Porträt Albrecht Müller: Lafontaine-Freund wirft Gysi "mangelnde Solidarität" vor
Der Publizist Albrecht Müller arbeitete früher für Willy Brandt und Helmut Schmidt. Mit der heutigen SPD hat er fast nichts mehr am Hut. Mit Oskar Lafontaine versteht er sich gut - aber noch lange nicht mit Gregor Gysi.
Sie sind dicke Kumpels, Albrecht Müller und Oskar Lafontaine. Am 12. November 2009 ließ es sich der damalige Linken-Chef nicht nehmen, für seinen Freund Müller, einen an der SPD verzweifelten Sozialdemokraten, dessen neues Buch „Meinungsmache“ vorzustellen. Obwohl ihm, nicht aber der Öffentlichkeit bekannt war, dass er an Krebs erkrankt ist. Beide saßen damals auf einem Podium in der Berliner Kulturbrauerei und spielten sich die Bälle zu. Müller sagte, Lafontaines Botschaften würden mit „vielfältiger und massiver Agitation“ verdreht. Und Lafontaine sagte, die SPD habe „viel Scheiße“ gebaut.
Man muss das wissen, wenn man in diesen Tagen nach der Wahl die Einträge Müllers auf den „Nachdenkseiten“ liest, einem von ihm gegründeten Online-Portal mit angeblich 60 000 Besucher täglich. Müller war früher Planungschef der SPD-Bundeskanzler Willy Brandt und Helmut Schmidt. Jetzt seien seine „Nachdenkseiten“ „eine Fundgrube für alle, die noch immer der Ansicht sind, dass ihr Kopf auch andere Meinungen aushält“, schrieb kürzlich Josef-Otto Freudenreich in der Wochenzeitung „Kontext“. Müller sei zwar noch in der SPD, aber nur „als Stachel in ihrem welken Fleisch“.
Müllers „andere Meinungen“ muss derweil gerade vornehmlich einer aushalten: Gregor Gysi, Spitzenkandidat der Linken bei der Wahl – und, da ist wohl nichts mehr zu kitten, Kontrahent des ehemaligen Vorsitzenden Lafontaine. Am Tag nach der Wahl schrieb Müller, die Konzentration der Linken im Wahlkampf auf Gysi „hat ihm seelisch sicher gut getan“. Von wahlstrategischer Relevanz dürfe eine solche „therapeutische Erwägung“ allerdings nicht sein. Tags darauf legte der Publizist nach, warf dem Fraktionschef „Feindseligkeit“ gegenüber Lafontaine vor und behauptete „mangelnde Solidarität und Einsicht des Pragmatikers Gysi“.
Müller schreibt vermutlich nicht eins zu eins, was Lafontaine denkt. Aber er argumentiert meist in seinem Sinne. Typisch Lafontaine: Wenn es heiß wird, lässt er andere die Kohlen aus dem Feuer holen. So war es im Januar 2010, als Gysi den Linken-Parteimanager Dietmar Bartsch im Auftrag von Lafontaine entmachten musste. Gysi reagierte bisher nicht auf Müllers Vorwürfe. Grundsätzlich erklärte er am Dienstag seiner Fraktion, die Partei habe nach 2009 „große Fehler“ begangen, die dürften jetzt nicht wiederholt werden. „Wir brauchen uns alle. Und wir brauchen jetzt keine Kämpfe zwischen uns.“