Landgericht Berlin: AfD-Politiker Gedeon darf "Holocaust-Leugner" genannt werden
Eine Aussage von Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden, im Tagesspiegel ist von der Meinungsfreiheit gedeckt. Das entschied das Landgericht Berlin.
Der baden-württembergische AfD-Politiker Wolfgang Gedeon ist vor Gericht mit einer Unterlassungsklage gegen den Präsidenten des Zentralrates der Juden, Josef Schuster, gescheitert. Das Landgericht Berlin wies am Dienstag nach einer mündlichen Verhandlung die Klage Gedeons ab. Schuster hatte in einem Bericht des Tagesspiegel im Januar 2017 Gedeon als Holocaust-Leugner bezeichnet.
Das Gericht wertete die Aussage als Meinungsäußerung Schusters, die vom Grundrecht auf Meinungsfreiheit gedeckt sei, wie der Vorsitzende Richter Holger Thiel auf Anfrage mitteilte. Unter Holocaust-Leugnung seien nicht nur das vollständige Abstreiten der Juden-Vernichtung zu verstehen, sondern auch Relativierungen dieser historischen Ereignisse. Mit seiner Klage wollte Gedeon erreichen, dass Schuster seine Aussage nicht wiederholt. Weder Gedeon noch Schuster erschienen persönlich vor Gericht.
Thiel betonte, bei der Entscheidung des Gerichts sei es allein um den vorliegenden Einzelfall gegangen. Im allgemeinen Sprachverständnis, so das Gericht in der mündlichen Verhandlung, sei unter dem Begriff Holocaust die Vernichtung einer unvorstellbar großen Anzahl von Juden und anderer Menschen durch die Nationalsozialisten sowie das planmäßige Vorgehen bei deren Tötung zu verstehen. Schuster hatte sich laut seinem Anwalt bei seiner Kritik an dem AfD-Politiker unter anderem auf den Holocaust relativierende Passagen einer Publikation Gedeons bezogen, aus denen vor Gericht zitiert wurde.
Anwältin: Gedeon "massiv stigmatisiert"
Gedeon wertete die Aussage Schusters laut seiner Anwältin vor Gericht als Tatsachenbehauptung. Es gehe ihrem Mandaten nicht um die Unterdrückung einer Meinung. Allerdings würde Gedeon durch die Aussage Schusters „massiv stigmatisiert“ und in einen Topf mit prominenten Holocaust-Leugnern wie David Irving geworfen. Richter Thiel betonte dagegen, „wir haben nicht darüber zu entscheiden, ob die Meinung richtig oder falsch ist“.
Antisemitismusvorwürfe gegen Gedeon hatten 2016 zur Spaltung der AfD-Fraktion im Stuttgarter Landtag geführt. Gedeon gehört dem Landesparlament derzeit als fraktionsloser Abgeordneter an. Er ist aber weiter Mitglied der AfD. Einen Antrag des AfD-Landesvorstandes auf Parteiausschluss wies das Landesschiedsgericht zurück, wie Gedeon in der vergangenen Woche mitteilte.
"In Zeiten, in denen aggressiver Antisemitismus in Deutschland immer stärker Fuß fasst, begrüßen wir das Urteil des Berliner Landgerichts sehr“, erklärte Schuster in einer ersten Stellungnahme. „Verbale Anfeindungen im Internet, das Leugnen oder Relativieren der Schoa und physische Angriffe auf Juden sind mittlerweile leider keine Ausnahmeerscheinung mehr." (Tsp, epd)
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