zum Hauptinhalt
"Pegida"-Demonstration am Montagabend in Dresden
© Robert Michael/AFP

Grünen-Politiker zu "Pegida": "Dresden als borniertes und engherziges Provinznest"

25.000 Leute demonstrierten am Montag in Dresden für "Pegida" - mehr als je zuvor. Der Grünen-Politiker Johannes Lichdi kritisiert eine Dominanz von "Pegidisten-Verstehern" in der Stadt. Ein Gastkommentar.

Seit drei Monaten demonstrieren Pegidisten in Dresden - und es steht fest, dass es in unserer Stadt eine rechtspopulistische Massenbewegung gibt. Und zwar nur in Dresden, nicht in Leipzig oder Chemnitz, und schon gar nicht in den Großstädten Westdeutschlands. Sie zeigen Dresden, das so gerne eine europäische Kulturmetropole wäre, als borniertes und engherziges Provinznest.
Pegida ist eine rechtspopulistische Sammelbewegung des angstbesetzten Egoismus. Menschen laufen mit, die meinen schon immer schlecht behandelt worden und zu kurz gekommen zu sein. "Pegida" behauptet, "patriotisch", ja "europäisch" zu sein und das "Abendland" zu vertreten - und hat doch keine Ahnung von den Werten der Aufklärung oder den Menschenrechten. Sie behaupten das "christlich-jüdische" Erbe zu verteidigen, und fühlen sich der Gastfreundschaft und Nächstenliebe nicht verpflichtet. Sie wenden sich gegen "Islamisierung" und meinen nur: Wir wollen keine Türken, Araber oder Schwarze. Im Namen des "Volkes" verachten sie die Institutionen der demokratischen Gesellschaft wie Parlamente, Parteien oder Presse.

Unter der schwarz-rot-goldenen Flagge des demokratischen Deutschlands und mit den Symbolen der friedlichen Revolution bewaffnet wollen sie doch nur in ihrer vorgestellten heilen Welt einer deutschen Volksgemeinschaft in Ruhe gelassen werden. Sie wenden sich empört gegen den "Nazi"-Vorwurf, huldigen aber rassistischen Vorurteilen.

Johannes Lichdi (50) ist Stadtrat der Grünen in Dresden
Johannes Lichdi (50) ist Stadtrat der Grünen in Dresden
© Sebastian Kahnert/dpa

Manche Plakate zeigen eine ungeschützte moralische Verrohung ohnegleichen. Die hilflose Sehnsucht nach einer nie vorhandenen Vergangenheit wird wieder einmal zur aggressiven Zukunftsvision.

Eigentlich haben die Pegidisten die Entwicklung ihrer "Heimat" im vereinigten Deutschland seit 1989 nie verstanden oder akzeptiert: 1990 wollten sie Westwaren, Reisefreiheit und die nationale Einheit. Weil ihnen der Beitritt die Verwirrungen offener Gesellschaften eingebrockt hat, in der die vorgesetzten Autoritäten zerfallen sind und jeder seinen eigenen Weg suchen muss, fühlen sie sich belogen und betrogen. Alles "undeutsche", was in ihre heile Welt nicht passt, wird zur Ursache ihres eingebildeten Elends.

Warum gerade Dresden?

Aber warum gerade Dresden? Eben das Dresden, dass jahrelang dem größten Naziaufmarsch Europas zusah? Das Dresden, dass lieber eine Brücke baute, als Welterbe zu bleiben? Und auch das Dresden, in dem eine Staatsanwaltschaft Videos manipuliert, um politisch erwünschte Verurteilungen hinzubiegen? Vielleicht findet die rechtspopulistische Massenbewegung gerade in Dresden ihren Ort, weil die sächsische Landeshauptstadt schon immer die notwendige Klarheit gescheut hat. Die Oberbürgermeisterin und der Ministerpräsident haben die Pegidisten zur Großdemonstration am vergangenen Samstag ja ausdrücklich eingeladen. Pegidisten-Versteher beherrschen rundum das mediale Feld.

Protest gegen "Pegida" am Montagabend in Dresden
Protest gegen "Pegida" am Montagabend in Dresden
© Oliver Killig/dpa

Sie sorgen sich mehr über eine Ausgrenzung der Pegidisten als deren Angriff auf die weltoffene demokratische Gesellschaft oder gar das Schicksal der Flüchtlinge in Dresden. Sie stehen in der Tradition einer autoritären und fremdenfeindlichen gesellschaftlichen Stimmungslage, auf die die CDU seit 1990 ihre Herrschaft baut.

Zu viel Verständnis und zu wenig Klarheit

Zuviel Verständnis und zuwenig Klarheit! Pegida ist eine geschichtsvergessene Bewegung, die sich gegen das weltzugewandte, hilfsbereite, sympathische Deutschland richtet. Sie greift den zivilisatorischen Kern unserer Gesellschaft an. Das müssen wir verstehen und danach handeln.
Noch nie waren die Gegendemonstrationen der Bündnisse "Dresden nazifrei" und "Dresden für alle" so regelmäßig und groß. Sie zeigen ein besseres Dresden und machen Mut. Die Mobilisierung wächst zum Glück, aber sie wird angesichts der Pegidamassen in- und außerhalb Dresdens nicht wahrgenommen. Sie wird nur weiter wachsen können, wenn alle Demokratinnen und Demokraten verstehen, was die Stunde geschlagen hat. Es geht um nichts weniger als das humane und demokratische Gleichgewicht unserer Gesellschaft.

Der Autor (50) ist Stadtrat der Grünen in Dresden. Von 2004 bis 2014 saß er für seine Partei im sächsischen Landtag.

Johannes Lichdi

Zur Startseite