Euro-Krise: Die FDP gefährdet die Koalition
Die Liberalen wollen sich als Euro-Kritiker profilieren. Das könnte kurzfristig Stimmen bringen, gefährdet aber auch die schwarz-gelbe Koalition im Bund. Doch das muss für FDP und Union nicht das Schlechteste sein.
Dieser Genscher! Lange schon aus dem aktiven Geschäft, aber noch immer hört er das Gras wachsen. Nicht umsonst heißt er ja auch „der Mann mit den Ohren“. Aber Scherz beiseite, jetzt wird es ernst – in der Koalition, mit dem Euro. Hans-Dietrich Genscher hat gerade eben noch vor nationalistischen Alleingängen gewarnt, und schon passiert’s: in seiner Partei. Europa ist Staatsräson? Von wegen. Wenn es ums Geld geht, wenn, sarkastisch gesprochen, die Steuersenkung gefährdet ist, dann wollen die Freidemokraten doch lieber die Griechen endgültig absaufen lassen, wie es scheint. Und Genscher, jawohl, hat gewarnt.
Wer den Euro zuerst fallen lässt, den bestraft der Wähler. Könnte man denken. Man kann aber auch anders denken, so wie die FPÖ, die Stimmen um Stimmen von Europagegnern und Euroskeptikern sammelt. Bald wird deren Vorsitzender sogar Bundeskanzler in Österreich werden können. Nun, darum geht es bei der bundesdeutschen FDP gerade nicht, eher im Gegenteil ums schlichte Überleben im Bundestag bei der kommenden Wahl und als Partei insgesamt.
Aber immerhin ist das ja auch ein Wahlziel, das erst einmal erreicht werden will bei fast drei Prozent (fdP) in Umfragen derzeit. In Deutschland wird Euroskepsis Konjunktur haben, oder mindestens in dem Maß wachsen, in dem die Krise anhält. Es war nur eine Frage der Zeit, bis die FDP in ihrem Existenzkampf darauf verfallen würde. Sie hatte bis jetzt nur auf ihren Obereuropäer Genscher Rücksicht genommen. Aber in der Not wird noch manches fallen gelassen werden.
Lesen Sie auf Seite 2, warum ein Bruch der schwarz-gelben Koalition immer wahrscheinlicher scheint.
So wie, womit wir beim damit zusammenhängenden Thema sind, die Bundeskanzlerin demnächst die FDP fallen lassen könnte. Sie hat nämlich ohnehin schon ihre liebe Not mit den Freidemokraten, weil die sich erratisch verhalten, unprofessionell in der Regierung, unberechenbar. Jetzt aber, da sich Merkel nach langem Zögern durchgerungen hat, doch die Kohl-Nachfolge als Eurofighterin anzutreten, da sie keine Gelegenheit auslässt, ihre Partei auf die teuren Rettungsaktionen im Euroraum einzuschwören, da sie sogar fast pathetische Reden schwingt – genau in dem Moment will die FDP bei sich einen Mitgliederentscheid gegen diese Politik veranstalten. Genscher hatte das schon mal vorab als Flucht aus der Verantwortung gegeißelt. Merkel könnte das auch tun.
Ja, es könnte wirklich und wahrhaftig ernst werden, oder anders, die Kanzlerin könnte ernst machen, und dabei sogar noch etwas gewinnen: erstens Statur, zweitens Stimmen, drittens die nächste Wahl. Und der FDP würde es womöglich auch noch beim Überleben helfen – wenn sie aus der Regierung geworfen würde. Genau das. Reisende soll man nicht aufhalten, hat vor Jahrzehnten ein anderer Kanzler gesagt, Helmut Schmidt, den die allermeisten Deutschen gerne wiederhätten, und damals auch die FDP gemeint. Das passt jedenfalls als Bild. Die FDP tritt eine Reise in eine ganz andere Richtung als die Union an; wie sollen die beiden dann noch zusammenbleiben?
Für Angela Merkel könnte das die Wende sein. Besser wird es mit der FDP sowieso nicht mehr, besser wird es für ihre CDU nicht mehr, weder innerkoalitionär noch in der eigenen Beliebtheit, eher noch schlechter. Was heißt, dass die Bundeskanzlerin – Stand heute – 2013 abgewählt ist. Bei vorgezogenen Wahlen, die deshalb kämen, weil sie sich als eiserne Europäerin gezeigt hat, ginge dagegen noch was. Nur nicht mehr zusammen mit der FDP.
Stephan-Andreas Casdorff