayerns Karrierist Markus Söder, der das Asylrecht zur Disposition stellt, oder Innenminister Thomas de Maizière, der längerfristige Transitzonen und Grenzkontrollen im Schengenraum in Betracht zieht. Manche Worte haben zudem einen Klang wie die der Besserwessis von damals.

Da ist es gut, dass Angela Merkel sich nicht zurückhält, sondern klare Grenzen zieht. Für die eigene Parteifamilie wie nach außen: Asyl gilt, die Flüchtlingskonvention, Schengen. Und: Sie würde wieder für die Menschen entscheiden, Grenzen öffnen. Sie weicht nicht zurück. Ihr Stil ist anders als der Gerhard Schröders, aber sie setzt ein Stoppsignal: ihr Basta.

Sie öffnet Grenzen

Sie ahnt wohl, wie im Wortsinn brandgefährlich der anschwellende „Wir können nicht mehr“-Chor ist. Sie pocht auf raschere Antragsverfahren, um zu wissen, wer Schutz braucht. Dafür muss dann aber auch Geld und Personal her.

Nicht zufällig öffnet Merkel gerade andere Grenzen: Es werden neue Bande zur Türkei und ihrem umstrittenen Präsidenten Erdogan geknüpft. Das Land soll sich um noch mehr Flüchtende kümmern. Sogar die sogenannte Sicherheitszone in Syrien ist kein Tabu mehr. Erdogan hat gute Kontakte etwa nach Pakistan. Dort erzählen Schlepper den Menschen seit Jahren, dass sie in Deutschland sofort Asyl und Job bekommen, nicht erst seit Merkels Willkommen oder Maizières Zahlen.

Es sind heikle Gespräche, nicht zuletzt wegen Erdogans Umgang mit Kurden, auch in Syrien. Eine bittere Parallele zu Putin. Zu lange haben sich Europäische wie Christliche Union gegen die Türkei gesträubt, inzwischen hat Erdogan einen Sultan-Status ertrotzt. Europa wird der Türkei etwas anbieten müssen. Aber die EU muss achtgeben, dass nicht andere an den Folgen leiden, etwa die Kurden.

Der Druck ist groß. Auch auf Merkel. Bisher war ihr wohl das Laotse zugeschriebene Sprichwort „In der Ruhe liegt die Kraft“ ein guter Begleiter. Solange sie die bewahrt, fühlen sich die meisten Bürger sicher. Das wollen sie von ihrer Kanzlerin. Um aber mehr Menschen zu bewegen, in der Heimat oder deren Nähe zu bleiben, reicht es nicht, Flüchtlingslager zu finanzieren. Die Menschen brauchen Schulen, Jobs: Zukunft. Sonst machen sich weiter so viele auf nach Westen. Und keine Grenze, kein Deal mit der Türkei wird sie stoppen. Was, wenn türkisches Militär Verzweifelte mit Waffengewalt zurückdrängt? Hielten die Deutschen, hielte die Kanzlerin diese Bilder aus?

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