Positionen: Europa muss endlich eine politische Macht werden
Vertrauen in unsere Währung zu schaffen, ist jetzt das Wichtigste. Wenn nicht jetzt, wann kann man dann auf die notwendige Einsicht in kraftvolle Entscheidungen rechnen?
Die Welt blickt auf die Begegnung Merkel/Sarkozy. Die Frage ist erlaubt, warum der polnische Ministerpräsident nicht dabei ist. Ist nicht Polen heute einer der Wachstumsmotoren in der EU und das als östliches – und größtes –Beitrittsland? Es gehört nicht zur Euro-Union – noch nicht, aber betroffen ist es schon.
Das Wichtigste ist jetzt, Vertrauen zu schaffen in unsere Währung. Wenn nicht jetzt, wann kann man dann auf die notwendige Einsicht in kraftvolle Entscheidungen rechnen? Ermüdend wird von den Kleinmütigen immer wieder aufgezählt, was alles nicht geschehen darf, aber wenig hört man von ihnen, wie die Krise überwunden und wie ihre Wiederholung vermieden werden kann.
Das aber verlangt durchzusetzen, was Wirtschaftsminister Rösler und Finanzminister Schäuble mit der Forderung nach Stabilität im Euro-Raum meinen. Nicht der Euro ist falsch, wie die europäischen Neonationalisten zu verstehen geben, sondern die staatliche Ausgabenpolitik in zahlreichen Ländern ist es. Nicht die Einführung des Euro war ein Fehler, sondern die Aufweichung der Stabilitätskriterien war es. Nicht nur die Zahlen waren falsch, die aus Athen nach Brüssel kamen, sondern falsch war es später, der EU die Möglichkeit zu verweigern, die Richtigkeit der Zahlen zu überprüfen. Regelverstöße – wenn sie vermieden werden sollen – verlangen Sanktionen, und dies automatisch. Aus eigener Erfahrung wissen wir, dass die Schuldenbremse das beste Mittel ist, der Verführung durch das süße Gift der Staatsverschuldung zu entgehen.
Deutschland hat nach der schrecklichsten Katastrophe seiner Geschichte – politisch, wirtschaftlich und vor allem moralisch – nach den dunklen zwölf Jahren die Kraft gefunden, für einen neuen Anfang mit kühnen Schritten aus der Not heraus, und das Seite an Seite mit Frankreich. Heute kann man hinzufügen, ohne die sowjetische Vorherrschaft wäre Polen von Anfang an mit dabei gewesen. Es ist unbestreitbar und keine Anmaßung, es ist vielmehr unserer Geschichte, unserer Größe und unserer zentralen Lage geschuldet: In Deutschland entschied sich, ob es ein handlungsfähiges westliches Bündnis gibt, ob der freie Teil Europas geeint wird, ob der Westen die Kraft findet zu einer neuen Politik gegenüber dem Osten, zur Entspannungspolitik, die es ohne die deutschen Ostverträge und unsere aktive Rolle in der KSZE nicht gegeben hätte. Und in Deutschland entschied sich in den 80er Jahren, ob es zu einem neuen atomaren Rüstungswettlauf kommt oder ob der Durchbruch zur nuklearen Abrüstung gelingt – mit dem Nato-Doppelbeschluss. Auch damals gab es immer Kleinmütige.
Als der Euro eingeführt wurde, gelang es den Euro-Gegnern mit Totschlagsargumenten wie „keine Wirtschaftsregierung in Brüssel“ die notwendige Koordinierung und Zusammenfassung der Wirtschafts-, Finanz- und Währungspolitik zu verhindern. Das muss jetzt nachgeholt werden.
Gleichzeitig muss die EU als globaler Akteur für globale Regeln auf den Finanzmärkten eintreten, um Transparenz zu schaffen und mit stabilen Rahmenbedingungen Missbrauchsmöglichkeiten zu verhindern. Hier liegt eine Bringschuld der großen westlichen Global Player EU und USA. Wir dürfen nicht zulassen, dass neben der Lähmung des amerikanischen Präsidenten durch die Tea-Party- Leute auch noch Europa durch deren europäische Gesinnungsgenossen an globaler Zukunftsgestaltung gehindert wird. Wir brauchen eine neue Weltordnung, die überall als gerecht empfunden werden kann. Niemand sollte Global Player wie Russland, China, Indien, Brasilien oder Japan unterschätzen oder Afrika vergessen.
Unser Land, als Mitglied der EU, ist jetzt gefordert. Da stehen alle in der Verantwortung. Das darf weder zur Stunde der Merkel-Mäkler noch der Verantwortungsflüchtlinge aus der Regierungsverantwortung werden. Der Blick zurück führt nie weiter. Die Opposition bietet Unterstützung an, das sollte man nicht zurückweisen. Die Verantwortung aber liegt zuerst bei der Regierung. Das ist die Stunde von Kanzlerin und Vizekanzler. Sie brauchen und sie verdienen die Unterstützung ihrer Parteien.
Der Autor war von 1974 bis 1992 Außenminister.
Hans-Dietrich Genscher
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