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Nelson Mandela war mehr als ein Politiker. Der Freiheitskämpfer war Gründer und Sinnstifter einer ganzen Nation.
© AFP

Südafrika nach dem Tod seines Nationalhelden: Nelson Mandelas bedrohtes Erbe

Nach dem Tod von Nelson Mandela steht Südafrika mehr denn je vor einer ungewissen Zukunft. Das Land verliert sein wichtigstes Symbol für die Einheit. Vielleicht kann die Trauer über Mandelas Tod das zerrissene Land ein letztes Mal zusammenführen. Ein Kommentar.

Mit dem Tod von Nelson Mandela verliert Südafrika eine historische Ausnahmegestalt, wie sie nur wenigen Ländern vergönnt ist. Für sein Heimatland war der Freiheitskämpfer das, was Mahatma Gandhi für Indien oder George Washington für die USA waren: Gründer und Sinnstifter einer ganzen Nation. Entsprechend groß ist die Trauer am Kap und weltweit, so sehr man zuletzt auch mit seinem Tod rechnen musste. Südafrika verliert sein wichtigstes Symbol für die Einheit des Landes – und die Welt ein Symbol für Frieden und Versöhnung.

Mandelas größtes Verdienst war es, nach fast 10 000 Tagen Gefangenschaft keinen Gedanken an Rache zu verschwenden. „Wer Hass in sich spürt, der kann nicht wirklich frei sein“, sagte der Mann, der mit der weißen Minderheit einen historischen Kompromiss schloss. Als Gegenleistung für die Preisgabe der Macht versprach Mandela seinen einstigen Peinigern, Südafrika mit ihnen zu teilen.

Mandela setzte Maßstäbe für einen ganzen Kontinent

Zusammen mit seinem oft vergessenen Kontrahenten Frederik Willem de Klerk, dem letzten weißen Präsidenten Südafrikas, ist Mandela Beweis dafür, dass Geschichte oft von Individuen geschrieben wird. Dass Südafrika nicht, wie in den dunklen Tagen der Apartheid oft prophezeit, in einem blutigen Rassenkrieg versank, verdankt das Land mehr als alles andere dem Mut und der Weitsicht dieser beiden Männer. Im Unterschied zu fast allen anderen afrikanischen Gründervätern trat Mandela nach nur einer Amtszeit zurück – und setzte auch damit Maßstäbe für einen Kontinent, in dem Potentaten oft im Amt sterben.

Gleichzeitig gelang es Mandela wie keinem anderen vor ihm, eine Brücke von der traditionellen, afrikanischen Welt seiner Kindheit in die Moderne zu schlagen. Genau dies macht ihn auch zu einer Person, in die sich alles hineinlesen lässt. Im Westen wird Mandela wegen seines Eintretens für den Rechtsstaat und die Minderheiten als ein moderner, liberaler Demokrat verehrt. Für seinen Afrikanischen Nationalkongress (ANC) ist er hingegen vor allem ein Kämpfer für die Gleichheit aller Menschen.

In die Trauer über seinen Tod mischen sich Sorgen um die Zukunft des Landes. Denn längst ist klar geworden, dass selbst Mandela kein politischer Wunderheiler war. Zwei Jahrzehnte nach dem Ende der Apartheid zeigt die vermeintliche Regenbogennation am Kap politisch wie wirtschaftlich tiefe Risse. Verantwortlich ist die noch immer tiefe Kluft zwischen Arm und Reich, die unter Mandelas ANC in den vergangenen Jahren kaum geringer geworden ist. Während einige wenige Schwarze mit guten Beziehungen zur Regierung märchenhaft reich geworden sind, geht es der breiten Masse heute nicht viel besser als zum Ende der Apartheid. Mehr als 50 Prozent der Schwarzen unter 25 Jahren haben keinen Job.

Eine zerrissene Nation

Südafrika zahlt nun den Preis dafür, dass Mandelas Nachfolger dessen Versöhnungspolitik schnell aufgegeben und die Pflege der jungen demokratischen Institutionen sträflich vernachlässigt haben. Immer stärker bricht sich ein aggressiver schwarzer Nationalismus Bahn, der die weiße Minderheit als Hindernis in seinem Hegemoniestreben betrachtet und nun eine Apartheid mit umgekehrtem Vorzeichen praktiziert.

Vielleicht kann Mandelas Tod die zerrissene Nation in ihrer Trauer ein letztes Mal zusammenführen – um das zu verteidigen, wofür er ein Leben lang kämpfte. Er selbst kann seinem Land nicht mehr zu Hilfe eilen. Doch sein Vorbild kann weiter als Ansporn und Leitfaden dienen.

Wolfgang Drechsler

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