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Zu Hunderten haben die Menschen, offenbar teils wochenlang, vor dem Lageso in Berlin-Moabit ausgeharrt.
© AFP/Tobias Schwarz
Update

Lageso-Flüchtlinge in Karlshorst und Moabit untergebracht: "In Aleppo kann man sich nur umbringen lassen oder fliehen"

150 Flüchtlinge kommen in Karlshorst unter, 50 in einer Moschee in Moabit, die restlichen in der Traglufthalle. Sie alle sind erschöpft, die Hilfe reißt nicht ab.

Nach dem unermüdlichen Einsatz der freiwilligen Helfer vor dem Landesamt für Gesundheit und Soziales (Lageso) in Berlin-Moabit und der Krisensitzung der Fraktionen im Abgeordnetenhaus sind am Freitagabend fast alle vor dem Lageso campierenden Flüchtlinge in Unterkünfte gebracht worden. Wie die Sprecherin des Hilfsvereins "Moabit hilft", Diana Henniges, dem Tagesspiegel bestätigte, wurden die Menschen zum großen Teil mit Bussen der BVG in eine Flüchtlingsunterkunft an der Köpenicker Straße gebracht. In Karlshorst war erst diese Woche über die Errichtung einer neuen Unterkunft diskutiert worden.

Henniges schätzt, dass am Freitagabend noch rund 250 Flüchtlinge auf dem Gelände vor dem Lageso waren. Gegen 20.30 Uhr begann die Evakuierung des Platzes vor dem Amt. 150 Geflüchtete sollen Henniges zufolge dauerhaft in der Unterkunft in der Köpenicker Straße bleiben. Die anderen wurden für das Wochenende vorübergehend im "Haus der Weisheit" in der Rathenower Straße sowie in der Traglufthalle an der Kruppstraße untergebracht.

Die Sprecherin berichtete, sie sei gegen 23 Uhr darüber informiert worden, dass drei bis vier junge Männer auf den Wellenbrechern vor dem Eingang zum Lageso schliefen. Sie vermutete, dass sie am Montagmorgen als erste wieder in der Schlange stehen möchten. Vereinzelte Menschen hätten sich dem Vernehmen nach wissentlich auf dem Gelände versteckt, um nicht wieder anreisen zu müssen.

"Wir wollen den Flüchtlingen und Berlin helfen"

Die Moscheegemeinde "Haus der Weisheit" ist bereits seit 1995 in Moabit ansässig. Gemeinsam mit dem Bildungsverein "Freunde der Jugend und Familie e. V." hat sie - direkt zwischen Lageso und Traglufthalle gelegen - in der Vergangenheit immer mal wieder einzelne Flüchtlinge übers Wochenende aufgenommen. Viele Mitglieder sprechen auch Arabisch und können sich daher mit den Flüchtlingen verständigen. Wie der Vorsitzende des Moscheevereins, Abdallah Hajjir, dem Tagesspiegel sagte, fragten Stadtmission und Polizei nach Räumung des Lageso-Geländes am Freitagabend an, ob man 50 bis 100 Flüchtlinge aufnehmen könne. Zwischen 22 Uhr und Mitternacht kamen dann etwa 50 Leute in dem Zentrum an.

Das Technische Hilfswerk (THW) hatte für die Flüchtlinge in zwölf Räumen bereits Betten aufgestellt. Es gibt Duschräume und Küchen, die Berliner Tafel soll nun auch Essen liefern. Die provisorische Einrichtung wird, so wie in den letzten Tagen die Helfer vor dem Lageso, weiterhin von Anwohnern unterstützt. Den ganzen Sonnabend über kamen Menschen vorbei und brachten Wasser, Shampoo und Hygieneartikel für die Geflüchteten. Sie boten Unterstützung beim Kochen oder Frühstückmachen an.

"Wir wollen den Menschen und Berlin und dem Bezirk helfen und nicht nur herumstehen und kritisieren. Diese Haltung wollen wir auch den Flüchtlingen vermitteln", erklärte Hajjir dem Tagesspiegel. Auch die Flüchtlinge müssen mitanpacken und zum Beispiel saubermachen.

Ein 30-jähriger syrischer Familienvater aus Aleppo erzählt dem Tagesspiegel, er habe am Freitag am Lageso zwar noch eine Wartenummer gezogen, sei aber nicht mehr dran gekommen. Jetzt ist er mit Frau und zwei kleinen Kindern, drei und fünf Jahre alt, im "Haus der Weisheit" untergekommen und freut sich, dass seine Familie dort ein richtiges Bett habe und in Ruhe schlafen könne. Seit sechs Wochen sei er unterwegs, denn in der seit Jahren umkämpften syrischen Stadt Aleppo habe man nur zwei Alternativen: sich umbringen lassen oder fliehen.

Trotz ziviler Hilfe: "Der Senat muss handeln"

Auch in Karlshorst haben die ersten Flüchtlinge am Sonnabend die neue Flüchtlingsunterkunft in Karlshorst bezogen. Sie wird vom Deutschen Roten Kreuz betrieben. Die Wohltätigkeitsorganisation Caritas hatte am Freitag in kürzester Zeit alternative Unterbringungsmöglichkeiten für die Menschen vor dem Lageso organisiert. Sie hatten bei großer Hitze teils wochenlang ausgeharrt. In den vergangenen Tagen war auf Initiative von "Moabit hilft" eine Solidaritätswelle für die Flüchtlinge angerollt. Hunderte Berliner versorgten sie mit Wasser, Kleidung und Lebensmitteln. Caritas und Malteser Hilfsdienst kamen ab Donnerstagabend dazu, um die unzähligen Sachspenden und Hilfsangebote zu koordinieren.

Das zivilgesellschaftliche Engagement sei wichtig, betonte Matthias Nowak, Einsatzkoordinator der Malteser am Lageso, im Interview mit dem Tagesspiegel. Doch jetzt sei vor allem die Politik gefragt: "Es muss endlich massive Unterstützung von Seiten des Landes geben und mehr Anstrengungen gemacht werden, damit die Menschen nicht mehr in Zelten sondern in menschenwürdigen Unterbringungen schlafen können."

Nach einer Krisensitzung im Berliner Abgeordnetenhaus, die der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) am Freitag einberufen hatte, erklärte Sozialstaatssekretär Dirk Gerstle, die Flüchtlinge auf dem Gelände der Zentralen Erstaufnahmestelle hätten bereits am Donnerstag 2000 Liter, am Freitag 3500 Liter Wasser erhalten. Müller selbst gab im Gespräch mit dem Tagesspiegel an, man werde alles dafür tun, um die Situation in den Griff zu bekommen. Ihm sei es wichtig gewesen, mit dem Treffen noch in der parlamentarischen Sommerpause alle Fraktionen ausführlich zu informieren.

Zuwanderung vom Balkan soll erschwert werden

Unterdessen kündigte der Chef des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, Manfred Schmidt, an, die Verfahren von Asylbewerbern aus Staaten mit geringer Anerkennungsquote radikal verkürzen zu wollen. Eventuell müsse man auch Leistungen für Asylbewerber aus Staaten des Westbalkans reduzieren, sagte der Behördenchef der Deutschen Presse-Agentur laut einer Meldung von Sonnabend. Zudem brauche es mehr Öffentlichkeitsarbeit in den Herkunftsländern.

Es gehe darum, die Anreize, nach Deutschland zu kommen, zu reduzieren. "Da müssen wir uns über alles Gedanken machen und dürfen keinen Punkt ausblenden", sagte Schmidt. Vor allem die vielen Asylanträge aus Staaten mit geringer Schutzquote - allen voran vom Westbalkan - hinderten das Amt an einer schnelleren Arbeit. (mit dpa)

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