Der Himalaya-Plan: Mit diesem Konzept will Maas die Außenpolitik radikal neu denken
Deutschlands außenpolitische Prioritäten sollen sich ändern, hin zum Indo-Pazifik. Die Ziele: eine neue Weltordnung – und den deutschen Wohlstand sichern.
Es ist eine Weltregion, in der sich höchst gefährliche Konflikte zusammenbrauen und die zugleich rasantes wirtschaftliches Wachstum verspricht, also in Zukunft noch wichtiger werden dürfte. Im Umgang mit den Staaten, die an den indischen Ozean und den Pazifik (kurz: Indo-Pazifik) grenzen, ist die deutsche Politik bislang nicht zielgerichtet, systematisch und koordiniert vorgegangen.
Das soll sich nun ändern. Am Mittwoch verabschiedete das Bundeskabinett erstmals Indo-Pazifik-Leitlinien.
Was wie ein bürokratischer Akt aussieht, könnte Deutschlands Rolle in der Welt ändern - zumindest dann, wenn auf die hehren Absichtserklärungen ein langfristig vorangetriebenes, materiell unterlegtes Engagement folgt.
„Der Himalaya und die Straße von Malakka mögen weit entfernt scheinen. Aber unser Wohlstand und unser geopolitischer Einfluss in den kommenden Jahrzehnten beruhen gerade auch darauf, wie wir mit den Staaten des Indo-Pazifiks zusammenarbeiten“, sagte Außenminister Heiko Maas (SPD).
Glaubt man dem Chefdiplomaten, erhebt die Verabschiedung der Leitlinien den Indo-Pazifik zu einer „Priorität der deutschen Außenpolitik“. Dabei geht es laut Maas vor allem darum, mit demokratischen und kooperationswilligen Partnern internationale Regeln gegen das „Recht des Stärkeren“ in einer Region durchzusetzen, in der Schwergewichte wie China, Indien und Japan liegen.
Mehr als irgendwo sonst entscheide sich im Raum zwischen Indien, China, Australien und der Westküste der USA „die Ausgestaltung der internationalen Ordnung von Morgen“, erklärte der Außenminister.
Deutschland wolle diese Ordnung mitgestalten. Mit Blick auf gemeinsame Werte gelte: „Der politische Westen liegt auch im Osten.“
Die Aufforderung von Maas, dem „Recht des Stärkeren“ keinen Raum zu lassen, dürfte sich vor allem auf China beziehen. Im südchinesischen Meer beansprucht die Volksrepublik völkerrechtswidrig Hoheitsgebiete, die sie mit militärischen Mitteln durchzusetzen droht.
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Weil die USA hart dagegenhalten und unter Präsident Donald Trump einen Handelskrieg gegen China treiben, halten Experten den Ausbruch eines heißen Konflikts in der Region für möglich. „Wir sehen mit Sorge das Wettrüsten in der Region und latente Konflikte, deren Ausbrechen weltweite Erschütterungen nach sich ziehen“, sagte Maas dazu.
Die Verteidigungsministerin will den Machtanspruch Chinas eindämmen
Demokratische Staaten des Indo-Pazifik wie Australien oder Indien fordern von Europa schon länger ein stärkeres Engagement gegen chinesische Hegemonialansprüche und Einschüchterungsversuche, die sich bis in den indischen Ozean erstrecken. Dabei argumentieren sie, dass die Freiheit der Meere auch im Interesse Europas und seiner Wirtschaft sei.
Rund zwei Drittel des weltweiten Seehandels führen über Schiffsrouten des Indo-Pazifiks. Der deutsche Handel mit den Südostasien, Südasien, Ostasien, Australien und Neuseeland ist in den vergangenen Jahren konstant gewachsen.
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„Als Handelsnation hängt unser Wohlstand unmittelbar von der Freiheit des Handels und der Seewege ab, die zu einem großen Teil durch den Indo-Pazifik führen", sagte auch Maas. Verteidigungsminister Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) hatte sich mehrfach für eine militärische Präsenz Deutschlands in dem Raum ausgesprochen, war aber auf Widerstand der SPD gestoßen.
Nun haben auch die SPD-Minister der großen Koalition einer Verstärkung der sicherheitspolitischen Zusammenarbeit mit Akteuren der Region zugestimmt. In den Leitlinien heißt es: "Dies kann die Teilnahme an sicherheitspolitischen Foren, die Teilnahme an Übungen in der Region, gemeinsame Evakuierungsplanungen, die Entsendung von Verbindungsoffizieren sowie verschiedene Formen maritimer Präsenz umfassen".
Deutschland strebt mit den Leitlinien auch mehr Kooperation in Bereichen wie Klimawandel, Menschenrechte, Freihandel und Digitalisierung. Maas kündigte an, Deutschland werde sich gemeinsam mit Frankreich und anderen EU-Partnern nun auch für eine europäische Indo-Pazifik-Strategie einsetzen.