Mission im Indo-Pazifik: An der Route der Fregatte „Bayern“ regt sich Kritik
Die Fregatte Bayern soll auf ihrer Mission im Indo-Pazifik für eine regelbasierte internationale Ordnung einstehen. Doch es regt sich Kritik an der Route.
Als die Fregatte „Bayern“ Anfang August von Wilhelmshaven aus in See stach, war auch von Werten die Rede. Vom „Erhalt der regelbasierten internationalen Ordnung“, von der Stärkung der Sicherheit in der indisch-pazifischen Region, wie Außenminister Heiko Maas (SPD) sagte. Man wolle Verantwortung übernehmen – unausgesprochen dort, wo China immer dominanter auftritt und territoriale Ansprüche vorbringt.
Der Bundesregierung ist der Einsatz wichtig. Doch in den Augen mancher hat die siebenmonatige Mission in den Indo-Pazifik einen nicht allzu kleinen Makel. Das Kriegsschiff macht auf dem Weg Halt an den Chagos-Inseln mitten im Indischen Ozean, genauer vor Diego Garcia, der größten Insel des Archipels, Standort eines US-Militärstützpunkts.
Und dieser Part der Route ist umstritten: „Wer auf eine regelbasierte Ordnung auf der Basis internationalen Rechts pocht und unter anderem mit dieser Zielsetzung in See sticht, muss sich auch selbst daran halten“, sagt Felix Heiduk, Wissenschaftler in der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin, dem Tagesspiegel. „Der Halt vor Diego Garcia, schwächt eines der zentralen Ziele dieser Mission.“
[Wenn Sie aktuelle Nachrichten aus Berlin, Deutschland und der Welt live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können.]
Einst gehörte Diego Garcia zur britischen Kolonie Mauritius. Die Regierung in London gliederte diese allerdings bereits 1965 aus der Verwaltung aus, um das Archipel im Zuge der nahenden Unabhängigkeit der Kolonie nicht abtreten zu müssen – und um den Bau eines Militärstützpunktes weiterführen zu können.
Das gesamte Archipel wurde militärisches Sperrgebiet, die Bewohner mehrheitlich nach Mauritius und teils auf die Seychellen deportiert. Diego Garcia wurde wenig später für 50 Jahre an die USA verpachtet, später sogar bis 2036. Die Dekolonialisierung dagegen erscheint nicht abgeschlossen.
[Lesen Sie auch diesen T-Plus-Artikel: Wird Mali zum zweiten Afghanistan? Die Angst vor dem nächsten Debakel (T+)]
Der Vorgang der 1960er Jahre ist auch völkerrechtlich umstritten. Seit Jahrzehnten kämpft Mauritius darum, die Souveränität über die Inselgruppe zurückzuerlangen. Und seit einigen Jahren gewinnt der Inselstaat damit viel Aufmerksamkeit: Der Internationale Gerichtshof in Den Haag etwa forderte Großbritannien im Februar 2019 dazu auf, die Kontrolle über die Chagos-Inseln „so schnell wie möglich“ abzugeben. Großbritannien habe die Inseln rechtswidrig unter seiner Kontrolle behalten, als es Mauritius 1968 unabhängig wurde, hieß es von Seiten des Gerichts.
Das Gutachten des Gerichts war von der UN-Generalversammlung angestrengt worden, die sich wenige Monate später für eine schnelle Rückgabe der Inseln an Mauritius aussprach. Im Mai 2019 stimmten sechs Staaten gegen die Resolution, darunter Großbritannien und die USA. 56 Staaten enthielten sich – darunter waren auch Frankreich und eben Deutschland.
Im Januar dieses Jahres folgte eine Entscheidung des Internationalen Seegerichtshofs in Hamburg, wonach Großbritannien keine Souveränität über die Chagos-Inseln zustehe, die Kontrolle schnellstmöglich an Mauritius zu übergeben sei – auch, um die Dekolonialisierung zu beenden. „Wenn Deutschland auf die Einhaltung internationaler Regeln pocht, kann auch China diese Argumente jederzeit vorbringen“, sagt Heiduk.
"Glaubwürdigkeit der Bundesregierung zum Teil aufs Spiel gesetzt"
Die Causa ist gerade für Großbritannien und die USA heikel. Während die britische Labour-Partei den Rückgabeprozess bereits einleiten wollte, weigert sich die Regierung um Boris Johnson. „Wir werden unsere Position weiterhin im internationalen Recht verteidigen“, sagte Johnson 2019. Die Insel gilt als wichtigster Stützpunkt Großbritanniens im Indischen Ozean, ebenso der USA. Sie liegt strategisch äußerst günstig, an zentralen Schifffahrtsrouten und wird von US-Marine und US-Luftwaffe genutzt. Von hier flogen die USA Einsätze in den Irak und Afghanistan.
[Alle wichtigen Nachrichten des Tages finden Sie im kostenlosen Tagesspiegel-Newsletter „Fragen des Tages“. Dazu Kommentare, Reportagen und Freizeit-Tipps. Zur Anmeldung geht es hier.]
Die „Bayern“ hat ihren ersten Zwischenstopp auf dem Weg zum Archipel bereits passiert. Der Aufenthalt in Djibouti, am Golf von Aden, sei bereits beendet, wie das Verteidigungsministerium (BMVg) auf Anfrage mitteilte. SWP-Forscher Heiduk sieht angesichts des nahenden Stopps im indischen Ozean die „Glaubwürdigkeit der Bundesregierung zum Teil aufs Spiel gesetzt“.
Verteidigungsministerium verweist auf kurzen Stopp lediglich zur Versorgung
Derweil hat sich eine Reihe von Linken-Abgeordneten im Bundestag in einem Brief an das Parlament von Mauritius gewandt. Sie forderten die Abgeordneten des Inselstaats auf, sich an die deutsche Bundesregierung zu wenden, damit sie den geplanten „völkerrechtswidrigen Besuch“ der Fregatte auf den Chagos-Inseln absage. Die Linken-Außenpolitikerin Sevim Dagdelen sprach dazu von einer „Irrfahrt“ gegen internationales Recht.
Das BMVg verweist dagegen auf einen „kurzen Stopp ausschließlich zum Zweck der logistischen Versorgung“, einen sogenannten „Bunkerstop“. Ein Verlassen der Bayern sei dabei nicht vorgesehen. Die Versorgung des Schiffes treffe keine „normative Aussage zur Frage der Souveränität über Chagos“ und stehe „nicht im Widerspruch zur Haltung der Bundesregierung in dieser Frage“.
Die FDP im Bundestag stört sich weniger am Halt auf Diego Garcia. Sie befürwortet, dass Deutschland mit der Fregatte Bayern Präsenz im indopazifischen Raum zeigt. Ulrich Lechte, Mitglied des Auswärtigen Ausschuss und Leiter des Unterausschusses Vereinte Nationen, internationale Organisationen und Globalisierung, sieht vielmehr ein „fatales Zeichen“ darin, dass die Fregatte die Straße von Taiwan meidet. „Ich hoffe, dass die Route noch angepasst wird und die Bayern einen Hafen in Taiwan anläuft, als Zeichen der Unterstützung für eine bedrohte Demokratie in der Region“, sagte Lechte dem Tagesspiegel. Das Verteidigungsministerium betont, dass die Durchfahrt der Taiwanstraße niemals Gegenstand der Diskussionen gewesen sei.