Rot-grüne Koalition: Der dritte Versuch
Rot-Grün gab’s schon zwei Mal, 1989 und 2001 – jeweils mit viel Streit. Und stets nur ganz kurz. Jetzt soll’s länger halten. Das wäre mal was Neues.
Rot-Grün? In Berlin war das immer eine schwierige Sache. Beide Parteien haben nur zwei Mal miteinander regiert, obwohl auch die Grünen schon 30 Jahre im Abgeordnetenhaus sitzen. Jedes Mal war es ein kurzes Vergnügen. Am 29. Januar 1989 wählten die (West-)Berliner den Regierenden Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) ab. Zwei Tage zuvor hatte der SPD-Spitzenkandidat Walter Momper die Alternative Liste (AL) noch für regierungsunfähig erklärt, aber das spielte nach dem Wahlsieg keine Rolle mehr. Rot-Grün einigte sich mit dem Segen der alliierten Schutzmächte auf eine Koalition, die aber nur bis Ende 1990 hielt.
Schon 1985 hatte der damalige Innensenator Heinrich Lummer (CDU) gesagt, dass die 1978 gegründete AL ein Vehikel zur „Errichtung einer Volksfront aller linksorientierten Kräfte“ sei. Zu diesem Kreis geselle sich in zunehmendem Maße die SPD. „Wähler, hört die Signale“, warnte Lummer. Vergeblich. Zwar gab es nach der Wahl 1989 auch Sondierungen mit der Union für eine große Koalition, aber die CDU stellte sich mit der Forderung, dass parallele Gespräche zwischen SPD und AL abgebrochen werden müssten, selbst ein Bein. Momper sagte dazu nur: „Wir laufen niemandem nach.“
So mussten Diepgen und Co. mitansehen, wie der rot-grüne Senat nach dem Fall der Mauer das Zusammenwachsen der Stadt ganz ordentlich managte. Die neue Regierung scheiterte trotzdem an den gigantischen Vereinigungsproblemen, an Momper autoritärer Führung und der Streitkultur der Alternativen. Die Räumung besetzter Häuser in der Mainzer Straße besiegelte den Bruch. Das Vermächtnis des fragilen Bündnisses, zu deren Architekten bei der AL Renate Künast und Christian Ströbele, aber auch Harald Wolf gehörten: Ein Tempolimit auf der Avus, Busspuren auf dem Ku’damm und die BVG-Umweltkarte, ein Landesgleichstellungsgesetz und der Verkauf des Potsdamer Platzes an Daimler-Benz und Sony.
Dann kamen zehn Jahre große Koalition, wieder mit Diepgen an der Spitze. Aus der Alternativen Liste wurde Bündnis 90/Die Grünen. Mit 5,0 Prozent der Wählerstimmen schafften sie es 1990 gerade mal so, im Abgeordnetenhaus zu bleiben. Aber in der Opposition, dem Lebenselixier der Berliner Grünen, erholte sich die Partei schnell, während die Sozialdemokraten als Juniorpartner der Union verkümmerten. Bei den Wahlen 1995 und 1999 erreichte Rot-Grün nur noch ein gutes Drittel der Wähler. Ein Dreierbündnis mit der PDS, die aus der DDR-Regierungspartei SED hervorging, blieb im ersten Jahrzehnt nach der Wiedervereinigung ein Tabu.
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Doch das Ergebnis von 22,4 Prozent bei der Abgeordnetenhauswahl 1999 erschütterte die Sozialdemokraten so, dass der Ausstieg aus der schwarz-roten Regierung, die als babylonische Gefangenschaft empfunden wurde, nur noch eine Frage der Zeit war. Am 17. Juni 2001 wurden Regierungschef Diepgen und die anderen christdemokratischen Senatsmitglieder von einer rot-rot-grünen Mehrheit im Parlament abgewählt. Der Skandal um die landeseigene Bankgesellschaft und eine Parteispendenaffäre, in die der damalige CDU-Fraktionschef Klaus Landowsky verwickelt war, bot einen willkommenen Anlass für den Einstieg in eine rot-grüne Minderheitsregierung mit Klaus Wowereit an der Spitze.
Bis zu Neuwahlen im Oktober 2001 war das linke Lager mit der Sanierung der Bankgesellschaft und einem Kassensturz beschäftigt. Im Landeshaushalt klaffte zwischen Ausgaben und Einnahmen ein Loch von fünf Milliarden Euro. Bei den Grünen als Fraktionschefin mit dabei: Renate Künast. Bis heute versichert Wowereit, er hätte mit den Grünen über die Wahl 2001 hinaus gern weiterregiert. Aber denen ging mit 9,1 Prozent die Luft aus und die Sozialdemokraten holten die Linken ins Boot, nachdem sie Verhandlungen über eine Ampelkoalition mit Grünen und FDP gegen die Wand fahren ließen – von der Angst getrieben, dass sich die beiden Juniorpartner innerhalb kürzester Zeit heillos zerstreiten könnten.
Mit der Union wurde vor zehn Jahren gar nicht erst geredet. Fünf Jahre später hätte es für Rot-Grün knapp gereicht und die Grünen-Spitzenkandidatin Sibyll Klotz kratzte an der Tür: „Wir sind verlässlich und kalkulierbar.“ Die SPD sondierte mit den Linken, aber auch mit den Grünen, die dann den Fehler machten, voreilig und öffentlich viele Posten zu fordern und Bedingungen zu stellen. Das war’s dann. Jetzt versuchen sie es wieder, dieses Mal in Konkurrenz mit den Christdemokraten. Wohl ein letztes Mal dabei, in den Sondierungsgesprächen, war Renate Künast. Der neue Verhandlungsführer, Grünen-Fraktionschef Volker Ratzmann, ist beseelt von dem Gefühl, „dass wir einen guten gemeinsamen Weg gehen können“. Mehr als ein, zwei Jahre?
Das wäre in Berlin eine Premiere.