Debatte um Flüchtlinge: Söder stellt Grundrecht auf Asyl infrage - Seehofer pfeift ihn zurück
CSU-Politiker fordern jeden Tag neue Asyl-Verschärfungen. Markus Söder schlug nun sogar vor, das Grundgesetz anzutasten, um den Flüchtlingszuzug einzudämmen. Das will die SPD nicht - und Söders Parteichef Seehofer auch nicht. Trotzdem wächst der Druck auf die Kanzlerin.
Im Streit um den Umgang mit immer mehr Flüchtlingen stellt die CSU auch das Grundrecht auf Asyl infrage. „Wir können nicht die ganze Welt retten“, sagte Bayerns Finanzminister Markus Söder der „Passauer Neuesten Presse“. Er forderte eine „massive Begrenzung der Zuwanderung“ mithilfe von Obergrenzen und Kontingenten. Dabei werde man dann auch über das Asylrecht reden, kündigte der CSU-Politiker an.
Garniert hat Söder diese Forderungen mit heftiger Kritik an der Bundeskanzlerin. Angela Merkel, so lautet sein Vorwurf, vertrete mit ihrem Kurs in der Flüchtlingskrise inzwischen große Teile ihrer eigenen Partei nicht mehr. „Wir sind an dieser Stelle mehr CDU als die CDU-Führung selbst“, behauptete Söder, der als möglicher Nachfolger von CSU-Chef Horst Seehofer gilt. Der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer sagte am Abend: „Mit uns kommt eine Änderung des Grundrechts auf Asyl, also die Änderung der Verfassung, nicht infrage, das sage ich klipp und klar.“
Die Asylzahlen wachsen seit Monaten rasant und erreichen immer neue Rekordwerte. Bayern ist besonders betroffen, weil dort die meisten Flüchtlinge über die Grenze kommen. Die CSU fordert seit Tagen neue Asylverschärfungen. Generalsekretär Andreas Scheuer sagte der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“, ohne einen Aufnahmestopp gerate die Lage außer Kontrolle. „Schon in den nächsten Tagen kann eine Situation entstehen, in der Bayern die Grenzen seiner Möglichkeiten erreicht, weil die anderen Bundesländer es nicht mehr schaffen, Flüchtlinge aufzunehmen.“ Seehofer verlangte von Merkel ein klares Signal an die Öffentlichkeit, dass die Aufnahmemöglichkeiten in Deutschland erschöpft seien. „Wir haben die Kapazitätsgrenze erreicht, mehr geht nicht mehr“, sagte er im Bayerischen Fernsehen. Wenn es nicht gelinge, die Zuwanderung zu begrenzen, dann drohe vor dem Winter ein „Kollaps mit Ansage“.
Seehofer widerspricht Söder klar
Der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) jedoch hat Söders Überlegungen klar zurückgewiesen. „Mit uns kommt eine Änderung des Grundrechts auf Asyl, also die Änderung der Verfassung, nicht infrage, das sage ich klipp und klar“, sagte der CSU-Chef am Samstagabend im Bayerischen Fernsehen. Um die Zuwanderung zu beschränken, sei eine solche Änderung nicht erforderlich. Damit ging Seehofer offen auf Distanz zu seinem Parteifreund Söder, der gerade erst Zäune an der deutschen Grenze ins Gespräch gebracht hatte.
Angela Merkel machte in ihrer wöchentlichen Videobotschaft deutlich, dass sie am Asylrecht nicht rütteln lassen werde. Schutzbedürftige könnten hierzulande auch weiterhin auf Hilfe rechnen. Wer allerdings aus rein wirtschaftlichen Gründen komme, habe das Land zu verlassen. „Da müssen wir auch noch konsequenter sein“, stellte die Kanzlerin klar. Damit blieb sie bei ihrer Linie, die sie vor drei Wochen umrissen hatte. Das Grundrecht für Asyl, so sagte sie damals, kenne „keine Obergrenze“.
Auch Justizminister Heiko Maas (SPD) erteilte Söder eine Abfuhr. Die Grundrechte hätten sich in den vergangenen 25 Jahren bewährt, sagte Maas in Berlin. „Niemand sollte sie am Tag der deutschen Einheit infrage stellen“. Der Grünen-Politiker Volker Beck sprach von einem „Generalangriff auf das Grundgesetz“. Und für SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann sind die Vorstöße aus der CSU ebenfalls ein rotes Tuch: Um die Zahl der Flüchtlinge in Deutschland zu reduzieren, so betonte er, „brauchen wir keine Grundgesetzänderung“.
Kritik auch aus der SPD
Auch die SPD will Änderungen am Asyl-Grundrecht nicht zulassen. Für eine Reduzierung der Zahlen „brauchen wir keine Grundgesetzänderung“, sagte Fraktionschef Thomas Oppermann der dpa. Die Sozialdemokraten verlangen aber von Merkel ein Eingeständnis, dass Deutschlands Kräfte in der Flüchtlingskrise begrenzt sind. „Die Kanzlerin trägt eine große Verantwortung und muss Führungskraft zeigen“, sagte Oppermann. „Dazu gehört es auch, deutlich zu sagen, dass mit einer Million Flüchtlinge in diesem Jahr unsere Möglichkeiten bei der Aufnahme nahezu erschöpft sind.“ Es gebe hier Grenzen. „Wir müssen die unmissverständliche Botschaft senden, dass Deutschland allein nicht alle Flüchtlinge aufnehmen kann.“ Bislang hatte es die SPD-Spitze vermieden, Merkel angesichts der unverändert hohen Zahl an Migranten in die Pflicht zu nehmen.
Zuvor allerdings war Oppermann den Unionspolitikern beigesprungen, die von der Kanzlerin das klare Eingeständnis verlangen, dass Deutschland mit den Flüchtlingsströmen überfordert sei. „Wir müssen die unmissverständliche Botschaft senden, dass Deutschland allein nicht alle Flüchtlinge aufnehmen kann“, sagte er. Diesbezüglich habe die Kanzlerin „große Verantwortung“, so der Fraktionschef – und gefälligst auch „Führungskraft“ zu zeigen.
In den eigenen SPD-Reihen kamen solche Töne nicht bei allen an. „Die Mehrheit der Bundestagsfraktion“, so sah sich SPD-Mann Rüdiger Veit klarzustellen genötigt, stehe „hinter Kanzlerin Merkel und hinter ihrer humanen Haltung“. Äußerungen wie die von Oppermann könnten die nach wie vor große Hilfsbereitschaft in der Bevölkerung schwächen, warnte Veit, der in der Fraktion als integrationspolitischer Sprecher fungiert. Politiker dürften auch nicht den Eindruck erwecken, dass man Schutzzäune um Deutschland und Europa ziehen und an den Grenzen Hunderttausende in Transitzonen einsperren könne. (mit dpa)
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