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Auf gepackten Taschen warten die Flüchtlinge vor dem Lageso darauf, ihren Asylantrag stellen zu können.
© REUTERS/Fabrizio Bensch

Hilferuf der Lageso-Mitarbeiter: "Unsere Arbeit für Flüchtlinge wird abschätzig angesehen"

Die Unterbringung der Flüchtlinge vor dem Lageso wurde diese Woche nicht nur zur Zerreißprobe für Flüchtlinge und Helfer. Hier melden sich zwei Lageso-Personalräte zu Wort.

Am Donnerstag und Freitag rückten die Zustände, in dem hunderte Flüchtlinge vor dem Landesamt für Gesundheit (Lageso) in Moabit auf ihre Erstaufnahme warteten, in den Fokus der medialen und zivilgesellschaftlichen Öffentlichkeit. Das Lageso selbst geriet ins Zentrum der Kritik, weil Anträge nicht schnell genug bearbeitet würden und den Flüchtlingen keine Hilfestellung in Form von einer ausreichenden Wasserversorgung sowie Nahrungsmitteln oder Schlafplätzen gewährleistet wurde.

Am Samstag erfuhr der Tagesspiegel dann von einem Einsatzkoordinator des Malteser Hilfsdienstes: Auch die Lageso-Mitarbeiter litten unter der Situation, man habe mehrere erschöpfte Mitarbeiter betreuen müssen, die angesichts der enormen Arbeitslast und der hohen psychologischen Belastung zusammengebrochen waren.

Zur generellen Lage im Lageso erreichte uns ein Leserbrief. Die Absender: Vertreter des Personalrates der Behörde. Sie fühlten sich allein gelassen, von der Politik und von den Medien. Lesen Sie hier, was das Lageso-Personal zu den Zuständen am eigenen Arbeitsplatz zu sagen hat:

Leserbrief: Zur Berichterstattung zur Unterbringung von Flüchtlingen

"Die offenbaren oder auch scheinbaren Mängel bei der Unterbringung von Flüchtlingen durch das Landesamt für Gesundheit und Soziales (Lageso) muss Fragen aufwerfen: Ist hier ein Hort geballter Inkompetenz, regiert das organisierte Chaos?

Diese mediale Begleitung – flankiert von Kritik aus dem politischen Raum – hat mittlerweile KollegInnen aller Arbeitsbereiche des Lageso zu einer Grundstimmung kommen lassen, dass ihre tägliche Arbeit dadurch entwertet, abschätzig angesehen wird. Und nicht nur die MitarbeiterInnen der Arbeitsgruppen im Asylbereich empfinden wegen der bekannten Personalsituation in den Jahren seit 2011 diese Berichterstattung als Skandalisierung.

Was waren die Rahmenbedingungen? Über die zurückliegende Kürzungspolitik im Personalbereich von mehreren Landesregierungen ist bereits mehrfach berichtet worden. Beim Lageso betrug die „Einsparquote“ bis 2008 bis zu 20 Prozent! Als in den Jahren 2010 bis 2013 die Zahl der Asylbewerber langsam, aber stetig stieg, der Personalschlüssel aus den Fugen geriet, wir als Beschäftigtenvertretung Signalraketen in Richtung der politischen Ebene und der Medien in Form von offenen Briefen und Gefährdungsanzeigen schossen (Sommer 2013), war die Reaktion trotz Lampedusa überschaubar.

Die notwendige Priorisierung, sowohl in den Leistungsbereichen wie auch in der Berliner Unterbringungsleitstelle (BUL), führte zu einer Besinnung auf die absolut notwendigen Leistungen des Asylbewerberleistungsgesetzes. In der BUL waren unsere KollegInnen vor die Wahl gestellt, streng nach Vorschrift zu handeln oder die Menschen in den Mittelpunkt zu stellen und Obdachlosigkeit zu verhindern. In den Medien und der Politik wird so etwas gerne als „unbürokratische Hilfe“ von Verwaltungen gefordert.

Mitarbeiter und Führungskräfte "dem Personalmangel unterworfen"

Das berechtigte und wünschenswerte Interesse an der korrekten Verwendung von Steuergeldern inklusive der Nachvollziehbarkeit von Verwaltungshandeln ist das eine. Die Ausstattung mit dem dazu erforderlichen Personal und entsprechenden Räumlichkeiten für die Organisation der Unterbringung und Versorgung von Asylsuchenden ist das andere.

Der Lageso-Personalrat wird nicht hinnehmen, dass die vielfältigen gesamtstädtischen Aufgaben, und hier speziell unser Asylbereich, weiterhin pauschal schlechtgeredet werden. Auch die festzustellenden Personalisierungen und Vorverurteilungen in der Berichterstattung über das Lageso werden von uns mehr als kritisch gesehen. Auch Führungskräfte waren dem gleichen Zeitdruck, den gleichen organisatorischen Mängeln und dem Personalmangel unterworfen wie ihre MitarbeiterInnen.

Die sensible Frage der Behandlung in der Aufnahme von asylsuchenden Zuwanderern eignet sich nicht für den offenbar begonnenen Wahlkampf in Berlin. Schon gar nicht vor dem Hintergrund der derzeitigen Situation, die von Zwölfstundentagen unserer KollegInnen, zu Hunderten vor dem Dienstgebäude campierenden Flüchtlingen, mangelnden Unterbringungsmöglichkeiten und Beratungsgesprächen im Akkord geprägt sind.

Es stünde den politisch Verantwortlichen, aber auch den Medien gut zu Gesicht, den Generalverdacht schlampiger Arbeitsergebnisse von Lageso-Mitarbeitern zu nehmen, sie in ihren Aufgaben zu unterstützen und vor allem die Arbeitsbedingungen weiter zu verbessern."

Der Brief wurde unterzeichnet von Astrid Weigert und Wolf Kopp, für den Personalrat des Landesamt für Gesundheit und Soziales, Berlin.

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