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Holocaust-Mahnmal in Berlin-Mitte.
© Jens Kalaene/dpa

Anspruch auf Kuratoriums-Sitz: AfD drängt in Holocaust-Mahnmal-Stiftung

Die AfD will ihren Anspruch auf einen Sitz im Kuratorium der Stiftung zum Holocaust-Mahnmal durchsetzen. Dessen Initiatorin Lea Rosh findet das "unmöglich". Bundestagspräsident Schäuble schweigt.

Eine Weile hat die AfD im Bundestag gezögert. Heikel ist der Anspruch auf einen Posten im Kuratorium der Stiftung „Denkmal für die ermordeten Juden Europas“ allemal, spätestens seit der Brandrede des thüringischen AfD-Politikers Björn Höcke vor einem Jahr in Dresden, in der er das Holocaust-Mahnmal als „Denkmal der Schande“ bezeichnete. Doch das 2000 verabschiedete Gesetz zur Errichtung einer Stiftung für das Mahnmal in Berlin (JudDenkmStiftG) regelt in Paragraf fünf, dass jede Bundestagsfraktion je angefangene 100 Mitglieder Anspruch auf einen Sitz im Kuratorium hat. Die AfD hat mit ihrem Einzug in den Bundestag am 24. September also auch einen.

Dieser Anspruch soll nun durchgesetzt werden, „selbstverständlich“, wie aus Parteikreisen verlautete. Wer den Posten einnehmen wird, ist noch unklar. Darüber soll die Fraktion demnächst entscheiden. Eine Anfrage des Tagesspiegels zum Thema lässt die sie unbeantwortet.

Bereits alarmiert ist Lea Rosh, stellvertretende Vorsitzende des Kuratoriums und Initiatorin des Mahnmals. Schon im November hatte sie gesagt: „Ich habe das Programm der AfD vor mir liegen. Es ist so drastisch demokratiefeindlich, was die machen, dass eine Teilnahme der AfD eigentlich ausgeschlossen sein müsste. Das gilt natürlich erst recht nach dem, was der thüringische AfD-Chef Höcke über das Holocaust-Mahnmal gesagt hat. Ich fürchte allerdings, die AfD wird so unverfroren sein, reinkommen zu wollen.“ Jetzt ergänzt Rosh: „Ich fände es nicht nur nicht gut, sondern unmöglich, wenn die da drin wären.“ Faktisch habe Höcke das Mahnmal als „Schandmal“ bezeichnet, „wo sind wir denn?“ Rosh forderte Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) auf, juristisch zu prüfen, was gegen die Präsenz der AfD im Kuratorium der Stiftung getan werden könne.

Schäuble ist kraft Amtes mit seiner Wahl zum Parlamentspräsidenten auch Vorsitzender der Stiftung für das Holocaust-Mahnmal geworden – und in einer Zwickmühle. Einerseits darf er einer Ausgrenzung der demokratisch gewählten AfD nicht Vorschub leisten. Andererseits ist er mit Bedenken aus allen Fraktionen konfrontiert, was die Besetzung von Ämtern und Funktionen mit AfD-Politikern angeht. Das betrifft beispielsweise den Beirat des Bündnisses für Demokratie und Toleranz, in den die AfD den ultrarechten Bundestagsabgeordneten Jens Maier aus Dresden entsandte. Auf Maiers Twitter-Account war Boris Beckers Sohn Noah kürzlich als „Halbneger“ beschimpft worden.

Es betrifft auch den Versuch der AfD, Albrecht Glaser als Bundestagsvizepräsidenten durchzusetzen und damit einen Politiker, der Muslimen das Grundrecht auf Religionsfreiheit abgesprochen hat.

Schäuble vermeidet eine öffentliche Positionierung. Zum Streit über den Kuratoriumssitz für die AfD in der Stiftung Holocaust-Mahnmal teilte Schäubles Sprecher dem Tagesspiegel nach mehreren Anfragen nun diese Woche kurz und knapp mit: „Wie Sie seinerzeit korrekt berichtet haben, hat sich der Bundestagspräsident dazu nicht geäußert. Das ist nach wie vor der Stand.“

Wolfgang Schäuble
Wolfgang Schäuble. Im Streit um Posten für AfD-Politiker befindet sich der Bundestagspräsident in der Zwickmühle.
© Thilo Rückeis

Diskussionen werden auch um den Vorsitz des Bundestagsausschusses für Kultur und Medien erwartet. Nach der Arbeitsgemeinschaft der KZ-Gedenkstätten wandten sich kurz vor Weihnachten die vom Bund geförderten Gedenkstätten zum SED-Unrecht an Schäuble. Sie fürchten laut einem dem Tagesspiegel vorliegenden Brief „beträchtlichen Schaden“ für die Erinnerungskultur und das internationale Ansehen Deutschlands, wenn der Posten an einen AfD-Politiker gehen würde und damit den Vertreter „einer Partei, die in Fragen der Erinnerungskultur unklare und inakzeptable Positionen einnimmt“. Unterzeichner des Schreibens sind unter anderem die früheren DDR-Bürgerrechtler Marianne Birthler, Rainer Eppelmann, Markus Meckel und Wolfgang Templin. Auch auf diesen Brief wurde keine Reaktion von Schäuble bekannt.

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