Rot-Grün in Berlin: Viel Spaß beim Regieren!
SPD und Grüne humpeln vom Start der koalitionspolitischen Annäherungsversuche weg über eine Stolperstrecke, die es in sich hat: Die Stadtautobahn A100, für die jetzt ein Scheinkompromiss gefunden wurde.
Das wird ein lustiges Regieren. Rote und Grüne wollen es in Berlin gemeinsam versuchen, mit einer denkbar knappen Mehrheit im Parlament, aber getragen von der gemeinsamen Überzeugung, dass sich die großstädtischen Wähler in einer Liaison aus SPD und Öko-Partei noch am ehesten wiederfinden. Rot-Rot hat ausgedient. In den nächsten Jahren werden andere Gegensätze zu überbrücken sein als der zwischen Ost und West. Es wird um Mieter gegen Vermieter gehen, um Kiezbewahrer gegen Stadtplaner und um Vielflieger gegen Lärmgegner. Ein volles Programm für den neuen Senat. Aber meint sie es ernst, die Regierung in spe?
Schon der Anfang ist komisch. Sozialdemokraten und Grüne humpeln gleich zu Beginn der koalitionspolitischen Annäherungsversuche über eine Stolperstrecke, die es in sich hat: Die Stadtautobahn A 100, vom Dreieck Neukölln bis zum Treptower Park. Gefunden wurde ein Scheinkompromiss, aus dem die Grünen die Hoffnung schöpfen, den Autobahnbau zu verhindern, während die SPD ziemlich sicher ist, sich schon im ersten Regierungsjahr mit stillschweigender Hilfe des Bundes gegen den kleinen Koalitionspartner durchzusetzen. Die Grünen spielen auf Zeit, die Sozialdemokraten drängen auf schnelle Gespräche mit dem Bund über die Finanzierung der A 100 oder eine Umwidmung der Gelder für Straßenreparaturen.
Die besseren Karten hat die SPD, da gibt es keine Zweifel, solange dem Bund nicht grundsätzlich das Geld für große Verkehrsprojekte ausgeht. Darauf hoffen wiederum die Grünen. Es ist ein merkwürdiges Kräftemessen, noch bevor die Koalitionsverhandlungen begonnen haben, zumal der mühsam unterdrückte Konflikt um die sechsspurige Piste im Südosten der Stadt schon in wenigen Monaten wieder aufbrechen wird. Ein gelungener Auftakt für Rot-Grün ist das nicht. Sollte ein Koalitionsvertrag, der in den nächsten Wochen auszuhandeln ist, das gemeinsame Wollen für die nächsten fünf Jahre ähnlich vage beschreiben – na, dann viel Spaß beim Regieren!
Lesen Sie auf Seite 2, welche anderen Stolpersteine auf die Koalition zukommen könnten.
Die Grünen könnten schon bald versucht sein, das zu tun, was ihnen meistens gut gelingt: opponieren. Wowereit dürfte darauf so reagieren, wie er es seit zehn Jahren tut: Er spielt den Chef. Es ist zwar so, dass Berlin in vielen Quartieren eindeutig rot-grün tickt. Aber das heißt noch lange nicht, dass die Stadt auch rot-grün regierbar ist. Den Beweis müssen beide Parteien noch liefern. Erste Zweifel stellen sich jetzt schon ein. Berlin braucht den sozialen Ausgleich, bürgerliche Teilhabe und die Wahrung einer Lebensqualität, um die uns viele Millionenstädte auch in Europa beneiden. Das geht aber nur, wenn die Stadt an allen Ecken und Enden besser wird, vor allem die wirtschaftlichen Grundlagen. Dazu gehören nicht nur die Green Economy, sondern auch Asphalt und Beton.
Für die Berliner CDU war dieses Mal noch nichts zu holen. Seit fast drei Jahrzehnten wollen die Christdemokraten eine moderne und liberale Großstadtpartei werden. Doch schaut man in die Tiefen ihrer Bezirks- und Ortsverbände, drängt sich der Eindruck auf, dass die Union noch eine Weile brauchen wird, um ans Ziel zu kommen. Immer noch ist sie die betuliche Partei der westlichen Stadtrandlagen. Solange sich das nicht ändert, wird die CDU zuschauen müssen, wie andere Berlin gestalten. Demnächst wohl SPD und Grüne. Mal sehen, ob beide Parteien zu mehr in der Lage sein werden, als Kompromisse hin- und herzuschieben.