Demonstrationen in Deutschland: "Nopegida" schlägt "Pegida" - nur nicht in Dresden
In mehreren deutschen Städten hat "Pegida" am Montag erneut demonstriert. In Dresden erreichte die Teilnehmerzahl einen Höchststand. In Leipzig, München und Düsseldorf waren die Gegendemonstranten deutlich in der Überzahl.
Vielleicht musste erst der „Pegida“-Ableger „Legida“ nach Leipzig kommen. Denn am Montagabend konnten die Sachsen in der Messestadt zeigen, wie erfolgreiche Gegenwehr gegen die islamfeindliche Bewegung geht.
25.000 „Pegida“-Anhänger in Dresden
Es ist der zwölfte montägliche Spaziergang von „Pegida“ in Dresden – und die Stimmung knapp eine Woche nach dem Anschlag auf „Charlie Hebdo“ scheint aufgeheizter als in den Vorwochen. Und das, obwohl Protest-Organisator Lutz Bachmann diesmal, angeblich aus Respekt vor den Toten in Paris, dazu aufruft: „keine Parolen, keine Schreiereien“. Das klappt nur eine Weile. Immer wieder ertönen Sprechchöre, nicht nur „Wir sind das Volk“, sondern auch „Lügenpresse“. Obwohl Bachmann verlangt hat: „Nein, Ruhe, heute nicht.“ Diese Zuspitzung gibt es vor allem, wenn sich Gegendemonstranten in den Weg stellen oder versuchen, mit einer Sitzblockade den Demonstrationszug aufzuhalten. Kleine Gruppen sind das meist nur, jeweils ein paar Dutzend. „Nopegida“ bleibt in der Minderzahl. Die Staatsregierung Sachsen und die Stadt Dresden hatten den Protest zunächst dem „Bündnis Dresden nazifrei“ allein überlassen – und sich erst vergangene Woche kurzfristig entschieden, ein klares Zeichen für die Weltoffenheit von Land und Stadt zu setzen. Bei der Großkundgebung am Samstag beteiligten sich dann 35.000 Menschen. Die CDU im Freistaat – namentlich auch Ministerpräsident Stanislaw Tillich – legte Wert darauf, dass diese Versammlung nicht als Anti-„Pegida“-Versammlung verstanden wird – obwohl viele Teilnehmer genau das wollten. Am Montagabend, während „Pegida“ durch Dresden marschiert, twitterte das sächsische Innenministerium „Erfolgsmeldungen“: „Abschiebungen in 2014 aus Sachsen 977 Personen“.
Am Montagabend beteiligen sich laut Polizei mehr als 25.000 Menschen an der „Pegida“-Demonstration – das ist ein neuer Höchststand. Zuletzt hatten sich am Montag vergangener Woche 18 000 Menschen in Dresden angeschlossen. Ihnen stehen diesmal nur etwas mehr als 3000 Gegendemonstranten gegenüber. Die „Pegida“-Anhänger – überwiegend Männer in jungem und mittlerem Alter – kommen diesmal nicht nur aus Dresden, sondern sind extra angereist. Neben Deutschlandfahnen und Fahnen Sachsens sind auch solche aus Brandenburg und Thüringen häufig zu sehen. Andere schwenken russische oder französische Flaggen. „Je suis Charlie“ steht auf Transparenten. Andere halten offenbar professionell hergestellte Plakate „Lieber aufrecht zu „Pegida“ als auf Knien gegen Mekka“. „Pegida“ hat seine Anhänger aufgerufen, mit Trauerflor zu marschieren, im Gedenken an die Opfer des Anschlags auf „Charlie Hebdo“, nur ein kleinerer Teil hält sich daran. Die Kundgebungsreden von Organisator Bachmann und Kathrin Oertel konzentrieren sich auf den Vorwurf, „Pegida“ sei „Diffamierungen und Falschmeldungen ausgesetzt wie zu tiefsten DDR-Zeiten“. Völlig zu unrecht werde „Pegida“ auf eine Stufe mit Massenmördern und Attentätern gestellt. Nach der Kundgebung geht es dann für die „Pegida“-Gegner ans „Aufräumen“: Wie schon vergangene Woche ziehen sie mit Warnwesten und Besen vom Postplatz aus durch die Stadt.
30.000 gegen „Legida“-Marsch in Leipzig
Erstmals trat gestern Abend in Leipzig auch der „Pegida“-Ableger „Legida“ auf. Nach Schätzungen marschierten etwa 5700 Anhänger mit „Wir sind das Volk“-Sprechchören und DeutschlandFahnen durch das gespenstisch wirkende Wohngebiet Waldstraßenviertel – umringt von einer Phalanx von Gegnern in den Nebenstraßen. Leipzigs Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) sprach auf einer Kundgebung auf dem nahen Waldplatz von mehr als 30.000 Menschen, die sich gegen das islamfeindliche Bündnis stellten. Ihr Motto: „Willkommen in Leipzig – eine weltoffene Stadt der Vielfalt.“ Jung rief in die Menge: „Es kann nicht sein, dass sich einige auf ’89 beziehen – aber eine neue Mauer aufbauen und Menschen ausgrenzen wollen.“ Leipzig stehe für „Freiheit, Gleichheit, Geschwisterlichkeit". Vor der Legida-Kundgebung am Stadion des Fußball-Zweitligisten Rasenball Leipzig (Red Bull) gab es mehrfach Handgemenge zwischen der Antifa und „Legida“-Mitläufern. Die „Legida“-Gegner versuchten massiv, den Zugang zum Platz abzusperren. Die Polizei, die mehr als 1000 Beamte im Einsatz hatte, musste vereinzelt Reizgas einsetzen, um die Gruppen voneinander zu trennen. Das Stadion und die Sporthalle „Arena" waren verdunkelt, auch Anwohner des Viertels hatten ihrer Lichter ausgeschaltet und laute Musik aus ihren Wohnzimmerfenstern gespielt, darunter Beethovens Europahymne „Ode an die Freude“. Beim Friedengebet in der Nikolaikirche war das Gotteshaus mit mehr als 2500 Menschen völlig überfüllt, Prinzen-Sänger Sebastian Krumbiegel sang: „Kein Mensch ist illegal.“
Kein Verbot von Mohammed-Karikaturen
Auch der Schatten von Paris lag über der Stadt: „Legida“-Anhänger trugen ein Plakat mit der Aufschrift „Pegida = Charlie“. Ein Verbot des Rathauses, bei der „Legida“-Veranstaltung Mohammed-Karikaturen zu zeigen, wurde im Laufe des Montags indes wieder aufgehoben. „Die Meinungsfreiheit kann vor dem Hintergrund der Anschläge von Paris gar nicht hoch genug eingeordnet werden“, betonte Jung. Die Auflage sei zu weit gegangen.
„Legida“ formuliere „rechtsradikales Gedankengut“, das fast einem Grundsatzpapier der NPD gleichkomme – dies sei nicht der Wille der Leipziger, sagte Oberbürgermeister Jung. „Leipzig ist groß geworden, weil immer wieder Menschen zu uns gekommen sind“, sagte er. „Wer hier ist, gehört zu uns.“ Bewohner des angrenzenden Waldstraßenviertels löschten am Abend Lichter in ihren Wohnungen und spielten am offenen Fenster Beethovens Hymne „Ode an die Freude“. Auf Transparenten stand: „Das Boot ist toll“ und „W.A.G.I.N.A. – Wagenplätze gegen ignorante nationalistische Arschlöcher“.
Kleiner versprengter Haufen in Düsseldorf
Die Rheinfront ist plötzlich ungewöhnlich dunkel, wie auf ein Kommando hin gehen gegen 18.30 Uhr zahlreiche Lichter aus. Der Fernsehturm wird bis auf die roten Sicherheitslampen ganz abgeschaltet, das Rathaus ist ebenfalls völlig dunkel; genau so, wie es Oberbürgermeister Thomas Geisel in den Tagen zuvor angekündigt hatte. Er selbst wird sich wenig später auf der Gegendemonstration vor weit mehr als 5000 Menschen in Bahnhofsnähe darüber freuen, dass so viele gekommen sind, um den „Dügida“-Organisatoren die rote Karte zu zeigen: „Düsseldorf steht für Weltoffenheit und Toleranz.“ Gut 200 Meter entfernt von den vielen Gegendemonstranten treffen sich zu diesem Zeitpunkt kaum mehr als 100 „Dügida“-Anhänger, sie schwenken Deutschlandfahnen und skandieren: „Wir wollen keine Salafisten-Schweine“. Die „Dügida“-Organisatorin Melanie Dittmer hatte mit deutlich mehr Zuspruch gerechnet, sie blickt auf einen eher versprengten Haufen, bei dem vor allem die zahlreichen männlichen Glatzköpfe auffallen, die mehr als einmal ihren Hass herausschleudern.
1500 „Pegida“-Anhänger demonstrieren in München
Es sind dann für Münchner Verhältnisse doch unerwartet viele „Pegida“-Anhänger, die sich auf einem abgesperrten und von der Polizei gesicherten Teil des Sendlinger-Tor-Platzes versammelt haben. Geschätzt werden 1500 Demonstranten, die mit Deutschland- sowie Bayern-Fahnen gegen den Islam demonstrieren. Die Gegner haben an diesem Abend 20 000 Menschen mobilisiert. Sie demonstrieren am anderen Teil des Platzes unter dem Motto „München ist bunt“. Darunter ist erneut auch SPD-Oberbürgermeister Dieter Reiter, viele Musiker sind auf der Bühne. 20 000 gegenüber 1500 ist ein erdrückendes Verhältnis, und doch sagt eine Gegnerin: „Das ist erschreckend, wie viele das sind.“ Wurden doch eine Woche zuvor nur 40 „Pegida“-Anhänger gezählt. Die Stimmung ist aufgeheizt, Gegner pfeifen und rufen „Nazis raus“, „Pegida“-Anhänger halten Plakate hoch wie „Ihr rot-grünen Heimathasser“. 800 Polizisten trennen die Gruppen.