Buch "Die Rückkehr der Diener": Wo ist nur die Hausfrau hin?
Christoph Bartmann denkt in seinem Buch „Die Rückkehr der Diener“ über menschliche und maschinelle Dienstleister nach. Und über das neue Bürgertum. Eine Kritik.
Kaum aus dem Büro nach Hause zurückgekehrt, schlüpfen sie in die Rolle des Sterne-Kochs und Sommeliers, um Freunde auf eine Weise zu bekochen, als wären sie im Restaurant. „Kreativ-Ingenieure der Häuslichkeit“ nennt Christoph Bartmann jenen tapferen Männertypus, dem er wohl selbst angehört. „Die Wohnung ist nicht etwa der Ort, an dem ich mich nach der Arbeit gehen lasse, sondern ein anderer Kampfplatz meiner Leistungsfreude.“ Dass das nicht nur bewunderungswürdig, sondern auch ein wenig verdächtig ist, weiß der langjährige Leiter des New Yorker Goethe-Instituts, der kürzlich nach Warschau gewechselt ist.
Sein neues Buch ist in gewisser Weise das Pendant seines Vorgängers. In „Leben im Büro“ schilderte er das von den McKinseys dieser Welt bis an den Rand der Belastungsgrenze evaluierte moderne Büro, das seine von Effizienz, Ökonomie und Kontrolle bewegten Krakenarme in alle Bereiche der Gesellschaft streckt und die Angestellten zu immer neuen Performance-Anstrengungen zwingt. Nun begibt er sich in die häusliche Sphäre. Auch dort findet er keine Entspannung. Man sollte nicht voreilig spötteln, was Bartmann mit Komik und Stilisierungsfreude beschreibt, sei eben das unvermeidliche Familienchaos eines ehrgeizigen Doppelverdienerpaars. Denn was er schildert, ist durchaus symptomatisch: für einen wacklig gewordenen Mittelstand, der sich zwischen Abstiegsängsten und neofeudalen Überheblichkeitsanwandlungen mit hohen Leistungsansprüchen durchs Leben schlägt.
Bartmann weiß auch von der New Yorker Dienstleistungsgesellschaft zu berichten
„Die Rückkehr der Diener“ ist eines jener schon länger in Mode gekommenen Sachbücher, die zugunsten der Anschaulichkeit mit starker Subjektivität aufwarten. Aber es ist gründlich recherchiert und deckt ein breites Feld von Kenntnissen und Erfahrungen ab. Dass Christoph Bartmann auch Historiker ist, kommt der Sache ebenso zugute wie sein geübter Umgang mit kulturellen Unterschieden. Dabei weiß er nicht nur von der New Yorker Servicegesellschaft zu berichten, wo Dienstleister im Niedriglohnsektor anderen das Leben erleichtern, indem sie im Morgengrauen Büros reinigen und anschließend im Foyer der Wolkenkratzer Manhattans darauf warten, bis die Familien ihre Wohnungen verlassen, um sie in deren Abwesenheit zu putzen. Auch Kenntnisse anderer Weltregionen fließen ein. Was bei den meisten deutschen Senioren Grauen erregen dürfte, die Vorstellung, von einem Roboter gepflegt zu werden, wird beispielsweise in Japan, so erfahren wir, eher begrüßt.
Ähnlich wie der Fahrradfahrer, der auf dem Buchumschlag gleich sieben Hunde von beträchtlicher Größe an ihren Leinen spazieren führt (was ihn nicht daran hindert, in der Hand, die den Lenker hält, auch noch eine Plastiktüte zu umklammern), sitzt Bartmann fest im Sattel, während er die nach allen Richtungen strebenden Fäden seiner Betrachtungen zusammenführt.
Um es deutlich zu sagen: Das Buch schildert nicht wirklich „Die Rückkehr der Diener“, wie der Titel verspricht. Es geht, profan ausgedrückt, um den Haushalt und um haushaltsnahe Dienstleistungen. Genauer: um die prekäre Organisation und billige Delegation all dessen, was ein halbes Jahrhundert lang die in westlichen Gesellschaften ungefähr um 1920 entstandene „Sozialfigur“ der Hausfrau erledigte. Es geht ums Putzen, Kochen, Einkaufen, Nähen und Waschen, ums Kümmern, Versorgen, Pflegen – auch um die Wartung des häuslichen Maschinenparks, der neuerdings um Smartphones, Computer und Tablets erweitert wurde und spezieller Aufmerksamkeit bedarf.
Wenn es einen kollektiven Wunsch gibt, der die Angehörigen des Mittelstands, im Untertitel „das neue Bürgertum“ genannt, vereint, dann ist es der dringliche Wunsch nach Entlastung. Wo aber geht die Last hin, fragt Bartmann mit Recht. Können wir es verantworten, dass wir unliebsame Tätigkeiten auf andere abwälzen und sie auch noch schlecht dafür bezahlen? Und warum neigen wir dazu, die gewonnene Freiheit sofort mit anderen Tätigkeiten aufzufüllen, nicht zuletzt mit „toxischem“ Computergebrauch?
Ich buche selbst: Sind wir längst zu unseren eigenen Dienstleistern geworden?
Das ständige Checken neuer Nachrichten, das Buchen von Reisen, Vergleichen von Preisen, das Laden und Updaten, Konfigurieren und Passwörterverwalten, hat uns längst selbst zu Dienstleistern werden lassen, diagnostiziert der Autor. Wer aber will sein eigener Dienstleister sein?
Christoph Bartmann ist anzumerken, dass er auf keinen Fall als Technikskeptiker gelten will, nicht einmal, wenn es um Logistikdrohnen geht (schließlich entlasten sie andere von den Folgen unserer Bequemlichkeit). Auch die Unterstützung beim häuslichen Pflegen und Versorgen – von Kindern oder kranken Angehörigen – möchte er nicht durch Sentimentalitäten behindert sehen. So wichtig, wie man selbst immer glaube, sei man für das Seelenheil seiner Schutzbefohlenen gar nicht. Das ist eine ziemlich bequeme Haltung, der man den Retourkutschen-Ton anzuhören meint.
Die Mütter von Bartmanns Generation startete noch mit einem positiven Hausfrauenbild
In der „Entmythologisierung der familiären Ökonomie“ meint er Vorteile zu erkennen. Sie verhindere die meist weibliche „Opferrolle“, den „stillen Vorwurf“, der „die eigentliche Währung“ dieser Ökonomie sei. Hier gibt sich der 1955 geborene Autor als genervter Vertreter seiner Generation zu erkennen, die allzu leicht darüber hinweggeht, dass ihre Mütter mit einem positiven Bild des Hausfrauendaseins ins Familienleben starteten, um im Lauf der Jahre nicht nur durch den Alltag desillusioniert, sondern auch durch den gesellschaftlichen Wandel entwertet zu werden.
Dass es letzten Endes nur zwei Wege gibt, das Dilemma haushaltsnaher Dienstleistungen einigermaßen anständig zu lösen, ist klar. Entweder man wertet die Tätigkeiten auf und bezahlt sie entsprechend, oder man geht dazu über, sie soweit wie möglich selbst zu erledigen. Das allerdings erfordert Zeit und Anwesenheit. Das Internet der Dinge, das uns Entlastung an Stellen verspricht, wo wir sie niemals gesucht hätten, etwa als Warnung vor ablaufenden Haltbarkeitsdaten, aber dort nichts zu bieten hat, wo wir sie dringend bräuchten, überantwortet Bartmann seinem beherzten Humor, der auch Kalauer nicht scheut (wie den, dass „To-do-Listen“ bedauerlicherweise meistens auch „Do-it-Yourself-Listen“ seien).
Bartmanns selbstkritische Beobachtungen sind auch: umwerfend komisch
Es ist vor allem der neue „Plattformkapitalismus“, der dem Kunden erlaubt, mit einem Wisch auf dem Smartphone Dienstleister zu ordern, die möglichst rasch, billig und unauffällig bei ihm antanzen sollen, der am Ende Bartmanns „Ekel“ erregt. Die cleane Oberfläche maskiert, dass da Menschen harte und schmutzige Arbeit verrichten, auf die sie im „Stand-by“-Modus auch noch warten müssen, während die Betreiber der Plattform hohe Profite einstreichen. Der plötzlich ausbrechende politische Kampfgeist des Autors kommt allerdings etwas überraschend. Lange war davon kaum etwas zu bemerken, außer vielleicht in Verweisen auf Barbara Ehrenreichs Erkundungen des Billiglohnsektors oder auf Hardt/Negris Begriff der „affektiven Arbeit“.
Seine diagnostische Kraft gewinnt „Die Rückkehr der Diener“ gerade dort, wo Christoph Bartmann gegen den eigenen Ehrgeiz argumentieren muss, dass die Lösung des Problems in einer „Neubewertung der Häuslichkeit“ liegen könnte: „Das Haus müsste wieder eine Chance als Ort des Müßiggangs und der Selbstüberlassenheit bekommen, aus dem die sonst geltenden Leistungsimperative verbannt sind.“ Es ist die schlichte Pointe eines Buches, das gelehrt, geistreich und gut geschrieben ist – und vor allem: umwerfend komisch.
Christoph Bartmann: Die Rückkehr der Diener. Das neue Bürgertum und sein Personal. Hanser Verlag, München 2016. 287 Seiten, 22 €.
Meike Feßmann
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