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Reinemachen in Dresden nach "Pegida"-Demonstration - auch das ist eine kreative Form des Protests
© Robert Michael/AFP

Satire-Account auf Twitter: Spotten über "Pegida"

Sich auf 140 Zeichen gegen Islamhasser lustig machen - gar nicht so einfach. Ein Politikwissenschaftler aus Frankfurt am Main schafft es mit dem Twitter-Account @Pegida_.

Bastian Biedermann (Name geändert) sieht in "Pegida" eine ernste Herausforderung - für ihn als Satiriker. Die islamfeindliche Bewegung mit all ihren Parolen sei doch "Realsatire", sagt der Politikwissenschaftler aus Frankfurt am Main, der gerade an der Goethe-Universität in Soziologie promoviert. "Da muss man nur wenig überspitzen". Gesagt, getan: Vor drei Wochen, kurz vor Weihnachten also, startete Biedermann im Kurznachrichtendienst Twitter den Satire-Account @Pegida_. Der erste Tweet: "Wahrheit ist austauschbar, darum: Pegida".

Diese erste Kurzbotschaft war noch ein wenig um die Ecke gedacht. Aber Biedermann kam mit seinem Account ziemlich rasch in Fahrt. Der vierte, noch am selben 22. Dezember verschickte, Tweet war schon besser: ",Wir brauchen für die Volksküche mehr Kartoffeln! Wer kann aushelfen?' ,Moment, Kartoffeln kommen aus Südamerika.' ,Dann gibt es Grütze!'"

Es war der Montag, an dem in Dresden 17.500 Menschen für "Pegida" auf die Straße gingen, die bis dahin höchste Teilnehmerzahl. Biedermann, der seine Brötchen als Fernsehjournalist beim Hessischen Rundfunk verdient und sich seit eineinhalb Jahren in der Linkspartei engagiert, startete @Pegida_ aus dem nichts. Helfer hat er nicht. Aber schon binnen zwei Tagen konnte der neue Account den 1000. Follower verzeichnen, inzwischen sind es mehr als 2400. "Ich glaube, dass es ein Bedürfnis gibt, sich über ,Pegida' lustig zu machen", sagt der Hesse.

Wie kommt man auf so eine Idee? Bei Biedermann war es nicht der besondere Bezug zu Dresden - die Stadt hat er überhaupt erst vor zwei oder drei Jahren das erste Mal besucht. "Ganz schön" fand er die Stadt und hatte das Gefühl, mit seiner Twitter-Satire schneller etwas bewegen zu können, zudem kreativ zu sein - und manchmal so sogar effektiver Stimmung machen zu können als beispielsweise mit der Teilnahme an einer Anti-"Pegida"-Demonstration oder mit oft mühseliger politischer Arbeit zum Beispiel in einer Partei.

Und wie kommt Biedermann auf die Ideen für seine nun schon mehr als 200 Tweets zum Thema? "Zum Beispiel beim Schmieren eines Butterbrotes oder beim Zähneputzen", sagt der Twitter-Aktivist. Manchmal lässt er seine Idee dann noch einmal einen Tag ruhen. "Wenn man sich ganz doll anstrengt, klappt's natürlich nicht", sagt er. Das Gute beim Twittern nach seiner Erfahrung: "Wenn etwas nicht so funktioniert, geht es auch schnell unter."

Sein Lieblingstweet? Biedermann nennt seinen aktuell am Wochenende verschickten und auf seiner Seite gepinnten Tweet: "Ein Ausländer mit dem Namen Orkan hat gestern in ganz Deutschland für Schäden gesorgt. Wir fordern eine totale Überwachung des Wetters!"

Seinen richtigen Namen möchte er im Zusammenhang mit seiner satirischen Aktivitäten auf Twitter nicht nennen. Er hat das auch nicht getan bei einem schon früher gestarteten Account @derzitator. Dort gilt das Motto: "Dichter und Denkste! Was noch nie gesagt wurde, aber dringend mal ausgesprochen werden muss.". Die Sache lief nicht ganz so gut, jetzt lässt sie sich ab und an mit #nopegida-Aktivitäten verknüpfen. Kürzlich twitterte Zitator: ",Wenn ich jetzt für jeden #Pegida-Anhänger eine Rute brauche, muss ich leider den ganzen Schwarzwald abholzen.' - Der Nikolaus".

Natürlich ist Biedermann längst nicht der einzige, der sich auf Twitter lustig macht über "Pegida". Es gibt zum Beispiel die österreichischen Kabarettisten Gebrüder Moped, die immer wieder die Islamfeinde auf's Korn nehmen. Die twitterten vor ein paar Tagen: "#Pegida ist derart dämlich, dass man sich richtig wundern muss, dass das nicht aus Österreich kommt."

Wenn er etwas witzig findet, teilt Biedermann es gern auf seinem Account.

Gefallen hat ihm zum Beispiel, was @DerWahreErich, der nicht der echte Erich Honecker ist, zu "Pegida" twittert. Beispielsweise: "Genossen, ich glaube, ich wurde islamisiert: Beim Frühstück hab ich mich mehrmals gen Mokka gebeugt!"

Und natürlich machte Biedermann auch mit bei #Schneegida, der Aktion, die sich an rund um die Weihnachtsfeiertage mit tausenden von Tweets zur Massen-Satirebewegung entwickelte. Einer der Tweets: "Daher sind wir gegen die Islandisierung deutscher Städte. Sonst sieht das hier bald wie in Reykjavík aus. #schneegida".

Verwechslungen mit den Islamhassern von "Pegida"? Gab es durchaus ab und an, schildert der Aktivist. Einer schrieb ihm mal, dass alles stimme, was er so twittere. Aber man solle es etwas anders ausdrücken. Dann und wann kam es vor, dass Leute, die sich die Tweets nicht genau angeschaut hatten, polterten: "Ihr Vollidioten". Umgekehrt spendeten in manchen Kommentaren Nutzer "Pegida" Beifall und lobten deren Gedankengut.

Nicht auf den Spott von @Pegida_ ging die hessische CDU-Bundestagsabgeordnete Erika Steinbach vom rechten Flügel ihrer Partei ein. Sie wurde von Biedermann via Twitter eingeladen, sich an der nächsten "Pegida"-Demonstration zu beteiligen: "Liebe Erika, wir haben auf der nächsten Demo noch einen Platz frei, komm doch vorbei. Wir marschieren auch Richtung Polen. @SteinbachErika". Die Politikerin, die selbst regelmäßig twittert, gab dazu keinen Kommentar.

Matthias Meisner

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