USA suchen Verbündete: Allianz gegen IS-Miliz in Syrien - mit Assad, ohne Türkei?
Die USA suchen Verbündete im Kampf gegen die Kalaschnikow-Islamisten des "Islamischen Staat" im Irak und in Syrien. Baschar al Assad hat sich bereits angeboten. Der Westen zögert. Und die Türkei? Entwickelt sich in den Augen mancher zum "unsicheren Kantonisten".
Nach drei Jahren Krieg gegen die eigene Bevölkerung empfiehlt sich der syrische Präsident Baschar al-Assad dem Westen plötzlich als Bundesgenosse im Kampf gegen gegen die Dschihadisten-Miliz „Islamischer Staat“ (IS). Assads Luftwaffe griff in den vergangenen Tagen die IS-Hochburg Raqqa am Euphrat im Norden Syriens an. Die Regierung in Damaskus hatte dem Westen schon Ende August eine Zusammenarbeit gegen die islamistischen Extremisten angeboten. Ganz anders als Syrien hält sich der Nato-Partner Türkei mit Hilfsangeboten auffällig zurück. US-Verteidigungsminister Chuck Hagel sprach am Montag mit der Führung in Ankara über das Thema.
Der IS hatte in den vergangenen Monaten große Gebietsstücke in Syrien und im Irak erobert und verfügt über mehrere zehntausend zum Teil aus dem Westen stammende Kämpfer, über moderne Waffen sowie über eine prall gefüllte Kriegskasse. Erst vergangene Woche wurde in der Türkei ein 20-jähriger Deutscher gefasst, der nach Syrien reisen und sich der Terrorgruppe anschließen wollte.
IS-Vorstöße bedrohen unter anderem das kurdische Autonomiegebiet im Nordirak, das mit Waffenlieferungen aus Deutschland und anderen Ländern militärisch gestärkt werden soll. Die USA greifen seit Wochen IS-Trupps im Irak an und prüfen eine Ausweitung der Luftangriffe mit Kampfjets und Drohnen auf Syrien. US-Generalstabschef Martin Dempsey sagte im August, ohne eine Bekämpfung des IS an seinem Entstehungsort Syrien werde die Miliz nicht zu besiegen sein. Präsident Barack Obama will an diesem Mittwoch eine Strategie gegen die Dschihadisten vorstellen.
In Damaskus warnte die syrische Regierung, Militärschläge gegen den IS auf syrischem Gebiet müssten mit ihr abgesprochen werden und würden andernfalls als Aggression gewertet. Eine Situation, in der die syrische Regierung als Partner des Westens im Kampf gegen die islamistischen Extremisten auftreten könnte, würde das zum internationalen Paria gewordene Regime deutlich aufwerten.
Offiziell weist der Westen die Forderung des Assad-Regimes nach einer Teilhabe am Kampf gegen die sunnitischen Extremisten zurück. Assad sei Teil des Problems, nicht Teil der Lösung, sagte der britische Premierminister David Cameron.
Einige Experten raten jedoch zu einer Zusammenarbeit mit dem Regime in Damaskus. Assad sei im Vergleich zur Bedrohung durch den IS das kleinere Übel, schrieb der Politologe Max Abrahams von der Northeastern University in Boston in der „New York Times“. Assad, der den IS lange gewähren ließ, habe inzwischen die Gefahr erkannt. Zudem hat die US-Regierung beim Vorgehen gegen den IS auch eine Kooperation mit einem anderen Erzfeind in der Region in Aussicht gestellt: mit dem Iran.
Eine wie immer geartete Zusammenarbeit des Westens mit Syrien würde Angriffe auf IS-Stellungen im syrischen Kerngebiet der Miliz vor Ort und auf internationaler Ebene deutlich erleichtern: Überflugrechte für westliche Kampfflugzeuge wären kein Problem, auch wären keine Spannungen mit Assads Partner Russland zu erwarten.
Bleibt eine Absprache mit Damaskus dagegen aus, könnte das zusätzliche Probleme aufwerfen. Das Assad-Regime könnte versuchen, die westlichen Kampfjets über dem syrischen Luftraum abzufangen. Auf diese Weise könnte der Westen in den syrischen Bürgerkrieg hineingezogen werden.
Im syrischen Nachbarland Türkei wird eine mögliche Kooperation des Westens mit Assad äußerst skeptisch gesehen. Ankara gehört seit dem Ausbruch des syrischen Bürgerkrieges vor mehr als drei Jahren zu den entschiedensten Gegnern des syrischen Präsidenten und strebt offen dessen Sturz an. In den vergangenen Jahren tolerierte die türkische Regierung extremistische Gruppen wie den IS, weil sie sich davon eine rasche Entmachtung des syrischen Präsidenten versprach.
Der IS in Syrien versorgt sich über die benachbarte Türkei mit neuen Kämpfern und mit Nachschub. Im Gegenzug schmuggelt die Dschihadistengruppe tonnenweise Diesel-Treibstoff aus ihrem Machtbereich in Syrien über die 900 Kilometer lange Grenze in die Türkei und verdient damit nach Angaben der türkischen Opposition mehrere Millionen Dollar im Monat. Unter dem Druck der westlichen Verbündeten hat Ankara die Kontrollen an der syrischen Grenze in jüngster Zeit verschärft.
Eine militärische Beteiligung der Türkei ist nicht zu erwarten
Eine militärische Beteiligung der Türken an einer Allianz gegen den IS ist aber nicht zu erwarten. Die Dschihadisten halten seit Juni 49 Mitarbeiter des türkischen Konsulats in Mossul in ihrer Gewalt. Ein allzu forsches Auftreten der Türkei im Bündnis gegen den IS könnte das Leben der Geiseln in Gefahr bringen, argumentiert die Regierung in Ankara.
Außenminister Mevlüt Cavusoglu sagte am Montag, noch gebe es in Sachen IS keine konkreten Forderungen der Verbündeten an die Türkei. Was sein Land in einer solchen Allianz zu tun bereit wäre, sagte der Minister nicht. Beobachter gehen davon aus, dass Ankara vor allem auf eine bessere Grenzsicherung und eine verstärkte Zusammenarbeit mit westlichen Geheimdiensten setzt.
Eine Rolle in vorderster Front lehnt Ankara aber ab. Deshalb dürfte sich das Misstrauen, das sich unter den westlichen Partnern der Türkei breitgemacht hat, weiter bestehen bleiben. Grund für die Distanz ist die lange sehr nachsichtige Haltung Ankaras den Gruppen wie IS gegenüber. Die türkische Regierung habe geglaubt, diese Art von Milizen kontrollieren zu können, sich dabei aber getäuscht, sagte ein westlicher Vertreter in der Türkei. Nun müssten die Türken damit zurechtkommen, im Kampf gegen den IS als „unsichere Kantonisten“ betrachtet zu werden.
Thomas Seibert