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Blumen und Grablichter am Joggingpfad am Flüsschen Dreisam, wo die Freiburger Studentin Maria L. ermordet wurde.
© Patrick Seeger/dpa

Sexualverbrechen in Köln und Freiburg: Warum heißt das Stichwort "Flüchtling" und nicht "Mann"?

Sexualisierte Gewalt ist keine Frage von Herkunftskultur. Trotzdem wird sie im Fall Freiburg wie Silvester 2015 in Köln so diskutiert. Das bietet Entlastung.

Der Migrationsbericht für 2015, den das Kabinett am Mittwoch beschloss, könnte ein Beitrag zur Nüchternheit in einer dauererregten Debatte sein – sollten die Debattierenden denn Interesse daran haben. Trotz historisch hoher Einwanderung – nie seit Beginn der statistischen Erfassung vor 66 Jahren kamen so viele Menschen nach Deutschland – heißt Ausland noch immer zu 45 Prozent Europa. Syrer sind, kaum überraschend, die stärkste Gruppe unter den Migranten, aber gleich gefolgt von Rumänen und Polen, Menschen also, die auch die bildungsfernsten Pegida-Demonstrantinnen dem angeblich bedrohten Abendland zuschlagen dürften.

Sexistische Gewalt von Kairo bis Höxter

Die, die den Ansturm zuvörderst managen müssen, wollen denn auch partout nicht in den Panikmodus fallen: Berlins Regierender hat jetzt gerade deutlich gemacht, dass Hilfsbereitschaft für Kriegsopfer keinen Feierabend kenne. Das ist mutig von Michael Müller. Zwei Städte etwas weiter weg von Berlin, Köln und Freiburg, liefern gerade wieder – unfreiwillig – denen Stichworte, die „mehr tun“ hören und zu gern „mehr Kriminalität“ verstehen. Köln hat gerade sein Supersicherheitsprogramm für die Domplatte bekannt gegeben, um Exzessen wie in der Silvesternacht 2015/16 vorzubeugen. Wer Freiburg hört, denkt derzeit nicht an Münster, Bächle, Viertele, sondern an die grausame Vergewaltigung und Ermordung der Medizinstudentin Maria L. Ihr Mörder soll nicht nur Afghane, sondern bereits in Griechenland verurteilt worden sein, weil er eine Studentin von einer Klippe stieß.

Es packt einen – und eine erst recht – unsägliche Wut beim Gedanken an den Täter und eine große Trauer beim Gedanken an die junge Frau, ihre Familie und ihre Freundinnen. Und darüber, dass Frauen immer noch Opfer sexistischer Gewalt werden, bis hin zum Mord. Jeden Tag, hier genauso wie in Rom, Delhi, Kairo. Oder in Höxter. Es ist immer noch nicht vorbei, dass Frauen die Nacht nicht gehört, ihr Joggingpfad, überhaupt der öffentliche Raum. Und die „eigenen“ vier Wände erst recht nicht, Schauplatz des Gros der Fälle sexualisierter Gewalt, der Gattinnenmorde, Vergewaltigungen, Demütigungen.

Abschieben, Härte zeigen - und AfD-Erfolge ernten

Warum also das Etikett „Flüchtling“ oder „Afghane“? Weil’s einen so schön entlastet, den Blick vom grausamen Alltag auf einen Ausschnitt der Wirklichkeit verschiebt? Gerade auf das, was vom Freiburger Fall bisher bekannt ist, passt viel besser der Aufkleber „Männer, die Frauen hassen“. Stieg Larsson hat seinen großartigen Thriller im Genderparadies Schweden spielen lassen, wir hier haben Wilfried L. aus Höxter, wir hatten Fritz Honka, in Belgien folterte Marcel Dutroux Mädchen zu Tode und die Tausenden Arbeitsmigrantinnen, die seit den 1990er Jahren im Grenzgebiet zwischen Mexiko und den USA umgebracht wurden, starben sicher auch durch die Hand afghanischer Männer.

Es passt perfekt, dass Bundesinnenminister Thomas de Maizière gerade einige ihrer Landsleute ins angeblich sichere Afghanistan abschiebt. Vor Weihnachten. Man kann nie wissen. Zeigt Härte. Und wundert sich später über Wahlerfolge rechts und ein öffentliches Klima, das man selbst geschaffen hat.

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