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Viele Autofahrer tanken aus Frust zu dem Preis, den ihnen das Spritpreislotto zulost, statistisch nämlich einen höheren als nötig.
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Spritpreise: Das Verwirrungstiften hat System

Kartellamt und Pendlerpauschale hin oder her: Die Ölkonzerne machen ja doch, was sie wollen. Nur ein transparentes Preissystem kann das Spritpreislotto an den Tankstellen beenden.

Sprit ist zu teuer, sagen die meisten. Der Sprit ist zu billig, sagen die Grünen. Und schon diskutiert die Politik über all die bekannten Stellschräubchen, an denen die Regierung – wenn sie sich denn einig wäre – drehen könnte, um den Preis zu beeinflussen. Es ist Ostern. Bürger wollen, müssen jetzt tanken. Wen interessiert da noch, dass etwa eine Anhebung der steuerlichen Pendlerpauschale um fünf oder zehn Cent mit dem nächsten Rekordpreis zur Sommerreisewelle wohl wieder verpufft wäre?

Frau Shell und Herrn Aral ist herzlich egal, welche Schraube bei der Politik derzeit locker sitzt. Sie verweisen auf den Arabischen Frühling im Allgemeinen und den atomaren Frühling im Iran im Besonderen und die dadurch bedingte Nervosität an den Rohstoffbörsen. Auch den Ruf nach dem Kartellamt und der Monopolkommission fürchten die Konzerne nicht. Behörden ist nämlich trotz mehrfacher gründlicher Untersuchungen der Nachweis bisher nicht gelungen, dass es im Tankstellenmarkt illegale Preisabsprachen gibt. Punkt. Durchatmen.

Regierung und Regierte sollten sich damit abfinden, dass man Sprit-, Strom-, und Gashändler mit den bisherigen Instrumenten kaum dazu bringen kann, den Preis nachhaltig zu beeinflussen – in welche Richtung auch immer. Die Politik muss diese Machtlosigkeit zunächst aushalten können. Sie sollte den Reflex unterdrücken, zu Ostern die Mineralölsteuer zu ändern und zu Weihnachten den Mehrwertsteuersatz für Gas. Denn solche Vorschläge bewegen sich innerhalb der Logik der Energiewirtschaft. Und die lautet: Verkaufe fossile Kraft- und Brennstoffe! Um jeden Preis.

Die Frage ist nicht: Ist der Preis zu hoch? Sondern: Ist er gerecht?

Man sollte einen Schritt zurücktreten. Die Frage ist nicht, ob der Spritpreis aktuell zu hoch ist oder zu niedrig. Sondern: Ist er gerecht? Einige der Antworten tun vielleicht weh, denn die Debatte hat auch eine soziale Dimension. Trägt der Preis dem gefühlten Grundrecht aller und dem faktischen Zwang vieler Arbeitnehmer zur Mobilität Rechnung? Sind die 1,70 Euro für einen Liter Superbenzin verhältnismäßig? Spiegelt der Preis also den Umstand, dass man schonend mit Ressourcen umgehen sollte? Wer sagt, diese Abwägung sei zu pauschal, jeder Mensch habe andere Bedürfnisse, muss gar nicht erst anfangen, über die Zukunft der Bildung, der Arbeit, der Familie in diesem Land zu sprechen.

Ein gerechter Preis – das wenigstens lässt sich schon im Hier und Jetzt sagen – ist in jedem Fall ein transparenter Preis, einer, der nachvollziehbar ist für jedermann auch ohne Wirtschaftsingenieurdiplom. Und überhaupt sichtbar. Transparent ist es jedenfalls nicht, wenn Tankstellenbetreiber ihre Preise mehr als 30 mal die Woche ändern und in Extremfällen jeweils gleicht um zehn oder zwölf Cent. Kaum hat sich ein Autofahrer im Sinne des freien Wettbewerbs informiert und die günstigste Tankstelle angesteuert, ist der Preis schon Geschichte.

Dieses Verwirrungstiften hat System. Es bezweckt, dass viele Autofahrer aus Frust zu dem Preis tanken, den ihnen das Spritpreislotto zulost, statistisch nämlich einen höheren als nötig. Um das zu unterbinden hat der Bundesrat erst vergangenen Freitag recht konstruktiv über konkrete Modelle aus Australien und Österreich diskutiert. Dort dürfen Tankstellenbetreiber den Preis nur einmal am Tag anheben. Das brächte Ruhe in den Markt und würde Verbraucher in die Lage versetzen, eine informierte Entscheidung treffen zu können. Egal wie die ausfällt, für oder gegen 1,70 Euro je Liter, es wäre ihre persönliche Entscheidung.

Kevin P. Hoffmann

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