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Frankreichs Präsident François Hollande.
© REUTERS

Frankreichs Präsident Hollande: Ab in die Mitte

Im Streit um die Arbeitsmarktreform wandelt sich Frankreichs Präsident Hollande zum Sozialdemokraten.

Der Lapsus des Präsidenten hatte Folgen. Zu Beginn der Woche gab der französische Staatschef François Hollande in einem Radiointerview – wohl eher unfreiwillig – preis, dass er bei der Präsidentschaftswahl im kommenden Jahr wieder antreten will. Der Sozialist schilderte die politischen Folgen für den Fall, dass er nicht wiedergewählt wird. Zwar korrigierte sich Hollande schnell mit den Worten: „...wenn die Linke nicht wiedergewählt wird“. Aber da war die Katze schon aus dem Sack. Für viele Medien in Frankreich ist seit dem Versprecher klar, dass der bislang glücklos agierende Präsident in einem Jahr wieder kandidieren will. Eigentlich soll die Entscheidung darüber, wer für die Sozialisten ins Rennen geht, erst am Ende dieses Jahres fallen. Aber etwa für die Zeitung „Le Parisien“ steht jetzt schon fest, dass Hollande „Lust auf Wahlkampf“ hat.

Auch sonst zeigte sich Hollande in dem Interview mit dem Sender „Europe 1“ ungewohnt entschlossen. Der Sozialist machte eine klare Ansage an die Demonstranten, die seit Wochen gegen die Arbeitsmarktreform auf die Straße gehen. „Ich werde nicht nachgeben“, erklärte er. Aufhorchen ließ zudem seine Ankündigung, er wolle die Franzosen in Richtung einer „Sozialdemokratie à la française“ führen. Dass sich ausgerechnet Hollande als Anhänger eines auf die Mitte ausgerichteten Kurses outet, wie ihn in Deutschland der frühere Kanzler Gerhard Schröder verfolgte, ist bemerkenswert: Während Schröders Amtszeit war Hollande Vorsitzender der französischen Sozialisten und ließ seinerzeit selten ein gutes Haar an dem Kurs der „neuen Mitte“, den auch der damalige britische Premier Tony Blair verfolgte.

Schlechte Wirtschaftsdaten zwingen Hollande zum Umdenken

Offenbar sind es die schlechten Wirtschaftsdaten in Frankreich, die den Präsidenten dazu bewogen haben, dass er seine Arbeitsmarktreform durchziehen muss. Beim Bruttoinlandsprodukt (BIP) pro Kopf, einem wichtigen Indikator für die Wirtschaftskraft, lag Frankreich im vergangenen Jahr hinter Großbritannien und Deutschland. Um mehr Wachstum zu erzeugen, setzt Hollande deshalb auf die Arbeitsmarktreform. Die Novelle sieht unter anderem vor, dass künftig in Betrieben entschieden werden kann, ob länger als 35 Stunden pro Woche gearbeitet wird. Bislang sind Abweichungen von der 35-Stunden-Woche, die im Jahr 2000 von der damaligen Arbeitsministerin Martine Aubry eingeführt wurde, nur über Branchenvereinbarungen möglich.

Gegen die geplante Lockerung richtet sich seit Anfang März der Protest der Gewerkschaften im Land. Auch am Donnerstag gingen die Anhänger der Gewerkschaften zum zweiten Mal innerhalb von 48 Stunden gegen die Reform auf die Straße. In Paris nahmen nach Polizeiangaben 14.000 Menschen am Protestzug teil. Gleichzeitig demonstrierten die Gegner der Arbeitsmarktreform landesweit mit Straßensperren. Wegen eines Streiks der Fluglotsen fielen auf dem Pariser Airport Orly 15 Prozent der Flüge aus.

Geringerer Zulauf bei Demonstrationen

Hollande setzt indes gemeinsam mit seinem Regierungschef Manuel Valls, der ebenfalls für den sozialliberalen Flügel in der Regierungspartei steht, auf ein allmähliches Abflauen der Proteste. Während Ende März nach Angaben der Polizei 390.000 Menschen auf die Straße gegangen waren, werden inzwischen weniger Demonstranten verzeichnet. Bei den Eisenbahnern, die gegen eine bereits beschlossene Marktöffnung demonstrieren, folgten am Donnerstag nur wenige Mitarbeiter dem Streikaufruf.

Während der Zulauf der Protestbewegung abnimmt, werden aber immer mehr gewaltbereite Schlägertrupps zum Problem, die sich unter die Demonstranten mischen. Um sich gegen Übergriffe zu schützen, sind die bei den Kundgebungen mitmarschierenden Sicherheitsleute der Gewerkschaften inzwischen mit Gummiknüppeln ausgerüstet. „Man muss in der Lage sein, sich zu schützen“, sagte der Chef der Gewerkschaft CGT, Philippe Martinez, zur Begründung. Trotz der Vorsichtsmaßnahmen verwüsteten Krawallmacher in Rennes vor einer Kundgebung in der Stadt im Nordwesten des Landes am Donnerstag mehrere Metrostationen. Anschließend wurden 19 Personen festgenommen.

Premier Valls will "gnadenlose Strafen" nach Angriff auf Polizisten

Im Internet löste unterdessen ein Video große Aufmerksamkeit aus, auf dem ein Angriff auf einen Polizeiwagen in Paris zu sehen ist. Am Mittwoch hatten Randalierer den Wagen in Brand gesetzt; die beiden Beamten, die sich in dem Auto befanden, konnten sich mit leichten Verletzungen retten. In unmittelbarer Nähe hatte die französische Polizeigewerkschaft wie in anderen Städten auch eine „Anti-Hass“-Kundgebung organisiert. Die Polizeibeamten protestierten dagegen, dass sie regelmäßig zur Zielscheibe von Angreifern werden.

Angesichts der Gewaltszenen in Paris forderte Premierminister Valls „gnadenlose Strafen“ für die die Täter. Gleichzeitig kündigte er an, dass die Blockaden an Häfen, Flughäfen und Raffinerien notfalls mit Gewalt aufgelöst würden. Dagegen erklärte Jean-Claude Mailly, der Vorsitzende der linksgerichteten Gewerkschaft Force ouvrière (FO), dass es ohne die geplante Arbeitsmarktreform auch keine Ausschreitungen geben würde. Hollandes Kraftprobe mit den Gewerkschaften ist noch nicht beendet.

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